Myelin – Reservoirs EP
Als Dan Bond sich 2014 aus familiären Gründen von Apologies, I Have None zurück zog, wehte ein trauriges Lüftchen durch die Redaktionshallen. Doch Josh McKenzie und der Rest der Truppe kompensierten den Verlust auf Ihre Art und fanden einen neuen düsteren und brachialen Sound für die Band. Das ein Talent wie Dan Bond aber nicht lange ohne ein Dasein auf der Bühne konnte, beweist er nun beeindruckend mit seiner neuen Band Myelin.
Mit Bob Barrett (Great Cynics, JB Conspiracy) Greg O’Grady (ex – British Teeth) und Oliver Ward (ex – It’s not Ok) hat Dan Bond neue Musiker um sich versammelt. Unter dem Bandnamen Myelin haben die Vier nun eine erste EP aufgenommen, die via Uncle M am 4. August veröffentlicht wird. Schon die erste Single, samt zugehörigem Video lässt unsere Herzen schneller pumpen. Myelin nehmen den Faden auf, den Apologies, I Have None nach Dans Weggang ausgelegt haben. Aus einer guten Band sind so zwei – vielleicht – noch bessere geworden und das traurige Lüftchen hat sich in ein hoffnungs- und erwartungsvolles gewandelt. Musikalisch und thematisch bleiben sie Loud>Quiet>Sad. Jeder Song auf RESERVOIRS besitzt diese spezielle melancholisch, intime Anziehungskraft, bevor er ausbricht und sich austobt, ohne dabei die melodischen Gitarrenriffs komplett aufzulösen. Sie bleiben flächig und so wird Dans Gesang durch die Tracks getragen. Etwas wehmütig vermisst man dann doch noch den mehrstimmigen Gesang und die griffigen Hooklines aus alten Zeiten, aber das ist zu verschmerzen, vor allem bei dem Potential, welches diese erste EP offen legt. Bleibt zu hoffen, das ein Album nicht mehr lange auf sich warten lässt und auch einer Tour nichts im Wege steht. Wir wären da.
VÖ: 4. August 2017, Uncle M, https://www.facebook.com/myelinLDN/
Ohr d’Oeuvre: Horror/Die
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: Die/15/ Gaps/ Horror/ The Cave
(gb)
Max Richard Leßmann – Liebe in Zeiten der Follower
Das Max Richard Leßmann eine gewisse Ähnlichkeit mit Ulrich Tukur hatte, fiel uns schon öfter auf. Das er wunderbare Texte schreiben kann, war eh klar. Das er richtig swingen kann, wussten wir noch nicht. LIEBE IN ZEITEN DER FOLLOWER ist ein spannendes Experiment geworden, das ihn von einer ganzen anderen Seite ausleuchtet.
Bereits mit seiner Stammband Vierkanttrettlager bewegte sich Sänger Max Richard Leßmann abseits der ausgetretenen Indirockpfade. So wurden die Songs der Norddeutschen mit Akkordeon, Klavier und dem ein- oder anderen Shantychor aufgelockert. Dazu brachte er immer seine ganz eigenen, düster-romantischen mit leichter Zynik versehenen Texte ein, die irgendwo zum Mitsingen und zum Nachdenken verleiteten. Allerdings vergaß er dabei nie die Eingängigkeit, den Catchyrefrain, den man im Zweifelsfall mitsingen kann. Auf LIEBE IN ZEITEN DER FOLLOWER, spinnt er dies gekonnt weiter. Er präsentiert sich als Liebhaber, mal verstoßen, mal abgeholt, mal mitten drin in der Romanze, mal sehnsuchtsvoll zurückblickend. Musikalisch eingerollt ist dies in eine Mischung aus Chanson, Schlager, Swing und ja ab und zu immer noch dem guten alten Gitarrenrock. Das Gemisch geht schwanger mit Max Raabe, Tucholsky, Element of Crime und Ina Müller. Hört sich erwachsener an als es und ist viel weniger aus der Zeit gefallen als es im ersten Moment scheint. Denn dazu verfügt Leßmann über zu viel Sprachwitz („Lippenstift“), Selbstironie und eine wache Beobachtungsgabe, aus der heraus er immer wieder geschickt Zeitgeistkritik an der Onlineselbstbestätigungskultur in seine Betrachtungen strickt („Ich wünschte“, „Mann im Stream“). Dadurch versprühen selbst vermeintlich oberflächliche Trinklieder wie „Einen im Tee“ oder „Sie trinkt“ einen unkomplizierten und unpeinlichen Charme. Dazu gesellt sich andererseits dieses völlige Fehlen von Ironie bezogen auf die romantischen Seiten seiner Songs, wie in dem melancholischen Finisher „Am Hafen“. So ist LIEBE IN ZEITN DER FOLLOWER ein spannendes Experiment und zeigt Leßmann von einer ganz neuen Seite, dem charismatischen Lebemann, der mal scheitert, mal triumphiert und sich mit Rückschlägen nie zulange aufhält. Man kann sich dieser Person nur schwer verschließen, sollte sie stattdessen in die Arme schließen, am besten mit Blume im Knopfloch .
VÖ: 21.Juli 2017, Caroline International, https://www.facebook.com/MaxRichardLessmann/
Ohr d’Oeuvre: Lavendelfeld / Einen im Tee/ Lippenstift
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Spuren auf dem Mond/ Ich wünschte/ Keine Langweile/ Sie trinkt/ Mann im Stream/ Ein Lied aus Dir/ Einen im Tee/ Lippenstift/ Küssen/ Die Welt hinter den Worten/ Lavendelfeld/ Am Hafen
(pd)