Patrick Richardt – Soll die Zeit doch vergehen
Mit Patrick Richardt aus Krefeld hat sich das Grand Hotel einen Künstler geangelt, der es auf bemerkenswerte Art und Weise beherrscht, verschiedenste Referenzen von GHVC Bands in seine Musik einfließen zu lassen, ohne sich jedoch eine Sekunde anzubiedern oder gar Gefahr zu laufen, als Abklatsch dieser wahrgenommen zu werden.
Singer/-Songwriter beim GHVC: Texte, in denen es u.a. um das Meer, Häfen und die Sehnsucht geht. Der Mann, der diese Texte singt, muss – wie so viele Künstler beim Grand Hotel – aus der Stadt an der Elbe kommen oder aber inzwischen dort seine Heimat gefunden haben. Weit gefehlt. Patrick Richardt kommt keineswegs aus dem hohen Norden, sondern aus Krefeld am Niederrhein. Was bei der nahezu komplett aus Niederrheinern bestehenden jmc Redaktion für freudiges Japsen sorgt, wird den ein oder anderen Geographie-Verächter etwas ratlos zurücklassen. Woher sollte man im Rest der Republik Krefeld kennen? Die Fußballfreunde erinnern sich mit Sicherheit an das „Wunder von Uerdingen“, den großartigen 7:3 Sieg von Bayer 05 Uerdingen gegen Dynamo Dresden im Pokal der Pokalsieger 1986. Ansonsten fällt einem jedoch nicht viel zur einstigen Samt- und Seidenmetropole ein. Dabei ist Krefeld gar kein so unbeschriebenes Blatt auf der musikalischen Landkarte. Ralf Hütter, Mitbegründer von Kraftwerk, die Power-Metaller von Blind Guardian, die Japanischen Kampfhörspiele und sogar Pete Doherty leben oder lebten in der Stadt am Niederrhein. Patrick Richardt betont dabei sehr gern, dass Krefeld in vielen Bereichen unterschätzt ist. Dass es in der Stadt auf den zweiten Blick, hinter den manchmal trostlosen, dreckigen Fassaden, wunderschöne, grüne Ecken zu entdecken gibt, wo man sich aufgehoben und zuhause fühlt – eine Analogie zu seinem zweiten Album SOLL DIE ZEIT DOCH VERGEHEN.
Man könnte Gefahr laufen, das Album von Patrick Richardt zu unterschätzen. Eine Gefahr, die vielleicht die große Chance des Albums darstellt: Denn sind es nicht meist die Dinge, die auf den zweiten oder dritten Blick ihre Schönheit entfalten, die einen nachhaltig beeindrucken und schlussendlich auch lange begleiten? Beim ersten Hören hat man zunächst den Eindruck, es mit einem weiteren, deutschsprachigen Singer-/Songwriter Album zu tun zu haben, welches sich nicht aufdrängt, aber auch genauso wenig nachhallt. Mit dem zweiten Hören ziehen Songs wie „Rotterdam“ oder auch die erste Single „I.D.E.A.L“ in ihren Bann und lassen einen nicht mehr los. Plötzlich erwischt man sich, wie man die Lieder freudig mitsingt. Dabei ist es bewundernswert, wie Euphorie und Lakonie sich auf dem Album abwechseln. In den euphorischen Momenten erinnert Richardt dabei tatsächlich an Tomte, in den lakonischen an Gisbert zu Knyphausen. Es gibt schlimmere Referenzen, gerade wenn man berücksichtigt, dass der Krefelder nie wie eine Kopie klingt, sondern – gerade auch im Vergleich zum Vorgänger-Album – eine Eigenständigkeit entwickelt, die beeindruckt. Mit SOLL DIE ZEIT DOCH VERGEHEN hat Patrick Richardt ein wunderschönes, zeitloses Stück Musik geschaffen, dass einen – hat man es einmal für sich entdeckt – lange begleiten wird.
VÖ: 3.März 2017, Grand Hotel van Cleef, http://patrickrichardt.de/
Ohr d’Oeuvre:Rotterdam/ I.D.E.A.L./ In leiser Hoffnung/ Wie weit
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: Euphorie/ Rotterdam/ Soll die Zeit doch vergehen/ I.D.E.A.L./ Wüste Sahara/ Hand auf’s Herz/ Sag‘ mir Bescheid/ Tanzen gehen/ König Alkohol/ Zu dir, zu uns, zurück/ Panikherz/ Wie weit/ Alte Dame, weite Welt/ In leiser Hoffnung
Grandaddy – Last Place
Wenn eine Band mehr als 10 Jahre nach ihrem letzten Album eine neue Platte ankündigt und in der Zwischenzeit wenig bis gar nicht zusammengearbeitet hat, kann man dieser bewusst kritisch gegenüberstehen. Geld ist ja, neben dem künstlerischen Anspruch, oftmals die Triebfeder wieder neue Songs aufzunehmen. Die Ergebnisse sind ambivalent. Aus diesem Grund ist eine gewisse Sensibilität bei LAST PLACE geboten.
Die Sorge bezüglich der Qualität der Songs erweist sich auf dem neuen Album als vollends unbegründet. Grandaddy knüpfen nach über einer Dekade nahtlos an, wo sie mit ihrer letzten Veröffentlichung aufhörten – minimalistischer Indierock mit vielen Pop-Elementen. Von Gitarren getragen und mit Keyboards untermalt kreieren die Kalifornier wunderbare Melodien, die perfekt arrangiert sind und mit dem Gesang von Jason Lytle in homogenen Songs münden. Die Setlist des Albums harmoniert. Auf ruhigere Stücke, die einen düsteren Grundtenor haben, folgen schnellere Lieder. Grandaddy entwickeln auf LAST PLACE einen Spannungsbogen, der den Hörer nie außen vorlässt.
Einige Songs geben einen repräsentativen Querschnitt des gelungenen Albums wieder und zeigen seine Vielseitigkeit auf. „Brush with the Wild“ ist ein Indiestück, das mit rockigen Gitarren und einem sehr poppigen Keyboard einen eingängigen Sound entwickelt. Die weiche poppige Seite der Band kommt bei „The Boat ist in the Barn“ zum Vorschein. Dieser Song bannt den Hörer mit einem zuckersüßen Arrangement der verschiedenen Instrumente und dem in den Vordergrund gemischten Gesang. Ein Vergleich zu Tame Impala müssen Grandaddy bei diesem Stück nicht scheuen. Im nachfolgenden Song „Check Injin“ verabschieden sich Grandaddy wieder vom poppigen Songwriting und schlagen die eine Bresche zurück von Indiepop zuück zum Indierock. Der Groove des Songs bleibt im Kopf hängen und weckt das starke Bedürfnis zu Tanzen. Zum Schluss bleibt „This is the part“ in Erinnerung. Diese Ballade verschmilzt Lytle´s Gesang und das Piano zu einer Einheit, während es von Streichern und den anderen Instrumenten untermalt wird lässt es den Zuhörer in andere Sphären entschweben.
Das Album lässt die Lücke von 11 Jahren zwischen der letzten und der vorliegenden Veröffentlichung nicht erahnen. Mit LAST PLACE werden Grandaddy bei alten Fans ein Grinsen ins Gesicht zaubern, aber auch eine neue Zielgruppe erreichen.
VÖ: 03. März 2017, 30th Century Records, http://www.grandaddymusic.com/
Ohr d’Oeuvre: Brush with the Wild / The Boat is in the Barn/ Check Injin/ This Is The Part
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Way We Won´t/ Brush The Wild/ Oh She Deleter ☹/ The Boat ist in the Barn/ Check Injin/ I Don´t Wanna Live Here Anymore/ That´s Waht You Get for Gettin´Outta/ This ist the Part/Jed the 4th/ A Lost Machine/ Songbird Song
(kof)