Klez.e – Desintegration
Eigentlich hatte man es trotz allen Hoffens kaum für möglich gehalten, aber sieben Jahre nach dem Meilensteinalbum FEUER DER GABEN, melden sich Klez.e zurück. Dabei unternehmen sie auf DESINTEGRATION eine Positionsbestimmung, die in Abkehr und Abscheu vor dem gesellschaftlichen Status Quo mündet und zugleich mit der Klez.e eigenen Euphorie besticht.
Klez.e zeichnete immer eine diffuse Innerlichkeit zwischen Euphorie und Melancholie aus. Warm eingepackt in ein analoges Soundgerüst besitzt die Band in den besten Momenten die Gabe beim Hörer ein inneres Feuer zu entfachen, eben aufgrund dieser seltsam – euphorischen Melancholie. Dieser Breitwandsound mit Millionen von Sounddetails wurde vor sieben Jahren, auf dem letzten Album FEUER DER GABEN und auch beim Soloprojekt And the Golden Choir von Sänger Tobias Siebert meisterhaft umgesetzt. Aus und vorbei! Auf DESINTEGRATION regiert ein kalter Wavesound, eine moderne Anleihe des klassischen Düstersounds von The Cure und deren Werk DISINTEGRATION, dessen Erscheinungsjahr 1989 den Ausgangspunkt für das neue Werk von Klez.e bildet. Neben der Platte bildet die Wiedervereinigung und der damit startende Integrationsprozess von Siebert im kapitalistischen System das Hauptmotiv der Platte. Einige Lieder setzten sich recht plakativ mit dem System auseinander, setzt Siebert scheinbar bewusst das Fadenkreuz auf die Auswüchse des Kapitalismus und des damit verbunden militärisch – politischen Komplexes wie in „Lobbyisten“ und „Drohnen“. Bei anderen Liedern wie dem großartigen Opener „Mauern“, kann man dieses eher erahnen, vermischt sich die Systemkritik mit den Reisen in die innere Gedankenwelt des Sängers. Bei diesen Songs scheint er sich auch am wohlsten zu fühlen, kommen sie doch wesentlich geschlossener und flüssiger rüber. So wirken die Songs gerade im Mittelteil recht zäh und der Gesang teilweise holprig, als wolle mit Teufel komm raus der klinisch – bedrohliche Sound mit expliziten politischen Inhalten gekreuzt werden. Zum Glück erhebt sich die Band noch einmal zu einem echten Höhepunkt mit „Drohnen“. Wie gesagt, dieCure Anleihen sind viele Songs geradezu greifbar, wobei Siebert ein viel zu guter Produzent ist, um dem klinischen Cure – Sound nicht einen modernen und warmen Anstrich zu geben. Gespalten bleibt der Hörer zurück, ähnlich gespalten wie der Protagonist in den Songs. Nicht angekommen, aber nicht wirklich abgewendet steht dieser seiner Umgebung gegenüber. Genauso wie der Hörer, der keineswegs deprimiert ist, da wieder viele, viele dieser bittersüßen und wunderschönen Momente auf der Platte zu finden, aber sie werden manchmal zu sehr übertönt von dem übergestülpten Konzept.
VÖ: 13.01.2017, Staatsakt, Klez.e
Ohr d’Oeuvre: Mauern / Drohnen/November
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Mauern / Flammen/ Nachtfahrt/ November/ Schwarz/ Lobbyist/ Drohnen/ Requiem
(pd)
Yalta Club – Hybris
Ein Lichtblick in der dunklen Jahreszeit? Jetzt schon auf den Frühling freuen, obwohl die Schuhe unter Wasser stehen? Mit HYBRIS schaffen es Yalta Club die negativen Gedanken mal für einen Moment in der Ecke stehen zu lassen. Ein gelungener Mix für den kommenden Luftballonpaartanz-Contest.
Allgemein wird zurzeit ja beschworen, den ganzen Mist von 2016 hinter sich zu lassen und 2017 wieder etwas optimistischer nach vorne zu schauen. Die Deutsch-Französische Band Yalta Club liefert mit ihrem Debüt am Anfang des Jahres direkt mal den Soundtrack zum neuen Optimismus. Zugleich bremst HYBRIS aber die Euphorie und beschwört die Gefahr am eigenen Hedonismus zugrunde zu gehen. Die fünf Franzosen und die deutsche Sängerin, die sich als Straßenmusiker kennenlernten, verbinden in den 13 Songs denn auch einen hedonistisch geprägten „Gute Laune“-Synthiepop mit Folkelementen, die den Songs gerade in der zweiten Hälfte des Albums eher einen melancholischen Unterton geben. Textlich reicht der Fokus vom Sex mit Feuerwehrmännern hin zur Finanzkritik. Ein Album, was sich sowohl für’s Lagerfeuer, als auch für den Strand auf Ibiza, für den Aperitif am Anfang der Party als auch als Anheizer für den Luftballonpaartanz in der Mitte des Abends eignet. Songs wie „Love“ oder „Diamonds and Coal“ mit Bongountermalung, euphorisierenden Bläsern und den treibenden Beats erinnern angenehm an etwas verrücktere Vertreter des Genres Elektroindiepop wie Architecture in Helsinki oder den Stars aus Kanada. Zugleich schimmert an einigen Stellen die Dynamik von Vampire Weekend durch. Diese Vielschichtigkeit unterscheiden Yalta Club angenehm von anderen Bands, die einfach nur auf das Prinzip ein bisschen Elektrogeblubber, ein bisschen Folk und viel kuschelige große Kuhaugen-Melancholie setzen, um den Hörer nachhaltig einzulullen. Nein, HYBRIS erarbeitet sich seine Berechtigung durch die Euphorie und den vielschichtigen Mix, der teilweise sogar den Elektrosoul eines How too dress well? wie in dem gechillten „Exile“, einbindet. Trotz dieser hohen Musikalität fehlen die ganz großen Momente auf HYBRIS, die richtigen Arschtreter, weshalb es eher für die Cocktail- denn für die Abrissparty reicht. Immerhin hat dies auch schon zu einem Auftritt im ZDF Morgenmagazin gereicht. Aber bevor hier jemand „Würg“ ruft, da gibt es etliche, unangenehmere Sachen mit denen man morgens wach werden könnte.
VÖ: 13.01.2017, Radicalis, Yalta Club
Ohr d’Oeuvre: Stars/ Love/ Diamonds and Coal
Gesamteindruck: 6,5/10
Tracklist: Love/ Of Mice and Gods/ Late/ The Door/ Holy Kind/ Stars/ Diamonds and Coal/ Exile/ New Day/ Instand God/ Something to remember
(pd)