Vor dem Auftritt von Departures und December Youth in Köln am 13.10.2016, stehen beide Bands JMC kurz Rede und Antwort. Es ist der siebte Abend der gemeinsamen Tour: Musikalisch entstammen beide Bands dem Melodic Hardcore Kosmos. Wobei Departures mittlerweile nach Veröffentlichung des dritten Albums zu den alten Hasen gehören, haben December Youth im Juni 2016 ihr Debüt heraus gebracht und stehen noch ganz am Anfang.
Zum Gespräch mit JMC kommen alle fünf vor den Klub. Chris (Gesang) und Sebastian (Bass) nehmen dabei den meisten Redeanteil ein, während David (Gitarre), Robin (Gitarre) und Jovan (Schlagzeug) die Ausführungen der Beiden gut gelaunt kommentieren.
JMC: Hi, vielen Dank erstmal, dass Ihr Euch kurz vor Eurem Auftritt Zeit nehmt, geht Euch das nicht auf die Nerven?
DY (Chris): Nein, wir haben heute super viel Zeit. Ist ja schön, wenn jemand was fragt (lacht).
DY (Sebastian): Yeah wir wollten alle mit (Allgemeines Gelächter)!
December Youth stammen aus Düsseldorf und haben sich 2013 gegründet. Nach der EP TRANSGRESSIONS, hat man im Juni diesen Jahres den ersten Longplayer RELIVE auf Midsummer Records veröffentlicht. Ein großartiges und wuchtiges Stück Melodic Hardcore, bei dem auch die reflexiven und teils politischen Texte herausstechen. Trotz der kurzen Existenz, kann die Band schon auf ein umfangreiches Tourprogramm in Deutschland, Polen und den Beneluxstaaten zurückblicken. Derzeit sind sie mit den Glasgower Departures unterwegs durch Europa.
JMC: Wir sind sehr begeistert von Eurer Platte, können aber nicht wirklich glauben, dass es Euch erst seit 2013 gibt? Die Entwicklung seit TRANSGRESSIONS, was noch sehr roh klang, ist dabei bemerkenswert.
DY (Chris): Das stimmt, die EP wurde noch komplett im DIY aufgenommen, das Coverartwork selber gemacht und zusammen gebastelt. Auch der Vetrieb fand komplett in Eigenregie statt. Es dokumentiert komplett die Anfangstage, in denen alles sehr schnell ging.
DY (Sebastian): Stimmt, ich musste zu Hause alle Hüllen selber zusammenkleben.
JMC: Kanntet Ihr Euch denn schon vorher, weil wir nicht wirklich glauben konnten, dass man nach zwei Jahren schon so ein Level, so ein gutes Zusammenspiel erreicht?
DY (Sebastian): Ich habe Ende 2013 eine Anzeige bei Musicstore aufgegeben (lachen), ob jemand Lust auf eine gemeinsames Projekt in Richtung La Dispute und Touché Amoré hätte.
DY (Chris): Eigentlich denkt man ja, man findet in so einem Forum eh niemanden. Aber ich hatte zur gleichen Zeit eine ähnliche Anzeige laufen und so hat mich Sebi angeschrieben. Dann fing das so langsam an. Ich selber spiele Gitarre und hatte mit Jovan in einer Band gespielt und ihn einfach gefragt, ob er dabei ist.
DY (Sebastian): Mein Bruder David spielt Gitarre, also habe ich ihn auch gefragt. So nahm alles seine Form an.
DY (Chris): Dann ging es ganz schnell, wir waren Ende 2013 zu viert. David und Sebastian hatten die ersten Songs fertig , ich habe ein paar Texte drüber gelegt. Wir haben das dann alles im Probreaum rotzig aufgenommen und im Mai 2014 rausgehauen, mit der ersten Show.
DY (Sebastian): Im Juni 2014 kam dann Robin noch dazu, so dass wir komplett waren.
DY (Robin): Über eine Freundin bin ich an die Jungs geraten und hatte gehört, dass sie noch einen Gitarristen suchen. Die Sachen haben mir dann super gefallen. Ich habe alles gelernt, ja und dann…
DY (Chris): ...genau wir haben einmal geprobt (und gesoffen) und sind dann am nächsten Tag auf die Bühne. Menschlich hat das gepasst und da haben wir ihn gefragt, ob er an Bord ist, weil die Woche danach ging es ja schon auf Tour (lacht).
DY (Robin): Auf Tour ist es dann zusammen gewachsen, wir mochten uns zum Glück auch nüchtern.
JMC: Ihr sagt das so selbstverständlich „auf Tour“? Als Außenstehender ist es schon beeindruckend, wie weit Ihr in der kurzen Zeit rumgekommen seid?
DY (Chris): Die allererste Tour war so 9-10 Tage lang. Wir wollten das zusammen mit Miles&Feet durch Polen, NRW und Ostdeutschland machen. Polen (Warschau, Danzig, Krakau,Posen) haben wir dann komplett alleine gemacht, wir wollten auch eigentlich nichts haben, uns kannte ja eh keine Sau. Aber es war eine total gute Erfahrung. In Ostdeutschland und NRW sind dann die anderen Bands aufgesprungen. Wir haben durch die Connections von Miles&Feet dann tatsächlich mit Evergreen Terrace und Polar gespielt. Das war ziemlich nice. Für die erste Tour habe ich einfach alles und jeden angehauen. Irgendwie hat das alles geklappt. Zum Glück hatten Mindwar Projects noch die Connections im Osten. Das war einfach machen, machen, machen und wir haben viel Glück gehabt.
JMC: Die Reaktionen auf die neuen Platten fallen durchweg positiv aus, wie nehmt Ihr das wahr? Ist gerade die Zeit für Eure Musik, es gibt ja eine neue Wellen mit mehreren neuen HC Bands, die sehr melodisch sind wie bspw. Anorak?
DY (Chris): Mit denen haben wir schon zusammen gespielt. Auch mit Kala aus Österreich. Jake von Kala wird auf der nächsten Tour aushelfen.Wir haben gerade das Gefühl diese ganze Musik kommt zurück. Wir kennen uns alle und sind auch vernetzt untereinander. Die Platte haben wir angefangen nach der Tour zu schreiben und aufzunehmen. Eigentlich stand sie auch Ende 2014 schon vom Songwriting, aber der Recording Prozess hat das sich dann gezogen, weil wir immer wieder Sachen nachbearbeitet und umgeschmissen haben. So hat sich alles über ein Jahr gezogen.
DY (Sebastian): Mit Schreiben auf jeden Fall. Wir haben die Songs im Proberaum entwickelt und aufgenommen. Dann ging es etwas hin und her, weil wir zu einem Freund ins Studio gegangen sind und sich gerade der Gesang gezogen hat. Dann mussten wir noch schauen, wer es mastert und mischt, so das wirklich viel Zeit ins Land gegangen ist. Wir haben dann gesagt, dass wir das erst veröffentlichen wollen, wenn wir ein Label haben. Wir wollten es nicht einfach so raushauen, nach der ganzen Arbeit und Gefahr laufen, dass es keiner mitbekommt und alles verpufft. Die Suche nach einem Label, hat dann auch gedauert. Wir hatten einige Absagen, aber dann zum Glück Midsummer getroffen. Dort merkt man, die beschäftigen sich damit und stehen da komplett hinter. Und ich muss nicht mehr kleben, was der größte Erfolg war (lacht).
DY (Jovan): Und nicht mehr mein Schlagzeug aufbauen!
DY (Chris): Die Arbeit mit Tim von Midsummer, hat sich dann auch als beste Wahl herausgestellt, weil er voll dahinter steht. Und alles, was derzeit bei Midsummer erscheint ist auch einfach gut. Saving Whisper mit ihrem neuen Album. The Hirsch Effekt waren da, City Light Thief sind noch da, das ist schon alles super.
JMC: Handelt es sich bei RELIVE um eine Art Konzeptalbum? In den Besprechung wurden ja immer positiv erwähnt, dass die Texte sehr reflektiert, teilweise politisch sind, was nicht ganz selbstverständlich ist?
DY (Chris): Die Texte stammen komplett von mir, wobei nicht die Idee war ein Konzeptalbum herauszubringen. Die Klammer ist vielleicht, individuelle und auf einer allgemeinen Ebene, Mißstände zu beschreiben. Das habe ich dann versucht nicht platt – parolenmäßig zu machen, sondern in ein Storytelling zu gießen und dem ganzen eine individuelle Note zu geben. Der Versuch ist einfach sich selber und vielleicht andere dazu zu bringen, die Dinge mehr zu reflektieren, Wert zu schätzen, wie priviliegiert man hier zum Glück leben kann. Nicht alles als gegeben zu nehmen. Wir als weiße Mitteleuropäer sind da ja in besonders guter Stellung. Es ist einfach so viel Scheiß unterwegs auf allen Ebenen, da wollte wir einfach ein wenig darauf hinweisen.
JMC:Geschieht das bewusst oder wird das diskutiert?
DY (Sebastian): Ja, auf jeden Fall. Das drückt sich auch im Titel RELIVE aus. Es sind zwar einzelne, unabhängige Storys, aber mit der Gemeinsamkeit, das jede durchzogen ist mit dem Aufruf mehr sein Handeln und auch die Handlungen um sich herum zu reflektieren.
DY (Chris): RELIVE heißt ja „geistig nachzuvollziehen“. Da bin ich Sebi schon sehr dankbar für den Titel. Er hatte ja auch schon die Titelidee für die EP.
JMC: Also kann man nicht sagen, dass Musik und Text getrennt voneinander entwickelt werden?
DY (Sebastian): Doch eigentlich schon. David und ich haben die Songs jeweils zur Hälfte geschrieben. Wobei wir uns gefragt haben, ob das zusammen passt. Wir sind keine Jam-Band, sondern haben beide die Sachen unabhängig voneinander geschrieben und dann im Proberaum zusammen getragen. Zum Glück hat es gepasst. Das hätten wir am Anfang nicht gedacht.
DY (Chris): Die Beiden haben die Songs mitgebracht. Jovan und ich haben dann unsere Parts dazu gefügt. Und man muss sagen, dass ist wirklich was Fettes bei rausgekommen.
DY (David): Sebastian und ich schreiben komplett getrennt voneinander, vielleicht übernimmt man mal einen Part vom Anderen, aber das kommt eher selten vor.
JMC: Aber Ihr habt schon die gleichen Einflüsse und den gleichen Background? Da trifft nicht die Metalfraktion auf die Emoleute?
DY (Sebastian): Nein, wir kommen aus der gleichen Richtung. Wobei ich immer höre, dass meine Songs etwas poppiger und die von David dunkler sind.
JMC: Wer von Euch Beiden hatte den das größere Zimmer?
DY (Chris): David war wohl nicht so zufrieden (alle lachen). Für neue Songs haben wir uns aber gesagt, wir wollen es etwas anders machen, mehr im gemeinsamen Zusammenspiel die Ideen entstehen lassen. Aber vieles stand damals einfach, als wir uns gegründet haben. Stefan (Tourbassist), Jovan und ich hatten vorher eine progressive Metalband, kennen uns auch schon lange, so dass wir uns noch stärker ins Songwriting mit einbringen können. Auch Robin ist je jetzt an Bord und wir haben gesagt, das wir alle versuchen wollen, Ideen in den Topf zu schmeissen. Aber wir sind da im Moment noch ganz offen.
JMC: Zum Schluß, wie nehmt Ihr die Reaktion auf Eure Platte wahr, jetzt nach einem Jahr Arbeit.
DY (Chris): Die Reaktionen waren bisher durchgehend positiv und auch von den Zuschauern gibt es ein gutes Feedback. Da merkt man einfach die Arbeit hat sich gelohnt und es ist um so schöner, dass das gut ankommt, was wir machen. Mich persönlich freut es auch das viele Leute auf die Texte achten und man dazu Reaktionen bekommt. Hardcore ist ja viel Geballer, wo die Inhalte manchmal hinten drüber fallen.
JMC: Wie ist es jetzt mit Departures auf Tour?
DY (Chris): Vom Stil her passen wir voll zusammen, eine klasse und professionelle Band, macht super Spaß.
Departures kommen aus Glasgow und sind seit 2007 aktiv. In der Zeit haben sie sich mit drei LP’s und diversen Touren u.a. mit More than Life und Moose Blood den Ruf erspielt, Vorreiter der UK Posthardcore Szene zu sein. Das neue Album DEATH TOUCHES US, FROM THE MOMENT WE BEGIN TO LOVE ist hymnischer und melodischer ausgefallen als beispielsweise der Vorgänger TEENAGE HAZE von 2012 und geht in Richtung Piano becomes the Teeth. Über allem liegt aber noch die großartig – mitreißenden Lyrics von Sänger James. Wir sitzen oben im Klub, alle fünf sind dabei, wobei v.a. Sean (Bass), Danny (Gitarre) und James erzählen.
JMC: Auf Eurer neuen Platte DEATH TOUCHES US, FROM THE MOMENT WE BEGIN TO LOVE steht die enthusiastische, teils hymnische Musik im krassen Gegensatz zu den dunklen und persönliche Texten, wie kam es dazu?
Departures (James): Ich habe lange an den Lyrics geschrieben, es hat mich wirklich viel Zeit gekostet bzw. konnte ich mir auch erstmals die Zeit dafür nehmen. Ich habe die Arbeit daran genossen und ich mag das Ergebnis wirklich gerne. Wir hatten diesmal viel mehr Vorbereitungszeit für die Stücke und die Lyrics bevor es in Studio ging, so dass wir schon ein Bild davon hatten, wie die Platte werden sollten. So konnten wir die Platte in die Richtung lenken, die sie jetzt hat. Die Arbeit an der Platte hat mich, glaube ich, so eingenommen wie keine zuvor.
JMC: Ich habe gelesen, es geht sehr viel um Beziehungen und die Abgründe darin?
Departures (James): Sicherlich, aber es geht nicht um mich im Speziellen. Vielmehr geht es um alle Formen von Beziehungen. Ich habe versucht das aufzunehmen und zu reflektieren, was um mich herum passiert. Die Veränderungen, die sich in Beziehungen einschleichen, gerade vor dem Hintergrund des Älterwerdens. Auf einmal steht da die Endlichkeit, der Tod im Raum, was natürlich vielen Betrachtungen geändert hat.
JMC: Wer ist in allererster Linie für die Musik zuständig und hattet Ihr einen musikalischen „Masterplan“? Die Platte klingt ja doch melodischer und weniger rauh als die Vorgänger?
Departures (Sean): Im Großen und ganzen Danny.
Departures (Danny): Normalerweise schreiben wir die Stücke gemeinsam im Proberaum, vor allem bringt sich Sean viel ein. Diesmal war es im Grunde zum ersten Mal so, dass ich vieles zu Hause allein ausgearbeitet und arrangiert habe, was so in der Form noch nicht vorgekommen ist.
Departures (Sean): Wir hatten meist nur grobe Ideen, die Danny dann genommen und alleine veredelt hat. Er hat im Grunde die tatsächlichen Songideen entwickelt. Auf den letzten Platten war es eigentlich immer so, dass nur rund 60% des Materials stand als wir ins Studio gegangen sind. Das war diesmal anders. Das Songwriting war diesmal komplett abgeschlossen.
Departures (Danny): Wir wollten diesmal vorbereiteter sein und das hört man der Platte – glaube ich – auch an. Meine persönliche Meinung ist, dass es unser bestes Album bisher ist.
JMC: Es wirkt sehr homogen, es gibt kaum Kontraste in Geschwindigkeit oder Dynamik, worin ein großer Unterschied zu den Platten zuvor besteht?
Departures (Danny): Du meinst sie ist „steady“? Es ist auf jeden Fall in meinen Augen so, dass es ein in sich geschlossenes Werk ist und ja vielleicht ist die Platte auch etwas langsamer als unsere alten.
Departures (Sean): Ja, man kann die Platte als in sich stimmiges Album nehmen, die Songs funktionieren zusammen, sie stehen weniger nebeneinander als bei den anderen Platten.
Departures (Andrew): Bei den anderen Platten hatten wir noch sehr feste Vorstellung wie ein Hardcoresong zu klingen hat, eben schnell, wütend und laut, was auf der aktuellen Platte keine Rolle mehr spielte.
Departures (Danny): Stimmt, von der Musik ist es wohl keine reine Hardcoreplatte mehr.
JMC: Es wirkt als orientiere es sich ein wenig am melodischen 90iger Sound von Bands wie Samiam?
Departures (Danny): Ja, ein wenig sicherlich, wobei das jetzt nicht bewusst geschehen ist. Ich habe einfach geschaut, wie ich Musik höre, wollte ein wenig den Zustand herstellen, den ich manchmal habe, dass Musik mir einfach durch den Alltag hilft und mich positiv stimmt. So eine Platte wollte ich machen.
JMC: Würdet Ihr denn sagen, dass die Platte ein neues Selbstverständnis bei Departures ausdrückt, dass Ihr Euch frei gemacht habt von Zwängen, so oder so klingen zu müssen?
Departures (Sean): Sicherlich, wir wollten einfach in die Platte das einfließen lassen, was uns musikalisch berührt, ungeachtet irgendwelcher Konventionen. Aber wir sind jetzt nicht heran gegangen und haben gesagt Departures müssen so und so klingen, deshalb müssen wir diesen und jenen Song so schreiben.
Departures (Danny): Doch ein Stück weit schon (Alle lachen)!
Departures (Sean): Aber wir waren uns dessen nicht wirklich bewusst.
Departures (James): Na ja, sicherlich sind auch die Erfahrungen der letzten Jahre mit eingeflossen, man wird reifer und ein Stück weit fokussierter in dem was man tut.
JMC: Wie waren bisher die Reaktionen auf die Platte, die jetzt rund zwei Monate draußen ist?
Departures (Sean): Bisher haben wir eigentlich keine ablehnende Besprechung bekommen, meist haben wir sehr gute Bewertungen in den Musikzeitungen bekommen. Von meinen Freunden und Leuten, die uns schon lange kennen und auf deren Urteilsvermögen wir uns verlassen, kamen auch durchweg positive Äußerungen, wenn auch vielleicht keinen enthusiastischen. Sie müssen sich – glaube ich – schon an den neuen Sound gewöhnen. Aber wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden und müssen auch nicht von jedem gesagt bekommen, dass er es toll findet.
Departures (Danny): Ich war schon ziemlich nervös bevor der erste Song „Broken“ veröffentlicht wurde. Bei den anderen war es – glaube ich – nicht so, aber ich war schon ziemlich fertig mit den Nerven.
Departures (James): Ich habe mir unsere alten Platten vor der Veröffentlichung nochmal durchgehört. Du kannst als Hörer wahrscheinlich schon sagen, dass es sich dabei um eine andere Band handelt. Die alten Songs hören sich sehr viel roher und ungeschliffener an. Vergleicht man dazu die neuen Songs, merkt man vielleicht dass man ein Stück reifer geworden bzw. vielleicht einfach besser weiß, worauf man hinaus will.
JMC: Letzte Frage, habt Ihr Euch eigentlich am Flughafen kennen gelernt oder woher kommt der Name?
Departures (Sean): Vom Flughafen? Ach Du meinst wegen des Namens!
Departures (Danny): Na ja, der kommt noch von meinem MySpace Account. Ich wollte immer in einer Band spielen, die so heißt.
Departures (James): Ich erinnere mich, dass wir im Carhouse – einem Klub in Glasgow – waren und Du hast mir auf Deinem Mobilphone den Namen gezeigt, ich dachte cool. Ich bin mir ziemlich sicher, das war noch so ein Nokiaphone.
Departures (Danny): Haha, ja es waren definitiv andere Zeit.
Im Anschluss eröffnen Hey Ruin das Konzert. Sie selbst haben gerade im Frühjahr IRGENDWAS MIT DSCHUNGEL, ein überragendes, zeitgemäßes Deutschpunkalbum im Sinne von Love A und Turbostaat veröffentlicht. Ihre Texte und die Strukturen sind nicht im ersten Moment greifbar, weshalb sich unter den Zuschauern auch eher eine Atmosphäre des Zuhörens breit macht. Die Stimmung der Songs, die zwischen Wut und ironischer Resignation schwebt, hat trotzdem das Zeug dazu, den eigenen Kloß im Hals größer werden zu lassen. Auch wenn der Sänger darauf hinweist, dass es heute keine politischen Ansagen gibt, weil alles super läuft, trägt das mehr dazu bei, das Lachen im Hals stecken zu lassen, als sich vor Freude auf dem Boden zu wälzen. Auch live merkt man, dass Songs wie „Arthur und die Disapora II“ oder „Tut das Not“ kleine Hitperlen sind. Auch wenn es musikalisch nicht ganz zu den folgenden Bands passt, ein mehr als schöner Auftakt.
Danach entern die Jungspunde von December Youth die Bühne und es überrascht schon ein wenig, mit welcher Selbstverständlichkeit sie ihre Songs auf das Publikum nieder prügeln. Wie oben beschrieben, käme man nicht auf die Idee, dass die Jungs erst zwei Jahre in der Besetzung zusammen spielen. Wesentlich roher als auf Platte kommen die Songs rüber. Und auch die Stimme von Sänger Chris scheint noch zwei Stufen hektischer und aufgekratzter. Ein komplettes Brett, wovon die neueren Songs wie „Ailleurs“ durch ihren Abwechslungsreichtum und Dynamikwechseln herausstechen. Ähnlich wie bei den folgenden Departures ist einfach die Schlagzeugleistung beeindruckend. Jovan treibt seine Mannen unentwegt vor sich her, bestimmt Tempo und Dynamik und zeigt keine Gnade mit seinen Vorderleuten. Ein insgesamt gelungener Auftritt, auch wenn die Reaktionen des Publikums etwas zurückhaltend sind.
Dann betreten Departures die Bühne und das Energielevel, das December Youth schon relativ hoch geschraubt haben, steigt nochmal. Direkt geraten Musiker, als auch die Zuschauer in Bewegung. Eigentlich gibt es kaum einen Song bei dem die fünf Schotten einigermaßen stehen bleiben. Bassist Sean in Mittelposition gibt dabei eine Art Vorspringer. Sänger James ist das Auge des Wirbelsturms, tanzt abwechselnd zwischen den Zuschauern, geht in ihnen unter, um im nächsten Moment um so lauter seine Texte gegen die viel zu niedrige Decke im Klub zu schreien. Dabei tritt gut die Weiterentwicklung im Songwriting hervor. Leben die älteren Songs von TEENAGE HAZE und WHEN LOSING EVERYTHING IS EVERYTHING YOU WANTED von ihrer Geschwindigkeit und der Wut, die ausgerotzt wird, bestechen die neuen durch die Wucht der Gitarrenwände. Sie bilden kleine Inseln zum Durchatmen für Band und Zuschauer, außer für den Sänger, der weiter zwischen Bühne und Publikum umhertigert, als suche er unaufhörlich nach seinem Platz. Auffallend ist aber, dass unter allem Lärm und Rotz die Melodie bei der Band nicht zu kurz kommt. Das dürfte – sollte alles einigermaßen fair in dieser Welt laufen – dazu beitragen, dass sie in Zukunft vor wesentlich mehr Leute spielen dürfen. Allerdings wäre das auch verdammt schade, weil man dann nur mit einer halb so intensiven Energiedusche nach Hause gehen würde. Da vergisst man sogar das Biertrinken.