Iron Chic – You can´t Stay Here
Es ist gar so nicht einfach eine Einleitung zu schreiben mit dem Wissen um den thematischen Hintergrund des Albums. Das Quintett aus Long Island hat seine dritte Platte ganz der Bewältigung des plötzlichen und tragischen Todes ihres ehemaligen Gitarristen Rob McAllister gewidmet. Und das mit Inbrunst, Wut und viel, viel Schmerz.
Für die Aufnahmen haben sich die Fünf ins Haus von Gitarrist Phil Douglas zurückgezogen und YOU CAN´T STAY HERE komplett in Eigenregie eingespielt und produziert. Dieses intime Setting scheint die gesamte Trauer, Wut und Hoffnungslosigkeit der Band in eine dunkle Grundstimmung gebündelt zu haben, die sich durch die gesamte Platte zieht. Inhaltlich waren Iron Chic immer im Spannungsfeld von Frust, Depression, Drogen und Verzweiflung unterwegs, aber das hymnische und trotzige hat diesen Bogen immer schnell kanalisiert und in ein oder mehrere Mitgröl Parts überführt, Gänsehaut und Wir – Gefühl inklusive. Diesem Prinzip bleiben die Jungs auch auf ihrer dritten LP treu, nur das einem beim mitgrölen öfter mal der Klos im Hals stecken bleibt und auch die „Whoooaaas“ sind weniger geworden.
Iron Chic bleiben am Ende sie selbst, gehen die Dinge auf ihre Art und Weise an, weichen nicht aus, sondern rammen sich selber und ihren Zuhörern die Realität gnadenlos ins Ohr. Auch musikalisch ändern sie nicht viel, sie verdichten nur. Lubranos kratziger Gesang, ummantelt von Douglas Fuzzgitarren und angetrieben vom Rest der Band machen YOU CAN´T STAY HERE aufgrund der Umstände, zu genau der Platte, die sie machen konnten und wohl auch mussten, um als Band gesund zu bleiben. Und genau das haben sie geschafft. Die Platte klingt reinigend, wütend und am Ende fast versöhnlich zwischen den Zeilen.
You know that I know – There’s really something wrong
When your heart stops beating – But it’s been so long and I
I just keep on forgetting
VÖ: 13. Oktober 2017, SideOneDummy, www.ironchic.net
Ohr d’Oeuvre: To Shreds, You Say?/ A Headache With/ Planes, Chest Pains, and Automobiles
Gesamteindruck: 8,0/10
Tracklist: A Headache With/ My Best Friend (Is A Nihilist)/ You Can’t Stay Safe/ Let’s. Get. Dangerous./ Thunderbolts!/ Planes, Chest Pains, and Automobiles/ Golgotha/ Profane Geometry/ Invisible Ink/ Ruinous Calamity/ To Shreds, You Say?
(gb)
Die!Die!Die! – Charm.Offensive
Auf Ihrem sechsten Album CHARM.OFFENSIVE ziehen die Neuseeländer von Die!Die!Die! zwei Dekaden Indiemusikgeschichte durch ihre Post-Hardcore Mühle. Dabei erklimmen sie mit Hilfe eines Manchester – Noisegebräus hymnische Höhen , lassen den 2000er „The“ – Band Hype wieder aufleben, um im Flimmern der Stereowellen sanft zu stranden.
Das Album beginnt auf eine verquere Art melodisch. Das Trio mixt melodischen Manchester Rave mit gebreaktem Noiserock a la Amphetamine Reptile, als würden sich Mclusky einmal durch den Backkatalog der Stone Roses und Charlatans prügeln. So bestechen „Bottlecapes and Phones (I can’t see you)“ und „Window in my Pocket“ durch ihre zeitlosen Refrains, die zwei Takte später vom Bassbreak rüde ausgebremst werden. Und dies ist nur der Auftakt durch einen musikalischen Mash Up, der Indieeinflüsse aus den letzten zwei Jahrzehnten vereint. Irgendwann gerät Manchester aus dem Blickfeld und Die!Die!Die! nehmen den Flieger über den Atlantik, um im New York zu Beginn der 2000er Halt zu machen. Sie vermischen geschickt den NY – Garagensound, der Anfang des letzten Jahrzehnts mit Bands wie den The Yeah Yeah Yeahs und ähnlichen „The“ – Bands salonfähig wurde, mit flächigen Melodieteppichen, die man vielleicht am ehesten dem Shoegaze zuordnen kann, zu einem Sound, der in den beiden wunderschönen Nummern „For Melody“ und „Sinister“ seinen Höhepunkt findet. Der Hang zur Sperrigkeit, zu nonkonformen Songstrukturen durchzieht die ganze Platte, als wollten sie damit Band Mclusky und ihrer eigenen DIY – Mentalität ein persönliches Denkmal setzen. Sie tauchen ab in wunderschöne Melodien, um diese im nächsten Moment mit Breaks, übereinpurzelnden Basslinien und dahinfliegenden Gitarrenteppichen zu sezieren und neu zusammen zu setzen, ohne dabei den Song aus dem Blick zu verlieren.
Im letzten Drittel verlieren sie dann ein wenig den Blick für das Songgesamtkonstrukt und lassen sich von ihrer Freude am Experiment leiten. Jegliche Struktur verschwindet hinter einer Sperrigkeit wie in „Demon and the Street“, wo doomige Synthiemelodie auf hallenden Sprechgesang treffen, wie eine depressive Version der Sleaford Mods. Insgesamt jedoch besticht CHARM.OFFENSIVE durch seinen experimentierfreudigen Charme.
VÖ: 06. Oktober, Sounds of Subterrania
Ohr d’Oeuvre: Sinister / Window in my Pocket/ For Melody
Gesamteindruck: 7,0 /10
Tracklist: How soon ist to soon (it’s not Vintage it’s Used)/ Glacial Place/ Bottlecapes and Phones (I can’t see you)/ Window in my Pocket/ My Friend has a car he starts with a hammer (What has been seen can’t be unseen)/ Still echoes/ Sinister/ For Melody/ Demon and the Street/ Caterpillar/ Bite my lip/ Only thing I want
(pd)
Medialinks zu Iron Chic
Medialinks zu Die!Die!Die!