Ein Donnerstag voller Understatments bzw. gibt es in dieser Stadt mal wieder wunderbare Musik geboten, an einem mit dem Acephale viel zu kleinen und doch stimmigen Ort für eben solche.
Die Kneipe am Südbahnhof ist gut gefüllt mit buntestem Volk, was scheinbar gerade erst den „Breakfast Club“ verlasssen hat. So stimmt die Garderobe des Publikums mit dem 80er inspirierten Sound von Coals überein. Die Stimmung pendelt zwischen gespannten Interesse und anfangs einer gewissen Indifferenz gegenüber dem Geschehen auf der Bühne. Den Anfang machen Tired Eyes Kingdom, ein Quartett aus dem Ruhrgebiet mit allerlei Elektronik auf der Bühne. Dabei fächert das gemischte Herren / Damen – Doppel an der Oberfläche gefällige Soundlandschaften auf, die konterkariert werden von den unterschwelligen Beats, die live an Sampler und Beatmaschine gezaubert werden. Regiert an der Oberfläche die Ruhe und Harmonie, brodelt es am Grund, was mit der Zeit einen spannenden Mix ergibt. Dabei schweifen die Songs aus ohne sich zu verlieren, schaffen es die Vier immer wieder zum Punkt oder zu einem melodischen Refrain zurück zu finden. Leider gibt es ein paar Soundprobleme, beziehungsweise kann man sich nicht sicher sein, ob die leicht übersteuerten Synthieeinschläge nicht auch gewollt waren. Auf jeden Fall experimentell und eine Band, die man Blickfeld behalten sollte.
Einen Schritt weiter als die müden Augen sind Coals, die Hauptband aus Polen an diesem Abend. Unterstützt werden Sängerin Katarzyna Kowalczyk und Łukasz Rozmysłowski durch eine Gitarristen, der dem Elektrosound einen zusätzlichen analogen Touch gibt und optisch das 80er Outfit etwas aufbricht. Sowieso überrascht es durch das Set hinweg, dass im Grunde gesehen jedes Lied mit Gitarre oder Bass begleitet wird. So spielt Rozmysłowski verschiedenste Instrumente, was den teilweise kühlen, künstlich klingenden Songs eine warmen Rahmen gibt. Weiter sind Coals, weil sie es schaffen die Soundlandschaften unter Kowalczyks Stimme in geschlossene Songs zu überführen, die auf ihre Art und Weise einnehmend sind. Der Auftritt beginnt mit einem Soungewitter, was die Richtung für den Abend vorgibt, denn ruhig wird es nie während des knapp einstündigen Sets. Stimmsamples, Fieldrecordings und Frequenzrauschen wechseln sich, während der Pausen zwischen den Songs, ab. Ohne große Ansprachen, lassen die drei das Set laufen, lassen die Songs, die vornehmlich vom gerade erschienen Album TAMAGOTCHI stammen, für sich sprechen bzw. durch die verschiedenen Färbungen, die Kowalczyks Stimme den einzelnen Songs gibt. Manchmal rappt Sie über die Hip Hops Beats mit heiserer Stimme, die in Zeitlupe durch den Raum wabern und gibt den Songs etwas urbanes, bedrohliches. Einige Songs wie „90’s Babies“ oder „East Streets“ singt sie dagegen mit klar, nüchterner Stimme und verleiht ihnen einen stoischen Pathos, wie man ihn vielleicht kennt, wenn man desillusioniert und ernüchtert auf die letzte Partynacht zurück blickt. Dazu zeigt sich, dass ein kleiner Ort wie das Acephale, wo zwischen Theke und Bühne vielleicht 30 bis 40 Menschen Platz haben, der ideale Ort für den athmosphärischen Sound der Band ist, wirkt sich dies doch mit zunehmender Konzertdauer merklich auf das Publikum aus. Ist dieses anfangs interessiert, leicht distanziert, ändert sich dies zusehends. Die Reaktion werden freundlicher, werden lauter, bis die Band am Ende des Sets teils euphorisch gefeiert wird. Ein guter Abend mit einer Band, die ein wenig in ihrer eigenen Sphäre schwebt, es aber versteht den Zuhörer mit in diese zu nehmen.