Während sich der Großteil der jmc Therapiegruppe entweder auf sommerliche Butterfahrt begeben hat bzw. sich im Grammatiknachhilfeseminar in Griechenland rumlümmelt, konnte Kollege Till gar nicht anders als 24/7 die neue Platte der gewöhnlichen Gentleman IT’S OKAY TO LOVE DLDGG rauf und runter zu hören. Als dann noch das Angebot kam, Mastermind, Stilikone und Einmann – Opposition Carsten Friedrichs einige Fragen online zu schicken, war es um den Sommerurlaub geschehen. Aber lest selbst:
jmc.: Täuscht der Eindruck, oder ist IT’S OK TO LOVE DLDGG insgesamt üppiger und reichhaltiger gestaltet als die Vorgängeralben? Hier mehr Streicher, da mehr Chöre, mehr Soli und diverse Sounds neben Melodie und Rhythmus sind im Angebot. Täuscht der Eindruck? Ist das künstlerische Absicht? Ist das der Einfluss des Studios, auf das Ihr in Bremen gestoßen seid, mit dem gut abgehangenen Instrumentarium?
CF: Wir haben ja schon immer gerne Streicher, Flöten, Blechbläser etc. bei unseren Songs gehabt, macht ja sonst niemand. Also vollste Absicht. Und in dem Bremer Studio stand so viel toller Kram rum, da konnten wir gar nicht anders als das zu benutzen: mannshohe Leslie-Verstärker, Pauken, Vibraphone, sowas halt.
jmc.: Stücke wie „It´s OK to love DLDGG“ oder „So primitiv“ sind nicht gerade das, was man kleinlaut nennt. Nur für sich genommen und negativ ausgelegt, sind die Texte überheblich und selbstverliebt, auch wenn sie natürlich – das sei mal deutlich klar gestellt – im DLDGG-Kontext gelungene und über jeden Zweifel erhabene Statements sind. Wo/Wie legt Ihr die Grenze zwischen sympathischem Größenwahn und arrogantem Starrsinn fest? Was läuft noch unter „mal auf die Kacke hauen“ und ab wann wird es peinlich?
CF: Ehrlich gesagt haben wir uns darüber gar keine Gedanken gemacht. Selbst wenn was arrogant rüber kommen würde, solange die Musik schockt, passt das schon.
jmc.: Der Song „Eine Tragödie kommt niemals allein“ stellt der Trauer um David Bowie die Klage über den Verlust der eigenen schlanken Linie zur Seite. „Popstar ist tot und das T-Shirt zu klein“ –Welche Reaktionen erwartet Ihr von eingefleischten Bowie-Fans?
CF: Idealerweise zahlreiche Plattenkäufe. Also unsere Platte natürlich. Von Bowie dürften die ja schon alles haben. Der Song handelt allerdings weniger von Bowie als von mir, vom älter werden. Ein melancholisches Lied.
jmc.: Mit „Der große Kölner Pfandflaschenbetrug“ findet die beliebte Reihe von Liedern über Kriminalität und Straftaten aus der Feder von Carsten Friedrichs eine Fortsetzung. Vorherige Themen waren Waffendiebstahl, erpresserischer Menschenraub, Gefängnisaufenthalt, Beschädigung öffentlichen Eigentums und Zechprellerei. Woher rührt diese offensichtliche Faszination für das Verbrechen, meist in skuriler Ausprägung?
CF: Tatsächlich schon so viele Songs über Kriminalität? Da hätte ich bald das StGB durch. Fehlt eigentlich nur noch ein knackiger Song über einen zünftigen Meineid oder einer über die Entziehung elektrischer Energie. Die Faszination rührt vermutlich daher, dass ich gerne Krimis lese und so verbinde ich zwei Leidenschaften von mir: Krimis und Popmusik.
jmc.: „Jungs kommt, wir geben jetzt auf.“ (aus „Ballade von der Band“). Das ist doch hoffentlich nur der Liebe für diesen großartigen Popsong der britischen 80er-Indie-Popband „Felt“ geschuldet und steht in keinem Zusammenhang mit euren Zukunftsplänen, oder?
CF: Keinerlei Zusammenhang, zum Glück. Der Song ist tatsächlich eine Coverversion des Felt-Klassikers. Ich war und bin großer Felt-Fan, bzw. eigentlich von allem, was Lawrence macht, Denim, Go-Kart Mozart etc. Ich war im Januar mit Gunther in London und da haben wir mehr oder weniger zufällig Lawrence getroffen. Ein Supertyp! Und dann kamen wir auf die Idee mit der Coverversion. Lawrence hat übrigens mit Ian Button von The Night Mail ein neues Album aufgenommen, bin ich schon sehr gespannt drauf.
jmc.: Die Bandfindung erfolgte ja nach dem Prinzip „Wer dabei ist, ist dabei.“ Zwischendurch hat sich zum Beispiel Bernd Begemann ein paar Mal als Interims-Gentlemen auf Eurer Bühne blicken lassen. Seid Ihr als Band jetzt inzwischen eine verschworene Gemeinschaft geworden? Welche Verstärkung würdet Ihr Euch noch dazu wünschen, wenn Zeit, Geld und (ggf. Lebendigkeit) keine Rolle spielten.
CF: Die Liga sind schon wir fünf. Bernd ist mal für Philip an der Gitarre eingesprungen. Der hatte nämlich auf einem Kindergeburtstag Fußball gespielt und wurde vom einem 5-Jährigen brutal gefoult, so dass alle Bänder durch waren. Und wir hatten ein paar schöne Auftritte, welche wir nicht absagen wollten. Da haben wir dann unseren Freund Bernd gefragt, ob er mitmachen möchte. Hat er gerne gemacht. Nur proben wollte er nicht. Zitat: „Mit Verlaub, eure Songs brauche ich nun wirklich nicht proben.“ Waren dann interessante Auftritte. Wenn Freunde oder Freundinnen von uns Zeit haben und auf Platte oder Live mitspielen möchten, freuen wir uns immer. Zum Beispiel spielt Gunthers Bruder ab und an mal Posaune bei unseren Konzerten.
jmc.: Die Brauselobpreisung „Eine Cola soll es sein“, Euer Beitrag zum Kindersampler „Unter meinem Bett 2“ (jmc-Wertung 7,75 von 10), ist außerdem auch als B-Seite auf einer Tocotronic-Coversingle gelandet. Spricht Eure Musik gezielt das Kind im Mann/ in der Frau an? Ist das ein Merkmal, dass zahlreiche Lieder in allen Alterklassen funktionieren?
CF: Ja, stimmt schon, Kinder mögen unsere Musik, auch ältere Leute, nur bei den 14-20 Jährigen sind wir ein bisschen schwach auf der Brust. Aber die bekommen wir auch noch. Jonathan Richman meinte mal, dass ein guter Song im Kindergarten und im Altersheim gleichermaßen funktionieren muss, sonst ist es halt kein guter Song. Da ist was dran.
jmc.: Wäre das nicht auch etwas für Tapete, ein Kindersampler mit Labelkünstlern?
CF: Wir können den Anderen doch nicht die Idee klauen!
jmc.: Gräbt man ein wenig auf youtube nach alten Carsten Friedrichs Aufnahmen landet man bei charmanten Videos und Auftritten aus der Prä-Superpunk-Ära von „Die Fünf Freunde“. Schöpfend aus dem seitdem gesammelten Erfahrungsschatz im Musikmetier, welche Empfehlung oder Erwartung habt Ihr an die jungen Leute, die heute in ihren ersten Bands Musik machen?
CF: Einfach machen.
jmc.: Wenn die Musik von DLDGG eine Stilrichtung (im nicht nur musikalischen Sinne) ist, dann ist das natürlich Mod. Und als der Godfather of Mod wird gemeinhin Paul Weller anerkannt. Könnt ihr Euch dem anschließen? Was sind Eure Favoriten aus seinem Schaffen?
CF: Ich bin bei Paul Weller irgendwann ausgestiegen. Ich habe den zweimal Live gesehen, das war mir ein bisschen zu viel Erwachsenen-Rock. Aber klar, The Jam und Style Council sind schon große Klasse, da gibt’s keine zwei Meinungen. Aber wenn schon „Mod“-Ikonen: Mich haben immer die TVPs oder The Times mehr inspiriert als die Weller-Bands.
jmc.:Und dann noch Fußball. Gehen wir mal nicht auf die Performance der letzten Jahre eines bestimmten Traditionsvereins mit symmetrischem Vereinsemblem ein, sondern bleiben eng am Thema: Wer sind die größten Mods im Fußball-Business?
CF: Tja, gute Frage. Da fällt mir eigentlich nur George Best ein. Oder der Buffon, der ist schon sehr smart. Ansonsten sind die Fußballprofis ja eher Geschmacks-Satanisten.
jmc.: Auf welches Fußballspiel freut ihr Euch in der kommenden Saison am meisten?
CF: Ich freu mich erstmal auf das Freundschaftsspiel AFC – West Ham am 1.8.. Echte Engländer an der AJK. Wie cool ist das? Ausserdem geht es bei Freundschaftsspielen um nichts, das entspannt mich.
jmc.: Vielen, vielen Dank!