Captain, we’re sinking – THE KING OF NO MAN
“Und was kommt jetzt?” schien sich Bobby Barnett, der Sänger von Captain, we’re sinking gefragt zu haben. Sich schön einrichten in seinem neuen Leben als Lehrer oder doch wieder zurückkehren zu seiner eigentlichen Liebe, der Musik . Manchmal ist der Mittelweg das Beste und herausgekommen ist ein hochmelodisches, drittes Album – THE KING OF NO MAN.
Captain, We’re sinking haben sich zwar vor ihrem Plattenvertrag Anfang des Jahrzehnts als schlechteste Band der Welt bezeichnet, werden diesem Ruf auf ihrer dritten Platte aber nicht gerecht. Zum Glück! Mit THE KING OF NO MAN entwickeln sie ihren Sound weiter und legen ein vielschichtiges Punkalbum vor. Beziehungsweise, ist das eigentlich noch Punk? Ja und Nein! Die Wurzeln sind klar zu erkennen und doch öffnet die Platte Interpretationsspielräume in alle Richtungen. Die Platte pendelt zwischen straighten Punksongs, Post-Punk Hymnen mit Grungeeinschlag und lupenreinem 90er Jahre Indie im letzten Drittel. Am besten sind Captain, we’re sinking, wenn sie ihre Ideen, nicht hinter krachigen Gitarren verstecken, sondern den Lärm zugunsten von durchdachten, hymnischen Post–Punk Strukturen opfern oder sich des alten Laut-Leise Grungespiels bedienen wie bei „The Future is cancelled Pt. II“.
Die Platte reflektiert den Werdegang von Sänger Barnett, der mittlerweile ein komplett anderes Leben als Lehrer führt, an seinem Banddasein zweifelte und doch wieder die Gitarre in die Hand nahm, um alleine für sich eine Solo EP einzuspielen. Diese und die Erkenntnis Teil von Captain, we’re sinking sein zu wollen, bildet den Kern von THE KING OF NO MAN und erklärt die ruhigeren, differenzierten Töne der Platte.
Die stärksten Phasen hat die Platte, wenn die Band Bassist Zac Charette und Drummer Bill Orender einen weiten Raum zur Entfaltung gibt. Dies macht die Songs im ersten Moment ruhiger, aber vor allem dynamischer. Wird diese Dynamik mit melodiösen Gitarrenparts ergänzt, entstehen teilweise hymnische Post–Punk Songs wie „Cannonless“ oder „Hunting Trip“. Dann gelingt es der Band ihren Kern zwischen der Euphorie über den Aufbruch in ein neues Bandkapitel und die naturgegebene Niedergeschlagenheit am Besten in Szene zu setzen. Dann macht die Platte einfach Spaß. Dagegen fällt sie in den eher konventionellen Punksongs wie „Don´t show Bill“ ein wenig ab, als hätte hier ein wenig die Inspiration gefehlt. Ein paar Ausflüge wie „Dance of Joy“, die Anleihen im 90er Indirerock nehmen, wo die Stimme versucht Eddie Vedder mäßig Pathos zu erzeugen, das aber irgendwie ohne Ziel und Sinn klingt, hätte man sich gegen Ende sparen können. Doch THE KING OF NO MAN bleibt eine runde Comebackplatte, mit der sich Captain, we’re sinking neue Horizonte eröffnen.
VÖ: 23. Juni 2017, Run for Cover Records, https://captainweresinking.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: Cannonless/ The King of no Man/ Trying year
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Trying year/ Books/ Don’t show bill/ Cannonless/ Smash 2/ The Future is cancelled Pt. II/ Hunting trip/ Water/ Crow (Little Wounds)/ Dance of Joy/ The King of No Man
(pd)
Rozwell Kid – Precious Art
Wenn man ein Herz für kauzigen Indie Punk der 90er hat, dann wird einem dieses beim Hören der neuen Rozwell Kid Platte aufgehen oder sogar um die Ohren fliegen. Wobei kauzig nicht ganz richtig ist. Die Texte sind sicherlich an vielen Stellen kauzig, die Songs sind jedoch so unfassbar catchy, dass man an der ein oder anderen Stelle nicht sicher ist, ob weniger nicht mehr gewesen wäre.
Aber der Reihe nach. Wir schreiben das Jahr 1994 und ein paar hornbebrillte Nerds – ja, hier stimmt das Klischee – bringen ein Album raus, das zunächst mal nur durch sein knallblaues Cover auffällt. Die Musikwelt – und zwar quer durch die sprichwörtliche Bank – wird erst auf die Band aufmerksam, als ihr Song „My Name is Jonas“ beim Musiksender MTV auf Dauerrotation läuft. Obwohl die Band als Gegenentwurf zu den eher melancholisch, traurigen Grunge Bands dieser Zeit zählt und ganz schnell in aller Munde ist, ist ihr blaues Album kommerziell gar nicht so erfolgreich, wie man retrospektiv meinen könnte. Erst im Laufe der Jahre entwickelt sich das Album zum absoluten Referenzwerk, was den oben beschriebenen, kauzigen Indie Punk angeht. Weezer selbst scheitern (abgesehen von Pinkerton) daran, an die Kauzigkeit und Unbeschwertheit des blauen Albums heranzukommen, und andere Bands kommen maximal in Sichtweite.
Vielleicht ja genau bis zum Sommer 2017, 23 Jahre nach Erscheinen des blauen Albums, denn da machen sich Rozwell Kid auf den Weg, den längst vergessenen Indie Punk der glorreichen 90er mit einer Catchyness wiederzubeleben, die an der ein oder anderen Stelle so drüber ist, dass es eine reine Freude ist. Da wird ganz tief in die „Oh, Uh und Shalala“-Trickkiste gegriffen und an Stellen, an denen man denkt: “Die sind nicht so berechnend, jetzt mit einem Singalong um die Ecke zu kommen“, setzen sie noch einen drauf und kommen mit Singalong und zuckersüßem Orgeleinsatz um die Ecke. Derjenige, dessen Musiksozialisation in den 90ern stattgefunden hat, wird aus dem Jauchzen nicht mehr rauskommen, so viele Referenzbands fallen einem ein. In den nerdigen Momenten Pavement, in den fuzzigen Dinosaur JR., in den poppunkigen Everclear und sowieso die ganze Zeit die bereits ausführlich erwähnten Weezer. Das macht beim ersten Hören einen Höllenspaß und beim zweiten Hören einen Höllenspaß und beim dritten Hören einen Höllenspaß… Aber genau dann beginnt ein wenig das kleine Problem der Platte: Die Catchyness erschlägt einen geradezu. Es ist zu befürchten, dass bei allem Spaß, die PRECIOUS ART zunächst bringt, die Halbwertszeit nicht wirklich lang ist. Aber im Grunde ist das meckern auf hohem Niveau, denn bis auf das eingangs erwähnte blaue Album von Weezer, gibt es in diesem Genre kaum Platten, die einen über Jahre begleitet haben. Insofern gilt es, die ersten Hördurchgänge zu genießen, das Album vielleicht mal einige Zeit beiseite zu legen, um sich dann erneut an diesen unfassbar, zuckersüßen Melodien der Rozwell Kids zu erfreuen.
VÖ: 23. Juni 2017, Sideonedummy, http://rozwellkid.com/
Ohr d’Oeuvre: Total Mess/ UHF On DVD/ Michael Keaton
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Wendy’s Trash Can/ Total Mess/ Boomerang/ Futon/ MadTV/ South By 00:57/ UHF On DVD 03:02/ Booger/ Wish Man/ Blow It/ Gameball/ Michael Keaton
(at)