The Notwist – Neon Golden
Im Düsseldorfer ZAKK wertet das diesjährige „Lieblingsplatte“-Festival die Adventszeit mit der treffenden Beschreibung „wichtige Alben deutscher Popgeschichte Live“ auf. Vor dem Hintergrund von Beliebigkeit bei der Zusammenstellung von Musik durch Streaming-Abo-Dienste verfolgt das Festival eine charmante Idee. Das Album als Gesamtwerk wird wieder in den Fokus gerückt und chronologisch live vorgetragen. Die Veranstalter betrachten „das Album als künstlerische Ausdrucksform. Jedes Album hat seinen eigenen Spannungsbogen, der von den Künstlern bewußt konzipiert und dramaturgisch aufgebaut wird. Ein Album wird als in sich geschlossenes Werk geschaffen, hat eine musikalische und textliche Aussage, und läßt einen in die Gedankenwelt der Musiker eintauchen.“ Unter diesem Motto veranstaltet das ZAKK sieben Konzerte mit unterschiedlichen Künstlern und ihren jeweils wichtigsten Platten.
Nachdem Fehlfarben mit dem Konzert zu MONARCHIE UND ALLTAG als Festival-Opener die Messlatte sehr hoch gelegt hatten, folgte die Weilheimer Band The Notwist an Tag 2, mit ihrem Klassiker NEON GOLDEN. Vorfreude und Spannung waren groß. Wie würde das Album knapp 15 Jahre nach der Veröffentlichung in seiner Gesamtheit wirken? NEON GOLDEN bildete neben SHRINK die Brücke zwischen den frühen gitarrenorientierten Alben mit Hardcore-Elementen und den Veröffentlichungen aus diesem Jahrtausend, die einen ehr experimentell-elektronischen Stil haben.
Überraschend kündigt Michael Archer vor dem Konzert an, dass zwar jeder Song gespielt, die bekannte Reihenfolge des Albums jedoch nicht eingehalten werde. Vor dem Hintergrund des zeitlichen Abstands ist es ein sicherlich berechtigter Ansatz, die Setlist zu verändern. Das Publikum wartet gebannt auf das, was kommen sollte.
Als Opener spielen The Notwist „One step inside doesn´t mean you understand“ gefolgt von „Pick up the phone“. Mit der dritten Nummer „One with the freaks“ fangen die Weilheimer das Publikum vollends ein und ziehen es in ihren Bann. Die Lichtshow im Zakk ist exzellent auf die Stücke abgestimmt, der Sound perfekt abgemischt und sowohl die elektronischen als auch die instrumentalen Elemente nehmen den Raum ein, der ihnen zugestanden werden sollte. Es ist immer wieder ein Faszinosum wie gut Musik bei einem Auftritt klingen kann, wenn der Mischer sein Handwerk versteht. Dank Lichtshow und perfektem Sound wird der Auftritt zu einem ganzheitlichem Erlebnis.
Von den Zuschauern wird wenig bis gar nicht während der Stücke kommuniziert, selten das Smartphone zur Dokumentation gezückt und auch der Getränkekonsum dürfte gering gewesen sein. Alle sind voll und ganz auf die Band mit ihrem Auftritt konzentriert.
The Notwist schaffen es spielerisch zwischen Indiepopelementen und den basslastigen Elektrosounds hin- und herzuspringen. Mit 15 Jahren Abstand wird bei diesem Live-Auftritt wieder klar, was für ein Meilenstein 2002 mit NEON GOLDEN veröffentlich wurde. Die Band ist und bleibt seit Jahren ein verlässlicher Stern am Musikfirmament, der die Hörer immer und immer wieder mit bleibenden Erinnerungen in Form von Musik versorgt. An diesem Abend schaffen The Notwist es bei „Pilot“ die gesamte musikalische Bandbreite in einen Song münden zu lassen, der gefühlte 20 Minuten lang ist. Die Musiker verbinden in der improvisierten Songstruktur die harten Gitarrenriffs der frühen mit den tanzbaren, fast vollends elektronischen Sounds der späteren Alben. Selten ist die Qualität und der Facettenreichtum einer Band so pointiert live in einem Song zusammengefasst worden. Neben den erwähnten Stücken bleibt „Neon Golden“ im Gehörgang hängen und scheint nicht mehr heraus zu wollen. Aber auch die beste Platte hat nur zwei Seiten, die The Notwist im ZAKK sehr ausgiebig spielten.
Nach den letzten Tönen von NEON GOLDEN mit „Consequence“ verstummen, rundet die Band den Abend mit ausgewählten Stücken ab. Neben „Kong“ und „Gravity“ wird das wunderbar atmosphärische „Run, Run, Run“ zum Besten gegeben. Für die Fans der frühen Jahre wird „One dark love poem“ gespielt.
Alle Besucher des heutigen Abends dürfen sich glücklich schätzen, eine der prägendsten nationalen Indiebands noch einmal ihr vielleicht wichtigstes Album en bloc spielen gesehen zu haben. Motto und Mission des „Lieblingsplattefestivals“ werden zur vollsten Zufriedenheit erfüllt.
Setlist:
- One step inside doesn´t mean you understand
- Pick up the phone
- One with the freaks
- This room
- Solitaire
- Trashing days
- Neon Golden
- Pilot
- Off the rails
- Consequence
- Kong
- Boneless
- Into another tune
- Gravity
- Micha
- Run Run Run
- Dark love poem
- Lineri