Justice – Woman
In 13 Jahren der Bandgeschichte nur drei Album zu veröffentlichen, lässt nicht auf einen quantitativ großen Output schließen. Die Menge ist aber wumpe, wenn die Band die Welt auch noch mit Unmengen an Remixen, EP´s und Singles beglückt und zudem die Qualität stimmt. An diesem Punkt spielen Justice klar in der Champions League tanzbarer französischer Bands und sind in einem Atemzug mit Daft Punk, Air oder Phoenix zu nennen.
Nach CROSS UND AUDIO, VIDEO, DISCO legen Justice mit WOMAN ihr drittes Studioalbum auf dem ED Banger-Label vor. Und sie erfüllen die Erwartungen nicht nur, sie übertreffen diese problemlos. WOMAN ist wesentlich homogener als die Vorgänger, kommt aus einem Guss daher und weist alles vor, was ein Electro-Album benötigt.
Die Songs machen Spaß, verhaken sich beim ersten Hören in den Ohren und finden den Weg über den Gehörgang in den Körper – Das Motto lautet: tanzen, bewegen, aus sich herausgehen und glücklich sein. Neben den Arrangements, den Beats wie auch den Samples überzeugt besonders das Setting der einzelnen Songs auf dem Album. Justice kreieren einen Spanungsbogen, dem sich der Hörer nicht entziehen kann.
Einige Stücke auf WOMAN stechen hervor. Mit „Safe and Sound“ wird der Rahmen abgesteckt – eingängig, populär, tanzbar. „Alkazam!“ greift den Groove auf und entwickelt einen Flow und Druck, der voll und ganz ins Blut übergeht. Das epische „Chorus“ bedient sich an House-Elementen und erhält durch die Chöre eine unheimliche Eigendynamik. „Heavy Metal“ erinnert an einen unglaublichen Mix nach dem musikalischen Motto: Beethoven meets Captain Future. WOMAN verfärbt das Grau der dunkeln Zeit nachhaltig! – Lohnt!
VÖ: 18.November 2016, Ed Banger, http://www.justice.church/
Ohr d’Oeuvre: Safe and Sound/ Alkazam !/ Chorus/ Heavy Metal
Gesamteindruck: 8,0 /10
Tracklist: Safe And Sound/ Pleasure/ Beautiful Beat/ Alkazam !/ Fire/ Stop/ Chorus/ Randy/ Heavy Metal/ Love S.O.S./ Close Call
(kof)
Martha Wainwright – Goodnight City
Was ist schlimmer, als ein Lied über den eigenen Sohn auf die Platte zu nehmen? – Zwei davon. Dazu benennt Wainwright das Album auch noch nach dem liebsten Kinderbuch des Kleinen, macht Bühnenauftritte mit dem Größeren und lässt sich Texte von anderen Autoren schreiben. Hierzulande endet sowas bei Nena oder schlimmer. Nicht so im Fall der kanadischen Künstlerin, die nach einer gemeinsamen Platte mit ihrer Halbschwester aus 2015 nun ihr viertes Soloalbum veröffentlicht.
Denn die Autoren der Hälfte aller Songs auf GOODNIGHT CITY sind keine Fremden, sondern entstammen dem Freundes- und Familienkreis, und der ist ja bisweilen näher an einem dran, als man selber. Vor allem nach den bewegten Zeiten, die Wainwright in den vergangenen Jahren durchlebte mit dem frühen Tod der Mutter und der Geburt der eigenen beiden Söhne. Überhaupt Familie: Für die 40-jährige Wainwright, die die andere Hälfte selber geschrieben hat, war sie schon immer das zentrale Thema mit sehr viel Segen und ausreichend Fluch und Flüchen zugleich. Auch auf dem neuen Album hängt alles mehr oder weniger zusammen mit Freunden, mit den Eltern, mit den Kindern oder mit dem eigenen Leben dazwischen.
Musikalisch bieten die Songs durchgängig Qualität und zeigen die Vielseitigkeit einer gestandenen Künstlerin. Eine solide Basis aus Folk und Chanson wird erweitert um Pop – in Einzelfällen auch, ebenfalls gelungen – um rockige oder elektronische Element. Den stimmigen Arrangements merkt man an, dass hier versierte Musiker ein gemeinsames Verständnis der Songs erarbeitet und überzeugend umgesetzt haben. Daraus könnte auch eine tolle Band entstehen.
Die Stimmung auf GOODNIGHT CITY ist grundsätzlich positiv und kraftvoll. Das reicht von euphorischer Übertreibung in Bezug auf die eigenen Kinder bis runter zu den offen dargelegten Mühen, Differenzen und Verlusten, die es zugleich im Leben zu bewältigen gilt. Ein künstlerisches, ehrliches und zuversichtliches Album.
VÖ: 11.November 2016, Cadence Music / PIAS, http://www.marthawainwright.com/
Ohr d’Oeuvre: Franci/ Look Into My Eyes/ So Down
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Around The Bend/ Franci/ Traveler/ Look Into My Eyes/ Before The Children Came Along/ Window/ Piano Music/ Alexandria/ So Down/ One Of Us/ Take The Reins/ Francis
(tj)
Run River North – Drinking from a salt pond
Was fällt einem ein, wenn man an Los Angeles denkt? Richtig, Hollywood, bzw. der Hollywood-Schriftzug hoch über der Stadt in den Hollywood Hills. Im Schatten dieses Schriftzuges befindet sich mit dem San Fernando Valley ein Tal, was zu zweifelhafter Berühmtheit gekommen ist, weil die meisten “Rüsselwestern” aus diesem ansonsten hässlichen und unbedeutenden Tal nahe der Stadt der Engel kommen. Ein ziemlich weisser Fleck auf der Landkarte ist das Valley in Bezug auf Musik – zumindest auf den ersten Blick.
Run River North, sechs Amerikaner*innen koreanischer Abstammung kommen aus dem San Fernando Valley. Ob sie es jedoch schaffen, das Tal auf die musikalische Landkarte zurückzuholen, darf leise bezweifelt werden. Wahrscheinlich will die Band das auch gar nicht. Was sie will, wird bei ihrem neuen Album DRINKING FROM A SALT POND aber auch nicht ganz klar. Man könnte eine ganze Reihe Referenzen auflisten, aber irgendwie gehen die Songs in der Summe etwas im Referenzsumpf unter. Nicht das die Songs schlecht sind, sie zünden nur leider selten. Das Album bewegt sich irgendwo zwischen überambitioniert und überproduziert. Ein wenig Arcade Fire, ein wenig Death Cab for Cutie, dazu noch eine kleine Prise Schweden-Rock und weil er nicht fehlen darf, hier und da etwas Folk. Alles für sich völlig ok, in Kombination jedoch fehlt der rote Faden.
Nichtsdestotrotz dürfen Freunde der Referenzbands DRINKING FROM A SALT POND gerne eine Chance geben, denn musikalisch und textlich sind einzelne Songs vom Album des kalifornischen Sechers durchaus bemerkenswert. Schaffen sie es ihren eigenen Stil zu finden und ein etwas reduzierters Album mit Wiedererkennungswert aufzunehmen, könnte man von Run River North zukünftig noch hören.
VÖ: 25.11.2016, Nettwerk / Soulfood
Ohr d’Oeuvre: Elam/ Anthony
Gesamteindruck: 6/10
Tracklist: Intro (funeral) parade/ 29/ Run or hide/ Can’t come down/ Elam/ Ghost/ Pretender/ Anthony/ David Robinson/ Winter wind
(at)
„Wanda war gestern – jetzt spielt’s Granada“ titelte bereits die Wiener Zeitung. Austro Pop läuft und Granada schneiden sich mit ihrem Debütalbum GRANADA ihr Stück vom Kuchen ab.
Seit Wanda steht irgendwie fest, dass die Österreicher es besser drauf haben, die essentiellen Fragen des Lebens zu stellen und dabei cool auszusehen. Granada könnte man im ersten Moment in die Epigonenecke stellen und es dabei belassen. Ist da doch die gleiche, abgehangene Grundlässigkeit, die jedem zu verstehen gibt, dass man eigentlich zu cool ist, um sich jetzt mit den Problemen der Gegenwart abzugeben und man endlich zum nächsten Schnaps kommen sollte. Und auch eine Tour im Vorprogramm der Sportfreunde Stiller, motiviert nicht unbedingt dazu sich der Band unvoreingenommen zu nähren. Das dieser Vorwurf nicht zu halten ist und man seine Vorurteile mal wieder einpacken kann, liegt an dem überaus gewagten Stilmix, den Granada auffahren. Könnten Songs wie „Pina Colada“ oder „Palmen auf dem Balkon“ auch von den Hives oder Vampire Weekend in einem Anfall von Käsekrainerheißhunger stammen, erinnert das Akkordeon in „Ottakring“ oder „Wien wort auf di“ eher an Hubert von Goisern. Die Posaunen, Geigen und Balkansounds in „Lang is her“ oder „I sog da glei“ könnten ebenso von Seiler und Speer stammen, werden von Granada aber wiederum zu einer dynamischen Mischung mit den Hives Sounds vermengt. Darüber legt sich der eigenwillige Mundartgesang von Thomas Petritsch, der irgendwo zwischen Seiler und Speer und dem Nino aus Wien liegt. Zwar ist er wesentlich schwerer zu verstehen, durch die eingängigen Refrains dann aber doch schnell zu adaptieren. Also alles gut? Vom Sound muss man sagen, wirklich erfrischend, aber man muss schon Fan dieses Schmäh und der Austrian Mundart sein. Für alle, die sich an Seiler und Speer oder Wanda satt gehört haben, sind Granada eine spannende Alternative.
VÖ: 16.09. 2016, Karmarama, Granada
Ohr d’Oeuvre: I sog da glei / Wien wort auf di/ Pina Colada
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Lieber gern als hier/ Ottakring/ Pina Colada/ Palmen am Balkon/ Eh ok/ I sogs da glei/ Lang is her/ Ka Feia/ Spuer di Sun/ Last Man Standing/ Wien wort auf di/ Taube im Glas
(pd)