Giant Rooks – New Estate
Man muss schon lange überlegen bis einem Dinge einfallen, die man mit Hamm in Westfalen verbindet. Zum einen der Bahnhof, an dem man gefühlt immer umsteigen muss oder die Bahn so wahllos Züge an- und entkoppelt, dass man sich auf einmal statt im Ruhrgebiet im Bergischen Land wiederfindet. Zum anderen kennt man Hamm durch sein Atomkraftwerk und den benachbarten Campingplatz, der sich bei Campern aufgrund der angenehm warmen Atommeiler-Abwässer und dem beruhigenden Rauschen der nahen A2 größter Beliebtheit erfreut.
Was man jedenfalls gar nicht mit Hamm verbindet ist Musik. Nach langem Überlegen und nach ausgiebiger Recherche scheint Hamm ein absolut weißer Fleck auf der Band-Landkarte zu sein. Dies wird sich jedoch in ganz naher Zukunft ändern. Verantwortlich dafür zeichnen sich Giant Rooks, bei denen, wenn man sie live sieht und vor allem hört, kaum zu glauben ist, dass das Durchschnittsalter der Band irgendwo um und bei 19 Jahren liegt. Schließt man bei Konzerten der fünf die Augen, könnte man meinen, man hat es mit einer Band zu tun, die auf dem Sprung zur Headliner-Position bei den etablierten Indie Festivals des Landes ist. So ist es nicht verwunderlich, dass die neue, zweite EP auf Haldern Pop Recordings erscheint. Das eigentlich Verwunderliche an dieser Tatsache ist, dass das Haldern Pop das Rennen um Giant Rooks gemacht hat und keins der großen Major Labels – wird der Band für 2017 doch der große Durchbruch vorausgesagt. Sollte alles mit rechten Dingen zugehen, wird die Band spätestens nach den Sommerfestivals in aller Munde sein. Ob es der große Durchbruch wie z.B. bei AnnenMayKantereit wird, bleibt abzuwarten, ist vielleicht in dieser Form auch nicht wirklich erstrebenswert.
Die EP legt auf alle Fälle schon einmal den Grundstein dafür, den Grad der Aufmerksamkeit, welcher der Band entgegengebracht wird, deutlich zu steigern. Selten hat man so ausgefeilten und mitreißenden Indie Pop – sie selbst nennen es Art Pop – gehört wie auf NEW ESTATE. Was besonders beeindruckt ist die Abgeklärtheit, die die fünf Songs auf der EP ausstrahlen. Man spürt förmlich den Ehrgeiz, den die fünf Perfektionisten aus Hamm in diese Platte gelegt haben. Die Songstrukturen erinnern an die großen Vorbilder Alt-J, der ungestüme Enthusiasmus an die Kooks, manchmal hört man ein wenig The Bronze Medal und ganz oft erinnert die Stimme von Sänger Frederik Rabe an die leider viel zu früh von uns gegangenen, großartigen BeatBeatBeat.
Eine großartige neue EP auf einem tollen Label, mitreißende, ausverkaufte Live Auftritte und Lobeshymnen von Sektor-Musik-Papst Klaus Fiehe – bessere Voraussetzungen für einen Durchbruch 2017 kann es kaum geben. Dieses Jahr wird definitiv das Jahr der fünf Jungs von Giant Rooks werden.
VÖ: 20.01.2017, Haldern Pop Recordings, https://www.facebook.com/giantrooks/?fref=ts
Ohr d’Oeuvre: New Estate/ Bright Lights/ Chapels/ Mia&Keira/ Slow
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: New Estate/ Bright Lights/ Chapels/ Mia&Keira/ Slow
(at)
Japandroids – Near To The Wild Heart Of Life
Japandroids klingt irgendwie so gar nicht kanadisch, weder in der Namensgebung noch musikalisch. Es tun sich nicht sofort endlose Weiten und veträumte Holzfällerstädtchen auf. Hört man genauer hin, findet man all das letztendlich doch noch in den Songs der beiden Kanadier.
Knapp fünf Jahre nach ihrem zweiten Album CELEBRATION ROCK und vier Jahre nach ihrem letzten Live Auftritt, treten die beiden Kanadier mit ihrer dritten Platte NEAR TO THE WILD HEART OF LIFE wieder aufs Gaspedal. Die etwas längere Pause scheint den beiden Jungs gut getan zu haben. Die Songs des neuen Albums wirken durchdacht und sind wesentlich differenzierter als gewohnt. Brian Kings knackige Gitarrenriffs und David Prowse treibendes, energiegeladenes Schlagzeugspiel machen die Platte zu einer starken IndieRock Scheibe. Hier und da etwas experimenteller. Wie im veträumten „I’m Sorry (For Not Finding You Sooner)“, das zerknirscht und tiefgehend, direkt aus dem zweiten Trainspotting Film stammen könnte. „True Love And A Free Life Of Free Will“ rockpopt sich an den Hörer ran, während „Arc of Bar“ fast hymnisch daher kommt. Einer der stärksten Songs ist gleichzeitig die erste Singelauskopplung „No Known Drink or Drug“. Optisch reiht sich NEAR TO THE WILD HEART OF LIFE nahtlos ins Corporate der beiden Vorgänger mit seinem monochromen Bandfoto ein. Insgesamt ein gelungenes Indierock Album mit hier und da poppigen Einschlägen.
VÖ: 27.Januar 2017, ANTI- Records, http://japandroids.com/
Ohr d’Oeuvre: I’m Sorry (For Not Finding You Sooner)/ Near To The Wild Heart Of Life/ No Known Drink Or Drug
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Near To The Wild Heart Of Life/ North East South West/ True Love And A Free Life Of Free Will/ I’m Sorry (For Not Finding You Sooner)/ Arc Of Bar/ Midnight To Morning/ No Known Drink Or Drug/ In A Body Like A Grave
(gb)