British Sea Power – Let The Dancers Inherit the Party
Es ist etwas Zeit ins Land gezogen seit der letzten Studioveröffentlichung SEA OF BRASS von British Sea Power. Anfang Januar gab die Band mit der Single „Bad Bohemian“ dann aber ein erstes Lebenszeichen von sich und kündigte mit LET THE DANCERS INHERIT THE PARTY ihr nunmehr zehntes Studioalbum für Ende März an.
Das Cover erinnert kryptisch und typolastig noch an das Durchbruchalbum THE DECLINE OF BRITISH SEA POWER. Musikalisch gehen sie aber einen anderen, neuen Weg. Auf LET THE DANCERS INHERIT THE PARTY ist der Albumname nämlich Programm, die Tänzer erben die Party. Das Intro mal ausgenommen sind alle verbleibenden 11 Songs durchweg tanz- oder zumindest „schwofbar“. „Bad Bohemian“ erinnert schon mit den ersten Takten stark an The Cure´s Happy Phase. Die Platte strotz nur so vor positiv aufgeladener Melancholie. „What You´re Doing“ ist so ein Stück, das getragen wird vom stampfenden, fast monotonen Beat und zugleich mit einer unglaublich verträumten Melodien ums Eck kommt. Die sechs Briten bedienen sich gekonnt bei allem was die 80er hergeben, füllen es um, mischen es durch und präsentieren es in ihrer Art auf einer sehr schönen Platte, die auch nicht im Ansatz dem Versuch erliegt alte Muster zu wiederholen nur um des Erfolgs willens. Selbst das – durch seinen halb deutsch gesungenen Refrain – leicht gewöhnungsbedürftige „Keep on Trying (Sechs Freunde)“ perlt so schön vor sich hin, dass einem ganz warm ums Herz wird.
Der Labelwechsel, weg von Rough Trade zu Caroline Records und die große Freiheit, bei der durch Crowdfunding finanzierten Produktion ist auf LET THE DANCERS INHERIT THE PARTY durchweg spür- und hörbar. DIY als Leitmotiv und die damit verbundene Möglichkeit der Weiterentwicklung stehen BSP gut zu Gesicht.
VÖ: 31. März 2017, Caroline Records, http://www.britishseapower.co.uk
Ohr d’Oeuvre: What You´re Doing/ Bad Bohemian/ Want to be free
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Intro/ Bad Bohemian/ International Space Station/ What You’re Doing/ The Voice Of Ivy Lee/ Keep On Trying (Sechs Freunde)/ Electrical Kittens/ Saint Jerome/ Praise For Whatever/ Want To Be Free/ Don’t Let The Sun Get In The Way/ Alone Piano
(gb)
Fotos – Kids
Gegen eingerostete Prozesse hilft manchmal nur die Katharsis oder der totale Neuanfang. Dass dieser fast sechs Jahre dauerte, war im Fall der Fotos sicherlich nicht geplant. Dafür ist es um so erstaunlicher, mit welchem Sound sie sich auf KIDS zurückmelden.
Heute findet man an fast jeder Ecke deutschsprachige Bands wie Von Wegen Lisbeth oder Isolation Berlin, die sich gelöst haben von der eher kopflastigen Popsprache der Hamburger Schule und eine direkte Ansprache des Hörers und der eigene Emotionen, spielerisch mit eingängigen Gitarrenmelodien verbinden. Vor rund 10 Jahren, als die Fotos aus Hamburg starteten, war dies eher eine Seltenheit. Drei Platten nahm man damals auf, mit denen die Band Ende der 00er Jahre zu einer der führenden, deutschsprachigen Indiekapellen mutierte und durchaus nicht den Vergleich mit englischsprachigen Bands der 2005er Klasse scheuen musste. Mit PORZELLAN deutete sich dann schon ein wesentlich experimentellerer, teilweise elektronischer Zugang an, an den KIDS anschließt, aber weit darüber hinaus geht. Dies zeigt sich alleine an den Entstehungszeitpunkten der Songs. Gemäß Sänger Tom Hessler schrieb man das Erste direkt nach PORZELLAN, während das letzte erst zwei Wochen vor KIDS entstand. Verantwortlich für die lange Wartezeit, war der völlig veränderte Songwritingansatz. Die Gitarre wurden beiseite gelegt, stattdessen griff man zu Synthesizern, Samplern und einer Steeldrum, wurde wieder zu Anfängern am Instrument, verlor sich in anderen Projekten, machte nichts mehr und wurde von dem allgegenwärtigen Klez.e Mastermind Tobias Siebert gerettet. Dieser erkannte das Potential in den Soundskizzen und überredete die Band, endlich die vorhanden Demos zu einem Album fertig zu machen. Herausgekommen ist ein vielschichtiges Album, das vom Shoegaze a la Bloody Valentine – „Fluss“ – bis zu rein experimentellen, krautrockigen Songs wie „Ozean“ oder „Niemand “ reicht. Diese leben von ihren Sounds und erinnern in ihrer Collagehaftigkeit ein wenig an die Drone Sounds von All diese Gewalt. Auch die Texte von Hessler sind sehr viel introvertierter und abstrakter gehalten als auf den ersten drei Alben. Keine leichte Kost, die hohe Konzentration und von alten Fans eine hohe Flexibilität erfordert. Glücklicherweise haben sie den konventionellen Songwritingansatz nicht ganz über Bord geworfen, wie das pathosbeladene „Haut“ oder das ravige „Alles offen“ beweisen. Ein Song in dem Fotos die Brücke zu ihren alten Platten herstellen: Texte, die trotz ihrer Wiederholung eine ganz eigene Faszination entfalten und diesen „Sturm und Drang“ auf den Punkt bringen, von dem die Band immer gelebt hat. Dagegen bringt „Sterne zu Staub“ den neuen Ansatz auf den Punkt. Synthiebeats und athmosphärische Soundlandschaften werden durch vereinzelte Melodiebruchstücke und den entrückten Gesang strukturiert. Die Band kreiert darin eine ganz neue, eigene Schönheit. Leider finden sich aber unter den neun Songs einige, die etwas zu banal geworden sind wie der Opener „Melodie des Todes“, der ein wenig an Münchener Freiheit erinnert. Irgendwie neu, irgendwie vertraut – so läßt KIDS den Hörer zurück. Trotzdem überwiegt die Freude, dass die Fotos wieder da sind und KIDS bietet genug Enden nach allen Seiten, die für die Zukunft eingies erhoffen lassen.
VÖ: 31.März.2017, CNTCT/ [PIAS], http://www.fotosmusik.de/index_flash.php
Gesamteindruck: 6,5/10
Ohr d´Ouevres: Alles offen/ Haut/ Sterne zu Staub
Tracklist: Melodie des Todes/ Sterne zu Staub/ Alles offen/ Ozean/ Niemand/ Die Wahrheit/Fluss/ Haut/ Am Ende
(pd)