Fotos: Andreas Hornoff
Die Turbostaat Kogge wirft auf dem Weg nach ABALONIA ihren Anker in der Kölner Live Music Hall aus. Mit im Boot und Vorhut des Enterkommandos sind Love A. Eine Kombination, die zwingend auch einen Besuch in der launigsten aller Kölner Live Locations rechtfertigt und mal wieder Lust auf mehr, mehr, mehr davon macht…
Love A
„So früh wart Ihr noch nie draußen, was?“ Damit die traditionelle Freibierparty „Rockgarden“ pünktlich anfangen kann, müssen Love A schon um 19 Uhr auf die Bühne. Sänger Jörkk scheint das eher zu beflügeln und so gleicht der Auftritt des Quartetts mehr einem Schauspiel, denn einem Rockkonzert. Den Unterhaltungswert der zynisch-launigen Ansagen des Sängers kann eh nichts schlagen, dazu untermalt er heute Abend die Songs durch eine so hingebungsvolle Theatralik, dass das Schauspielhaus Köln über die Inszenierung eines Einzelstückes nachdenken sollte – Arbeitstitel: „Der Rächer im Dreiteiler“.
Er kniet, er gestikuliert, leidet und schreit… und trinkt Jägermeister. Einfach wunderbar! Die aufgrund der frühen Uhrzeit noch recht ausgedünnten Publikumsreihen sind schnell auf seiner Seite. Immer wieder faszinierend ist, dass ihm die ganz eigene Schnodderigkeit nicht negativ ausgelegt wird, sondern die Menschen ihn gerade dafür lieben. Wer kann es sich schon leisten die Bühne mit dem Hinweis zu verlassen „kurz noch Getränke zu holen“, oder in die Runde zu fragen, „wieviel man für das Ticket heute Abend bezahlt habe“ und dafür noch ein seelig-debiles Grinsen zu ernten. Dazu spielt sich die Band gewohnt kraftvoll durch das Potpourrie ihrer drei Platten, und jedes Lied wird von den ersten Reihen lauthals gesanglich unterstützt.
Neben Rampensau Jörrk´s Perfomance läuft man Gefahr, die ganze Dynamik von Bassist Dominik und Schlagzeuger Karl, die punktiert Song für Song zum Höhepunkt treiben, zu überhören. Dazu das lakonische Melodiespiel von Gitarrist Stefan, bei dem man sich immer fragt: „Ist das Wave, ist das Punk, egal einfach toll!“ Irgendwie auch toll, wie der halbe Saal beim Pascow-Cover durchdreht und die Abschlusslieder „Trümmer“ und „Windemühlen“ ekstatisch mitsingt und abfeiert. Etwas Sorgen bereitet die Stimme des Frontmanns bei einem noch unbenannten, neuen Song mit leichtem Hardrockeinschlag, bei dem ihm seine Stimmbänder scheinbar aus dem Hals springen wollen. Am Ende bleibt sowohl auf der Bühne als auch im Zuscherraum ein glückliches Augenglänzen zurück, das man noch in Brockdorf sehen kann.
So. Und hier hätte jetzt eigentlich Schluss sein können! Eigentlich!
Turbostaat
Aber was ist noch besser als ein Love A Konzert (neben Pisco Sour)? Genau ein Tourabschlusskonzert von Turbostaat in Köln! Wurde in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit das Gebäude 9 abgerissen, war in diesem Jahr eben mal die Live Music Hall dran. Ziemlich jeder anderen Band (außer Love A, Pascow, Captain Planet, Matula….und meiner Mutter), würde man für die Wahl der Location wohl einen Strick drehen. Nicht so den fünf Flensburgern, die seit Jahren organisch wachsen, was sie mit immer guten Platten und noch symapthischeren Auftritten unterstreichen.
Sie wissen auch wem sie zu danken haben und das vergessen sie nicht, oder wie es Gitarrist Rollo (gewohnt priestermäßig im langen Mantel, Rauschebart und Mütze) ausdrückt: „…wenn wir wieder im Blue Shell, Gebäude 9 oder im letzten Kellerloch spielen, kommt ihr alle und wir drücken Euch mit unseren Stiefeln hinein!“.
Einziger kleiner Wehrmutstropfen und Mitleidsfaktor ist, dass Sänger Jan sichtlich erkältet und angeschlagen ist. Mit einer Nase ähnlich rot wie die von Rudolf dem Rentier hangelt er sich durch die Songs und wirkt an manchen Stellen als würde er gleich umkippen. Das hindert ihn aber trotzdem nicht daran die Meute gewohnt sicher durch die Songs zu dirigieren. Zwischen den Liedern wirkt er dann etwas verloren, schaut hilfesuchend zur Seite, zu Rollo, dem er heute die Ansagen überläßt. Dieser erweist sich als kauziger, aber nicht minder charmanter Gastgeber. Ein wenig merkt man ihm eine Mischung aus Stolz und Befremdung an, wenn er zur Meute spricht, die er meist durch Seitenhiebe auf den kränkelnden Sänger abfedert, wie vor „Surt und Tyrann“: „Jan memmt ja rum, dass er heiser wird, wenn er das singt. Morgen fliegt er nach Asien, kann die Sprache eh nicht, da braucht er seine Stimme sowieso nicht“.
Das Set besteht neben den Klassikern „Haubentaucherwelpen“ oder „Vormann Leiss“ vom gleichnamigen Erfolgsalbum, in großen Teilen aus Songs vom letztjährigen Album ABALONIA. Dabei entpuppen sich gerade die Tracks mit den leiseren Parts wie „Eisenmann“ oder „Wolter“ als heimliche Höhepunkte. Euphorisch feiern die Zuschauer die neue Single „Die Tricks der Verlierer“. So schwer sich Turbostaat Texte ansonsten deuten lassen, ab und zu scheinen die Besucher eine Sehnsucht nach klaren Aussagen zu haben. Ähnliches gilt für „Sohnemann Heinz“, das aus voller Kehle mitgesungen wird.
All das bleibt aber nur Vorspiel. „HUSSSSSSSSSSUM VERDAMMT“ klingt in Köln noch immer eine Spur lauter und entschlossener als anderswo. Das zum Abschluss Jan bei „Harm Rochel“ nicht mehr singen muss, sondern das Publikum komplett den Text übernimmt, überrascht niemanden mehr. Das einzige was nervt, sind die paar Deppen im Pit, die vor jedem lauteren Part meinen einen Kreis sperren zu müssen, um sich über den Haufen zu rennen. Pulheim goes Großstadt! Gut, aber derjenige, der nicht im Glashaus sitzt, soll hier das erste Flens öffnen! Beide, Zuhörer und Band befinden sich längst auf einer gemeinsamen Euphoriewelle. Die Rührung der Band am Ende ist echt. Das sie dann nochmal zu einem zweiten Zugabenblock erscheinen, ist auch ein Dankeschön ans Publikum. „Wir haben vergessen ein paar alte Sachen zu spielen. Erste Platte! Erste Seite! Erstes Lied!“. Es folgt „Drei Ecken, ein Elvers“ und „Monstermutter“. Mit dem obligatorischen Sing Along „Und Ihr kommt mit!“ endet das Konzert. Eine kleine Träne der Rührung im Auge bleibt und die sichere Erkenntnis, das Gebäude 9 muss noch ein wenig warten.