Mouth – Vortex
Vorsicht Krautrock! Mit VORTEX hauchen Mouth diesem Genre in der alten Krautrockweltstadt Köln neues Leben ein, auch wenn man den Eindruck hat, dass sich die Band direkt aus den 1970er in die Gegenwart hat beamen lassen.
Mein alter Mitbewohner hatte ein vergilbtes Pink Floyd Poster an der Wand und im Bücherschrank stets eine Menge Fantasieliteratur aus den 1970ern stehen. Stundenlang konnte man mit ihm über ferne utopische Orte und Galaxien philosophieren. Dazu lief Krautrock, ein wenig aus der Zeit gefallen, aber irgendwie auch vertraut und gut. Ähnlich ist es mit dem Zweitwerk VORTEX der Kölner Mouth. Als hätten sich Yes, Can oder King Crimson in einer Zeitkapsel eingeschlossen und wären 2017 wieder aufgewacht. Psychedelischer Progrock, der den Hörer in ein Bad aus endlosen Orgel- und Gitarrensoliteppichen eintauchen lässt, wie im 13 minütigen Opener „Vortex“, der in fünf einzelne Bestandteile aufgeteilt ist und die Reise zum Vortex beschreibt. Denn auch den Hang zum Themenalbum haben die Domstädter aus der guten alten Post-Hippiezeit übernommen. Die Band nimmt den Hörer mit auf die Reise an diesen dystopischen Ort, an dem Herrscher und Heilsbringer ihr Unwesen am Volk treiben. Nach der Ankunft setzen sich die anderen Songs mit dem trostlosen Leben vor Ort auseinander. Skurril, aber irgendwie auch zweitrangig, lebt doch die Platte trotz aller Ausschweifung von ihrer Dynamik, von dem harmonischen Ineinandergreifen der Instrumente, der hohen Musikalität der Band, dem zeitweisen Zusammenstürzen aller Songstrukturen, nur um diese im nächsten Moment in noch sphärischere Höhen steigen zu lassen. Gemäß Band entstanden die Songs in spontanen Studio- und Livesessions, was man der Dynamik deutlich anmerkt, man aber gleichzeitig den Hut vor den Musikern ziehen will, sich nicht im aussagelosen Nichts verloren zu haben und im VORTEX zu enden, sondern immer wieder zueinander zu finden und diese Soundgebilde zu kreieren. Mouth liefern mit VORTEX einen eigenständigen und höchst inspirierenden Beitrag zum derzeitigen Psychedlic Comeback.
VÖ: 30.Juni 2017, Bluenoise Records, https://mouthprog.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: Earade/ Into the light/ Vortex
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Vortex/ March of the Cyclopes/ Earade/ Mountain/ Into the Light/ Sood Aeter/ Epilogue
(pd)
F.S.K. – Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier
F.S.K., Wegbereiter eines musikalisch, avantgardistischen Deutschpostpops in den 80ern, unkonventionelles Künstlerkreativkollektiv und ebenso ein Wurzelzweig des altehrwürdigen L´Age D´OR-Labels wie auch der Hamburger Schule, veröffentlichen dieser Tage mit EIN HAUFEN SCHEISS UND EIN ZERTRÜTMMERTES KLAVIER, ein Exzerpt eines Konzertmittschnitts aus dem Jahr 2015. Dieser beinhaltet zwei Songs, welche die Band im Auftrag des Berliner Haus der Kulturen schrieb.
Zwei Songs! So verwunderlich der Hintergrund dieses Albums und die Songanzahl ist, so sehr schaffen es F.S.K. mit der Struktur der Songs ihre besondere Stellung und Arbeitsweise in der deutschsprachigen Indie-Pop-Szene herausstellen.
EIN HAUFEN SCHEISS UND EIN ZERTRÜMMERTES KLAVIER schafft es auf paradox-angenehme Weise zugleich sperrig und unangepasst sowie melodiös und musikalisch – empathisch zu sein. Dabei verfolgt die Band einen doppelten Ansatz der Dekonstruktion. Einerseits werden die bestehenden Songstrukturen unter zur Hilfenahme bekannter Stilmittel zu einem neuen Ergebnis zusammen gesetzt. Zum anderen werden die vom Hörer erwarteten und intendierten Strukturen eines Albums dekonstruiert. Thomas Meinke und seine Mitstreiter bewegen sich zwar auf einer populären Songwritingbasis, ergänzen diese aber bei den beiden Songs immer wieder mit neuen und anderen stilistischen Elementen, die ihre Wurzeln in Punk, Elektro und Techno haben, um nach allerlei Verdrehungen wieder in der ursprünglichen Melodie zu münden. Im Gegensatz zu großen Improvisationen, Rückkopplungswänden und verzerrten Gitarrenriffs bekannter Post-Indiebands finden F.S.K. bei den Songs immer wieder zu der Grundlage und Basis des Songs zurück. Dadurch erhalten die beiden Stücke einen sehr unprätentiös, angenehmen Rahmen und driften fast ins meditative ab. Die Songs gewinnen durch das eigenwillige Songwriting eine ganz spezielle Eigendynamik, die trotz einer ruhigen Basis immer wieder zum Anhören einlädt. Dieses Element der Wiederholung zeigt die Stärke und den Facettenreichtum von EIN HAUFEN SCHEISS UND EIN ZERTRÜMMERTES KLAVIER auf, bei denen der Hörer in den beiden Songs immer wieder neue Nuancen findet, sofern er dem Werk mit einer gewissen Offenheit begegnet.
VÖ: 23.06.2017, Staatsakt; http://www.buback.de/fsk-bio.php
Ohr d’Oeuvre: Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier (1)/ Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier (2)
Gesamteindruck: 7,0 /10
Tracklist: Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier (1) / Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier (2)
(kof)