In diesem Monat erschien mit RAUS das Comebackalbum von Die Regierung. Wobei Comebackalbum, wer weiß das schon bei einer Band, die in Ihrer Schnoddrigkeit, so direkt sein konnte, dass es vielleicht in den 1990er zuviele verschreckt hat. Erst als sie weg waren, wußte man eigentlich, wie wertvoll sie waren… nein sind! Sänger und Texter Tilman Rossmy hat von seinem Schweizer Wohnort aus unsere Fragen beantwortet.
Die Vorgschichte zu RAUS
jmc.: Die Rückkehr von DIE REGIERUNG als aktive Band begann 2015 mit einem exzellenten Auftritt im Grend in Essen. Fühlte sich das eher an wie ein Heimspiel in vertrauter Umgebung oder war es ein Trip ins Unbekannte? Wie ist der Abend seinerzeit ausgeklungen?
TR:Das war für uns alle eine Überraschung, dieser Auftritt, wir kriegen ja normalerweise in Essen kein Bein auf die Erde, aber die Leute sind da ja von überall hergekommen. Ich war schon ein bisschen nervös, als Gitarrist ist mein Selbstvertrauen schon sehr begrenzt, aber irgendwie haben uns die Leute von Anfang an durch die Show getragen und wir haben gemerkt, das ist so ein bisschen wie Schwimmen, wenn man es mal gelernt hat, verlernt man es nicht, selbst wenn man es 22 Jahre nicht mehr gemacht hat. Backstage war dann noch eine ganze Menge los, jede Menge leuchtende Gesichter, auch ein paar Leute von den wenigen Essener Bands, die es gibt, und mit denen wir früher eigentlich nie Kontakt hatten, so Local Heroes, die in Essen viel populärer waren als wir, aber wir waren die Einzigen mit einem Plattenvertrag, also hatten wir alle Grund aufeinander neidisch zu sein und das war schön zusammen darüber zu lachen und auch den Respekt zu spüren, den sie inzwischen für uns haben. „Mitten hinein“ habe ich dann unter dem Eindruck von diesem Abend geschrieben.
jmc.: Welche Rolle hat die Tour und die Reaktionen des Publikums nach all den Jahren – beispielsweise begeistert im ausverkauften Stereo Wonderland – für die Entstehung der neuen Platte gespielt?
TR: Nun, es war ja nicht überall so wie in Köln, in HH waren wir leider nicht so in Topform, in Berlin war der Laden schon sehr obskur, so ein Riesenrestaurant, wo die Leute während der Show gegessen haben, in Leipzig dann ein klassischer 20 Zahlende Gig – aber gut – hinterher waren mindestens 19 von ihnen Backstage. Aber ich denke wir wollten das alles noch mal ein bisschen mehr nach vorne bringen, ich fühl mich da auch immer ein bisschen komisch, wenn wir nur alte Stücke spielen.
jmc.: Wann war klar, dass es eine neue Platte gibt? Hat sich auf das Tour schon raus kristallisiert?
TR: Ich glaube ich hab Robert und Thomas im Bus von Berlin nach Leipzig gefragt, ob sie sich vorstellen könnten noch mal eine Platte zusammen zu machen und da waren sie sofort dabei. Ich hatte zu dem Zeitpunkt 6 Songs, die auch alle auf der Platte gelandet sind und die habe ich ihnen in Leipzig Backstage auch zum ersten mal vorgestellt, da war ich auch ein bisschen nervös, weil ich nicht wirklich wusste, ob meine Art Songs zu schreiben, noch zur Regierung passen würde, aber die Reaktion war direkt so positiv, so dass ich da nicht so viele Zweifel hatte.
jmc.: Sind die neuen Songs speziell für RAUS entstanden oder gab es die schon, bevor klar war, dass DIE REGIERUNG zurückkommt?
TR:Wie gesagt es gab 6, als wir uns entschieden haben, das nochmal anzugehen und die waren nicht wirklich für die Regierung gedacht, aber schon kompatibel. Die restlichen 5 sind dann ziemlich schnell innerhalb eines halben Jahres entstanden, ich hatte in den Jahren davor so einen Schnitt von 2 bis 3 pro Jahr, gab bestimmt auch mal ein Jahr ohne einen einzigen Song, also war das schon ganz schön schnell für meine Verhältnisse. Die Cover Versionen zähle ich mal dazu, weil die fast noch mehr Arbeit machen, man muss die ja irgendwie zu seinen Eigenen machen. Besonders der Klee Song war super schwierig, weil ich mit dem Originaltext nicht wirklich klarkam, aber irgendwie wollte ich den auch nicht loslassen.
Die Platte RAUS
jmc.: Du hast in einem Radiointerview einmal gesagt, Du würdest Deine Songs nicht aufschreiben. („Das zwingt mich, immer gut auf mich aufzupassen.“) Hältst Du das immer noch so, auch bei den Stücken der Regierung?
TR: Wir mussten bei den Proben zum Konzert in Essen und auch für die Tour schon öfter mal die Texte und vor allem die Akkorde zu Hilfe nehmen, die wir ja früher immer auf den Platten abgedruckt haben, also haben wir das jetzt wieder gemacht, weil das ja Regierungstradition ist, aber auch weil mein Gedächtnis schon nachlässt. Aber ich schreibe die Songtexte nach wie vor nie auf Papier oder am Computer, sondern immer an der Gitarre und dann nehme ich irgendwann mal eine Garageband Version auf, normalerweise stumpf mit dem BarBand08 Apple Drum Loop und vor dem Studio schicke ich die dann rum. Also ab dann sind zumindest die Texte einigermassen sicher vor dem Vergessen – ist mir soweit ich weiss auch noch nie passiert, dass ich einen Song vergessen habe bevor er veröffentlicht wurde, obwohl ich schon manchmal von dem grossen vergessenen und dann wiederentdeckten Song geträumt habe.
jmc.: Robert und Thomas leben in Essen, Du in der Schweiz, jeder führt außerhalb der Band noch ein vollständiges Berufsleben. Wie habt ihr Euch organisiert?
TR: Bis jetzt ging das ja alles noch mit dem einen oder anderen verlängerten Wochenende. Für die Tour geht das natürlich nicht mehr, da werden wir 7 Tage proben und dann kommt ja noch Ostern dazwischen, so dass ich da schon 3 Wochen unterwegs bin, aber Ostern auch deshalb, weil meine Frau da mit den Kindern wegfährt und Thomas keine Vorlesungen hat, die Agentur war von dem Zeitraum nicht so begeistert, aber so ist das halt, wir sind ja eine Amateurband.
jmc.: Warum sind keine anderen Mitglieder aus der Hamburger Phase von DIE REGIERUNG auf RAUS mit dabei?
TR: Thomas hatte da einen ziemlich starken Willen, das in reduzierter Besetzung anzugehen. Seine Lieblingsplatte von uns ist die SO ALLEIN und ich glaube so ähnlich wollte er die neue Platte auch haben. Die ersten beiden Tage im Studio haben wir dann auch nur zu dritt aufgenommen, das fühlte sich einfach stimmig an, das wir uns erstmal finden. Ralf ist dann so nach und nach dazugekommen, ich glaube er hat Thomas mit seinen John Cale Piano Riffs gewonnen, die ‘Konjunktiv 2’ total nach vorne gebracht haben. Thiess und Mense hab ich schon über 20 Jahre nicht mehr gesehen, sind auch nicht so ganz einfach zu finden – die beiden – selbst im Internetzeitalter. Wenn man nach Thiess googlet hört alles irgendwie 2007 auf. Ich habe ihn lange vermisst, weil er sich ja auch inhaltlich so eingebracht hat und sich so mit der Regierung identifiziert hat, aber wir sind auch nicht so ganz smooth auseinander gegangen. Ich hoffe auf jeden Fall, das beide mal bei einer Show vorbeikommen, das ist überhaupt eine Hauptmotivation für mich, jetzt wieder mehr Kontakt zu den anderen Bands zu haben, so ein bisschen fühlt sich das bei Staatsakt ja an wie zu den guten L’age d’or Zeiten an, wo wir viel zusammen gemacht haben, getourt oder einfach nur abgehangen.
jmc.: Hat sich die Arbeit an RAUS für Euch eher angefühlt wie eine Fortsetzung oder wie ein Neubeginn? Was ist die größte Veränderung in der Band seit den Neunzigern?
TR: So wohl als auch! Ich glaube da ist noch irgendwas offen bei uns, was wir noch rund machen können, aber wir haben ja auch alle vollkommen unterschiedliche Leben in den letzten 24 Jahren geführt und kommen jetzt auf eine ganz andere Art wieder zusammen als damals. Früher war das total dringend, das musste unbedingt RAUS und ich glaube das hört man auch und das ist wahrscheinlich auch der Grund warum man uns nicht vergessen hat. Heute ist das mehr eine Gelegenheit, eine gelassenere Energie und so seit ihr dann ja inzwischen wahrscheinlich auch drauf, so dass ihr da hoffentlich genau so was mit anfangen könnt wie früher.
jmc.: Die Kritiken zu RAUS fallen auffallend positiv aus. Gibt es so etwas wie Genugtuung über diese Anerkennung angesichts der Außenseiterrolle, die ihr vor der Auflösung eingenommen hattet?
TR: Wir haben ja eigentlich schon immer gute Kritiken gekriegt, das ist überhaupt ein Grund dafür, dass wir 1989 die Band nochmal gestartet haben, weil in der Spex stand, dass die SUPERMÜLL die beste deutsche Platte der 80er war, das hat Robert dazu bewogen Thomas und mich zu überreden das noch mal anzugehen. Aber klar, das war schon spannend zu sehen, ob das auch rüberkommt, was wir selbst bei der Produktion empfunden haben und zum Glück war das von Anfang an so, dass die Reaktionen sehr positiv waren – zum Teil echt euphorisch, vor allem bei der Plattenfirma aber auch bei Leuten von früher, wie Frank Spilker, Carol von Rautenkranz, Jakobus, Myriam und das setzt sich erfreulicherweise in den Medien so fort.
jmc.: Interessieren euch die Verkaufszahlen und ob es – danach gemessen – die erfolgreichste Veröffentlichung werden könnte?
TR: Ist mir fast etwas peinlich das zu sagen, aber ich hab vor zwei Wochen mal entdeckt, dass man bei Amazon ganz gut seine Verkäufe tracken kann, nicht in Stückzahlen, sondern als Position in einer Liste ihrer bestverkauften Alben. Und da guck ich jetzt schon mal hin, weil das auch ganz erfreulich ist , die haben uns da unter deutschen Pop eingeordnet und wir sind bei den Neuerscheinungen immer so zwischen Nummer 30 und 80 – mal vor, mal hinter Purple Schulz. Ich schätze auch, dass unsere Verkaufszahlen von der UNTEN heute eventuell sogar für die Charts reichen würden, alle sagen mit 1000 verkauften Platten pro Woche ist man definitiv in den Top 100 und unsere Fans warten ja nicht lange mit dem Kauf. Ich hab bei L’age d’or nie eine Abrechnung gesehen, weil sie ja schon immer ganz gerne investiert haben, so dass der Break Even nie erreicht wurde, aber ich schätze das wir schon so an die 3000 von der UNTEN verkauft haben, damit wären heutzutage, glaube ich, alle super zufrieden
jmc.: Welche Erwartung habt ihr jetzt an RAUS und an die bevorstehenden Konzerte?
TR:Ich hoffe mal, dass RAUS genauso beständig wie unsere alten Platten sein wird, dass sie nach 20 Jahren immer noch mal wieder aufgelegt wird. Und ich hoffe natürlich, dass wir das live jetzt auch rüberbringen und dass ein paar Leute kommen. Ist schon ein bisschen komisch jetzt, früher wollten alle die Konzerte immer am Wochenende haben, jetzt ist es genau umgekehrt, nur in München spielen wir an einem Freitag, sonst immer in der Woche.
jmc.: Ihr wurdet immer von vielen anderen Künstlern bewundert und als Vorbild genannt. Welche Reaktionen zu Eurer Rückkehr kommen jetzt aus dem Umfeld der Kollegen?
TR:Mal schauen, die Platte ist ja gerade mal gestern rausgekommen und ausser Frank, Jakobus und Tom Liwa, hat die soweit ich weiss noch niemand gehört.
Was kommt jetzt?
jmc.: Welche Pläne hat DIE REGIERUNG nach der Tour?
TR:Ich hatte dem Dietmar Post von play loud damals gesagt, dass wir die Regierung wieder an den Start bringen, wenn Robert und ich in Rente gehen, ist dann ja anders gekommen, soweit zu den Plänen. Aber ich hab schon wieder 5 neue Songs zusammen, wenn das so weitergeht können wir in 2 Jahren wieder was rausbringen, wenn wir uns nicht wieder auflösen…
jmc.: Kurze Anleitung für aufgelöste Bands: Was waren die Erfolgsfaktoren für die Wiederbelebung von DIE REGIERUNG? (Niels Frevert, aufgepasst jetzt!)
TR:Reiner Zufall oder Schicksal oder wie immer du das nennen willst! Aber ich glaube das hatte von uns niemand auf dem Zettel, das ist einfach so passiert, ohne jede Absicht.
jmc.: Der erste deutsche Europapokal-Teilnehmer spielt heute in der vierten Liga. Gibt es noch RWE-Anhänger bei DIE REGIERUNG?
TR:Klar, Robert und ich sind natürlich lebenslang RWE Fans und insofern sowieso Kummer gewöhnt, wobei das bei mir schon durch die Distanz ganz schön nachlässt. In meiner Münchener Zeit, hatte Rot – Weiss ja seine letzte 2. Liga Episode und wenn sie bei 60 und in Augsburg waren, bin ich hin, hat sich ganz schön geändert, diese non – stop singenden und Fahnen schwenkenden Ultras sind schon irgendwie gewöhnungsbedürftig. In Augsburg gab’s im Stadionheft sogar ein Interview mit mir, da bin ich schon stolz drauf. Meine diplomatische Prognose zum Saisonverlauf, beide steigen auf, stimmte ein Jahr später leider nur für die Augsburger.
Vielen Dank!
Die neue Platte RAUS erschien am 24.3.2017 auf Staatsakt. Teilweise wird schon vom Comeback des Jahres gesprochen, was für jeden Liebhaber deutschsprachigen Indiepops auch so gelten sollte. Im April geht die Band bereits auf Tour:
10.04. – DORTMUND, Subrosa
11.04. – KÖLN, Gebäude 9
12.04. – DARMSTADT, Centralstation
13.04. – SCHORNDORF, Manufaktur
18.04. – HAMBURG, Knust
19.04. – BERLIN, Kantine am Berghain
20.04. – LEIPZIG, Werk 2
21.04. – MÜNCHEN, Unter Deck