Das Konfetti ist aus den Haaren, die Nase glitzert noch etwas… Gefunden wurden einige Platten, die noch dringend der Besprechung bedurften….
Pissed Jeans – Why love now
Man stelle sich vor Turbongero und Fucked up würden den ganze Produktions- und Masteringrotz hinter sich lassen, Steve Albini an die Regler lassen und ihren Schweinerock und Post-Hardcore einfach ungefiltert in die Welt schießen. Ein wenig so sind Pissed Jeans, die auf jeden Fall zur neuen Lieblingsband mutieren, von der Deine Freundin nichts wissen darf. Grob, böse und zynisch – Noiserock wie er in den 1990ern von Bands wie Shellac oder The Jesus Lizard zelebriert wurde und bei dem man sich ein wenig fragt, aus welcher Heilanstalt die vier gerade ausgebrochen sind. Egal, ob es um sexuelle Phanatsien im Büro geht oder man sich vorstellt, man sei ein ATM – Automat. Alles ein wenig absurd – nicht zuletzt, wenn man die Videos betrachtet – aber in seiner Kompromißlosigkeit absolut hörbar. Man möchte den Jungs aus Philadelphia nur nicht im Wald begegnen.
Gesamteindruck: 6,5/10
Das schnelle Helle: Cold Whip Cream / I’m a man/ The Bar is low
VÖ: 24.2.2017, Sub Pop / Cargo Records, Pissed Jeans on Sub Pop
Jens Lekman – Life Will See You Now
Gut braungebrannt, Hawaiihemd, wissende Augen, wortkarg und ein leichtes Grinsen – so erscheint Jens Lekman vor dem geistigen Auge nach dem Durchhören von LIFE WILL SEE YOU NOW. Das vierte Album des Schweden verpackt Melodien, die man in den 1980er vielleicht von Paul Simon oder Erasure gewohnt war, in ein poppiges Singer – Songwriter Gewand mit leichtem karibischen Flair. Calypso- und Sambarhythmen, die aufgrund ihres positiven Flairs so gar nicht zu den eher melancholischen Texten passen wollen. Lekmann beschreibt die Platte selber als „Midlife – Crisis Disco Album“. Meist erzählt er traurig-komische Geschichten aus seinem Freundeskreis und sitzt wahrscheinlich selber in seinem Hawaiihemd vor der Fototapete der Golden Gate Bridge und schaut etwas melancholisch drein. Die beste Platte, um mit Waylon Smithers die nächste Limboparty zu starten.
Gesamteindruck: 6,0 / 10
Das frische von der Alm: What’s that perfume that you wear? / Wedding in finistere/ How can I tell him
VÖ: 24.02.2017 – Secretly Canadian, http://lwsyn.com/
Lo Fat Orchestra – Neon Lights
NEON LIGHTS lässt den Hörer am Ende etwas ratlos zurück. Die zweite Nummer ist direkt ein Cover von John Lennons „Imagine“, wofür man schon das Hackebeil ans Schweizer Trio anlegen möchte. Danach besticht die Platte allerdings durch tanzbaren Indierock, der ein Energielevel erreicht, dass man sich um den Energy Drink Konsum der Band ehrliche Sorgen machen muss. Geht ein Song wie „Bankrupt Democracy“ fast in die Sister of Mercy Richtung (wenn auch nicht ganz mit der Gothic Attitüde), erinnern Songs wie „Hands are tied“ oder „Stop diggin the Grave“ an Bands wie The Bravery und an die letzte goldene Phase der Indiedisco Mitte der 00er Jahre. Da ist es schade, dass die Platte nur sieben Songs enthält.
Gesamteindruck: 6,5 / 10
Das Herbe: Stop diggin the Grave / Hands are tied
VÖ: 20.01.2017 – Sounds Of Subterrania (Cargo Records), Lo Fat ORchestra
Real Estate – In Mind
Reife und Ruhe, wissen, worin die eigenen Stärken liegen und sich nur nicht verrückt machen lassen… Was klingt wie der Kreuzfahrtkatalog aus dem örtlichen Reisebüro, trifft auch auf die neue Real Estate Platte IN MIND zu. Etwas mehr als zwei Jahre nach ATLAS, dem bisherigen Schaffenshöhepunkt der Band aus New Jersey, regieren wieder die choruslastigen Gitarren, schüttelt die Band scheinbar mühelos Melodien aus dem Ärmel, für die andere zwei Leben benötigen. Trotz aller Schönheit von Songs wie „Holding Pattern“ oder „Serve the Sky“, zu dem man fast weinen möchten, scheint sich der Ruhepulsgrad der Band nie zu ändern. Eventuell klingt so Cocktailmusik für den anspruchsvollen Indiehörer. Diese ganze coole Gelassenheit erinnert an das Slackertum eines J Mascis, nur reduziert um die Fuzzeffekte. Auch Real Estate haben den Mut zu wunderschönen Gitarrensoli, die zwar aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, aber einfach Tränen der Rührung in die Augen treiben, wenn diese an einigen Stellen des Albums vor lauter Zurückgelehnheit nicht zugefallen sind.
Gesamteindruck: 7,0 / 10
Das Weisse: Holding Patterns / Serve the Sky/ Darling
VÖ: 17.03.2017 – Domino Records
Crystal Fairy – Crystal Fairy
Alternative Supergroup oder Latino Heißblütigkeit trifft auf die Kettensägen aus den unendlichen nordamerikanischen Wäldern. Die Ur-Melvins Buzz Osborne und Dale Crover, zusammen mit At the Drive Ins Omar Rodriguez-Lopes bilden Crystal Fairy. Den Gesang steuert Teri Gender Bender, Frontfrau von At the Drive Ins Tourbegleitern Le Bucherettes bei. Das Ergebnis überrascht dann doch! Ein lupenreines 70er Jahre Hardrockalbum, inklusive Schweinesound, Soli und einer Menge Schweiß. Insgesamt ein relativ geschlossenes Werk, was ohne große Ausschläge nach oben und unten durchläuft. Eingespielt an einem Tag, dürfte es für jeden was sein, der auf einen furztrockenen, treibenden Rocksound steht. Eine eigene Note erhält es aber durch den Gesang, der – mal spanisch, mal englisch- entweder stark an Yeah Yeah Yeah Frontfrau Karen O klingt oder in Spanisch einen kompletten Gegensatz zum trocken Rocksound der Platte bildet, sozusagen den dunklen Abgrund unter der glatten Oberfläche. In Songs wie „Drugs on the bus“ ergeben diese Einzelteile ein perfektes Ganzes, an anderen Stellen aber siegt etwas die Konventionalität.
Gesamteindruck: 7,0 / 10
Das Dunkle: Drugs on the Bus / Crystal Fairy/ Posesion
VÖ: 24.02.2017 – Ipecac Recordings