Jesca Hoop – Memories are now
Sub Pop erfinden sich seit ein paar Jahren neu und fördern in schöner Regelmäßigkeit Singer-Songwriter und Folkperlen zutage, die ein wenig abseits der ausgetrampelten Pfade liegen und gerade dadurch beeindrucken. Im Kielwasser von Iron&Wine debütiert Jesca Hoop mit MEMORIES ARE NOW.
Manche Platten benötigen nicht viel mehr als eine Stimme, eine Gitarre und eine tiefe Überzeugung. MEMORIES ARE NOW der Amerikanerin Jesca Hoop ist so eine Platte. Die Künstlerin verbindet auf ihrem Debütalbum die nostalgische Patina einer Gemma Ray mit der kraftvollen Melancholie und Überzeugung der frühen PJ Harvey. Nachdem sie erste Aufmerksamkeit durch das gemeinsame Album LOVE LETTER FOR FIRE mit Sam Beam von Iron & Wine erregt hatte, in dessen Schatten sie dort stand, kann sie sich auf ihrem ersten Soloalbum vollends entfalten. Dies gilt in erster Linie für ihre Stimme, die diese merkwürdige, kraftvolle Melancholie und Dunkelheit verströmt, durch die die bereits angesprochene PJ Harvey ihre Anziehungskraft entwickelt. Vielleicht liegt dies daran, dass die Songs eher von den düsteren Erinnerungen und Erlebnissen Hoops handeln. Sei es die Auseinandersetzung mit der Religion, die in ihrer Jugend eine große Rolle spielt wie in dem wunderschönen „Songs of old“ oder dem düsteren „The Lost sky“, das von einem Freund erzählt, der nach einem schweren Unfall im Koma lag, aufwachte und sein ganzes Leben im Trümmern lag. Hoop spricht davon, dem Unaussprechbaren eine Stimme zu geben.
Trotz allem ist das Album kein Akt des Selbstmitleids oder der Selbstanklage, was in erster Linie an der – trotz der düsteren Thematik – kraftvollen Aura Hoops liegt, die den Songs ein wenig was sirenenhaftes gibt. Man kann sich der Verlockung schwer entziehen, obwohl man droht hinunter in die Tiefe gezogen zu werden. Darüber lockert sie die ernsten Themen durch vereinzelte kurzweilige Alltagsbeobachtungen auf, wie in „Animal Kingdom Chaotic“, wo die Protagonistin an einem störrischen Computer zu scheitern scheint. Die Musik verzichtet größtenteils auf Rhythmusinstrumente und nimmt die Dynamik meist aus der Stimme Hoops. Sie bleibt wie auf den ersten Aufnahmen Harveys skizzenhaft, außer in Ausnahmen wie dem patinaüberzogenen Abschlussstück „The Coming“, in welchem die choruslastige Gitarre stark an Gemma Ray erinnert. Jesca Hoop erfindet sicherlich den Folk nicht neu, weiß aber was sie kann, reduzierte Songs spielen, die den Hörer zwischen Dunkelheit und Licht wandeln, aber nicht hinab fallen lassen
VÖ: 10.Februar 2017, Sup Pop, http://www.jescahoop.com/
Ohr d’Oeuvre: Songs of old, The lost sky, The Coming
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Memories are now / The lost sky/ Animal Kingdom Chaotic/ Simon says/ Cut Connection/ Songs of old/ Unsaid/ Pegasi/ The Coming
(tb)
Cloud Nothings – Life Without Sounds
Dylan Baldi, Kopf und Kreativabteilung in Personalunion bei Cloud Nothings, fällt eher in die Kategorie kauziger Typ, der das macht, worauf er Bock hat. Dass dabei dann oftmals eine Weiterentwicklung in musikalischer Hinsicht herauskommt, ist für Baldi ein gewolltes Ergebnis kreativer Prozesse. Was für ihn also zur normalen Entwicklung eines Bandgefüges wie von Cloud Nothings gehört, ist für viele Hörer der klassische Tritt vors Schienbein.
Cloud Nothings haben sich durch ihre vergangenen Alben, die überwiegend durch einen Lo-Fi Garagensound geprägt waren und u.a. von Produzenten-Größen wie Steve Albini produziert wurden, eine treue Fanschar erspielt. Eine Fanschar, wovon viele wahrscheinlich in den 90er Jahren mit Bands aus dem Nordwesten der USA sozialisiert wurden. Fans, die keine Lust auf glattgebügelte Rockplatten hatten oder denen die End 90’er Midwest Emowelle zu melodiös und weinerlich daherkam.
Dylan Baldi’s Clod Nothings boten mit ihrem verschrobenen Lo-Fi Sound, der oft an frühere SubPop Bands erinnerte und nicht – wie man meinen könnte – aus irgendwelchen Garagen, sondern aus Baldis elterlichem Keller kam, eine gern gesehene Alternative für alle, die mit dem Gitarren-Mainstream nichts am Hut haben wollten.
Umso größer ist bei vielen Fans der alten Alben die Enttäuschung beim ersten Hören der neue Platte LIFE WITHOUT SOUNDS. Nie klangen Cloud Nothings poppiger, nie war die Produktion eines ihrer Alben so glatt. Da ist sie dann wohl, die Weiterentwicklung, die für Baldi die Triebfeder seines Schaffens darstellt. Viele Fans werden dieser Weiterentwicklung nicht folgen. Dies wird den Mannen aus Cleveland/Ohio aber reichlich egal sein. Kann es auch, denn objektiv betrachtet ist LIFE WITHOUT SOUNDS eine tolle, mitreißende Indierock Platte, die nur so vor tollen Indie-Gitarrenhooks strotzt. Man merkt förmlich, dass die Platte nicht so wie sonst üblich in kürzester Zeit entstanden ist, sondern dass Baldi und Band sich diesmal fast ein Jahr Zeit gelassen haben, um sich dann mit Produzent John Goodmanson (Sleater Kinney, Death Cab for Cutie) einzuschließen, welcher der Platte den letzten Schliff verlieh. Dieser Schliff mag zwar glatter sein als bei den Vorgängern, steht der Band aber dermaßen gut, dass sie mit LIFE WITHOUT SOUNDS sicherlich ihr ambitioniertestes Album vorlegen, was nur so vor Referenzen strotzt. Mögen viele Bands momentan auf der Post 90’s Indie Welle reiten, Cloud Nothings überholen sie links. Denn das hier ist so neunziger wie Retro niemals sein wird!
VÖ: 27.Januar 2017, Wichita / [PIAS] Cooperative / Rough Trade, http://www.cloudnothings.com/
Ohr d’Oeuvre: Up To The Surface/ Things Are Right With You/ Modern Act
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: Up To The Surface/ Things Are Right With You/ Internal World/ Darkened Ring/ Enter Entirely/ Modern Act/ Sight Unseen/ Strange Year/ Realize My Fate
(at)