Fazerdaze – Morningside
Leider ist uns schon wieder – erst viel zu lang nach dem Release – eine musikalische Perle erst jetzt aufgefallen. Neuseeland, hm?! Auckland, schon mal gehört. Fazerdaze, klingelt was? Gab es nicht 2014 diese EP mit den 6 ultraleichten, verträumten Indie-Dream-Pop Songs? „Da gibt es jetzt einen kompletten Longplayer? Muss ich aber unbedingt mal reinhören.“ So oder so ähnlich hätte das schon im April laufen können und auch sollen. Aber es gab so viele Platten zu hören in diesem noch jungen Frühjahr.
Als ich also nochmal so durch die Veröffentlichungen der letzten Wochen stöberte, fiel mir dieser Name zum Glück doch noch auf: Fazerdaze, alias Amelia Murray aus Auckland, Neuseeland. Langsam kehrte auch die Erinnerung an die 2014er EP FAZERDAZE zurück und ich war ziemlich gespannt als ich das Debutalbum MORNINGSIDE das erste mal auflegte. Manchmal trifft es einen ja durchaus unvermittelt. Und das war so ein Fall. Schon beim ersten Stück war ich verliebt. „Last to Sleep“ holt einen mit einem lässig dahin geschrammeltem Riff und verhalltem Gesang ab, wenn man gerade sitzt und sich anschnallen will, werden die Fenster runter gekurbelt, die Sonne kommt hinter den Wolken hervor, der Motor springt an und mit dem einsetzenden Beat geht die Reise einfach mal los. Ziel? Egal! Das folgende „Lucky Girl“ ist der schönste Song, den ich in diesem Jahr hören durfte – das schreibe ich mit einer kleinen Glücksträne im Augenwinkel. „Misread“ bollert dann in bester indierockmanier daher, bevor die Singleauskopplung „Little Uneasy“ mal ganz easy um die Ecke rollt. So geht es weiter. Es gibt nicht einen schwachen Song auf der Platte, doch die stärksten „Take it Slow“, „Shoulders“ und „Friends“ hatte ich bis da noch gar nicht gehört. Meine Güte was hat die junge Dame, da in ihrem Kämmerlein in DIY – Heimarbeit alles eingespielt?! Mag man es nun Dreampop, Shoegaze, Indiepop oder sonst wie nennen, in erster Linie schafft die 24-jährige Neuseeländerin etwas, das nicht so vielen Musikern gelingt: sie bleibt zu 150% authentisch. Genau das macht jeden einzelnen Song auf MORNINGSIDE zu dieser kleinen Perle. Sie kugeln daher, glitzern, funkeln und ziehen dann weiter. Man versucht sie gar nicht erst festzuhalten.
Ihre Wurzeln hat die Platte tief im Indie der 90iger, mit halbverzerrten Gitarren, viel Hall auf dem Gesang und eingängigen Bassläufen. Das Schlagzeug kommt grösstenteils aus der Konserve, was dem Gesamtsound aber gar keinen Abbruch tut. Gespickt und verziert wird hier und da mit Synthie- und anderen Soundsamples. Insgesamt ein fantastisches Debut, das abholt, mitnimmt, zugleich antreibt und wieder entschleunigt. MORNINGSIDE ist ab sofort fester Bestandteil meiner Sommerplaylist.
Live ist Fazerdaze mit und als Band noch am 27. Mai beim Immergut Festival in Neustrelitz oder einen Tag zuvor im Paradiso Amsterdam zu sehen. Wenn der Motor also einmal läuft und die Sonne weiter so schön scheint, könnten das durchaus Reiseziele sein.
VÖ: 5. Mai 2017, Groenland Records, https://fazerdaze.bandcamp.com
Ohr d’Oeuvre: Lucky Girl/ Last To Sleep/ Take It Slow/ Shoulders/ Friends
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Last To Sleep/ Lucky Girl/ Misread/ Little Uneasy/ Jennifer/ Take It Slow/ Shoulders/ Friends/ Half-Figured/ Bedroom Talks
(gb)
Die Negation – Herrschaft der Vernunft
Man macht es sich ja derzeit wirklich ein wenig gemütlich. Kaum ein Monat vergeht ohne eine weitere großartige, deutschsprachige Post-Punk Platte, die ein mehr oder weniger verschnörkelt das eigene Scheitern und das der Gesellschaft analysiert. Die Negation halten sich auf ihrem Debüt HERRSCHAFT DER VERNUNFT nicht mit iregndwelchen Schnörkeln auf, sondern brettern ihren Unmut ohne Umschweife der Welt entgegen.
Die Mitglieder von Die Negation haben schon alle eine straffe Biografie im Punk- und Hardcorebereich hinter sich. Sänger Laur de Maos entstammt Heartbreak Motel, Drummer Christian Bass Heaven Shall Burn, Gitarrist Michael Sasse Beneath the Wheel und Basser Alan Kassab Zero Mentality. Diese Vorgeschichte hört man vom ersten Song HERRSCHAFT DER VERNUNFT an. Punkrock mit deutlichen, rifforientierten Metalcoreeinschläge, ein brachiales, kantiges Geknüppel, was ohne Kompromisse und Pausen bis zum Ende der Platte durchläuft. Beabsichtigt oder nicht, sind Die Negation eine härtere und rohere Alternative zum gerade angesagten deutsprachigen, aber eher indieorientierten Punkrock, der gerade angesagt ist. Zwar ist das nicht Hardcore in seiner Reinform, sondern verdient sich auch ein „Post“ und einen Bindestrich, sind doch die Songstrukturen/ -stimmungen abwechslungsreich und auch einige Melodien finden ihren Weg in das Rifflaufwerk („Das Versteck“), doch sucht man wavige Strukturen oder gar verspielte Indieparts vergebens. Am ehesten fallen einem KMPFSPRT und Fjort aus dem aktuellen Musikzirkus ein.
Warum überhaupt dieses Namedropping oder der verzweifelte Versuch hier wieder eine Einordnung ins aktuelle Geschehen vorzunehmen? Weil die Stoßrichtung durchaus die gleiche ist wie bei den oben genannten Bands. Deutschsprachige Texte, die sich reflektiert und kritisch („Scheusal von Osnabrück“) mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Ein Unwohlsein schwappt aus jedem Song nach oben, wobei Die Negation dabei weniger verklausuliert darüber singen, als dieses durchaus direkt zu benennen wissen und sich dabei auch mal trauen plakative Refrains zu nutzen wie in dem Melodickracher „Digitales Deutschland“. Die Berliner stellen eine zeitgemäße Alternative für alle dar, die es auch mal lieber geknüppelt als gerührt haben wollen und doch nicht auf gut gemachte Texte verzichten wollen.
VÖ: 19. Mai 2017, Cargo Records, https://www.facebook.com/dienegationofficial/
Ohr d’Oeuvre: Das Versteck / Scheusal von Oldenburg/ Schalen des Zorns
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Von Hyänen/ Das Versteck/ Digitales Deutschland/ Knochenmann/ Wer Alle Welt Schätzt, Schätzt Am Ende Keinen/ Scheusal Von Oldenburg/ Das Unsichtbare Gift/ Schalen Des Zorns/ Narbenkind/ Monolith Aus Scheiße
(pd)