Mit kurzer Verspätung beginnt eine 4-köpfige Band, verstärkt um Curtis Harding ihr ausverkauftes Konzert im Club Bahnhof Ehrenfeld. Nein, ganz so war es natürlich nicht. Aber der Abend wirft einige Fragen auf.
Tatsächlich beginnt der Abend etwas später als geplant. Das Publikum, im bis in die letzte Reihe gefüllten Bogen des Club Bahnhofs Ehrenfeld, wird schon etwas ungeduldig, bei den minutenlangen Abstimmungen zwischen Band und Ton. Ob das jetzt zur Show gehört, ob es einen technischen Defekt gab, oder ob das jetzt der Soundcheck war, man weiß es nicht. Gelohnt hat sich das Warten aus technischer Sicht sicherlich nicht. Der Tonmix passt den ganzen Abend weder zum eklektischen Retrosound der zweiten Platte, noch zur rumpeligen Garagenrock-Ästhetik des Debüts. Das Schlagzeug ist extrem laut gemischt. Wahrscheinlich hat der Tonmann in der Vergangenheit hauptsächlich Metalbands oder Hip Hop Acts betreut.
Jedenfalls besteht das 17 Songs umfassende Set, des mit Lederjacke und Sonnenbrille vermummten Curtis Harding, zu gleichen Anteilen aus Stücken seiner beiden starken Alben. Es handelt sich definitiv nicht um eine dieser kurzen Clubshows, auf denen einige neue Tracks gespielt werden und der Künstler dann nach 50 Minuten wieder verschwindet. Nein, altes und neues Material wechseln sich gleichberechtigt ab und verschmelzen im bereits erwähnten, testosterongetränkten Tondesign, zu einer homogenen Einheit.
Ich hatte möglicherweise im Vorfeld des Konzerts, ein Bild von Curtis Harding in meinem Kopf, das mit der Realität nichts zu tun hat. Mir war bis zur Recherche zu dem Artikel nicht klar, dass bereits die ziemlich simplen (aber durchaus gelungenen) Lieder des Debüts, nicht von ihm alleine geschrieben wurden. Mein Fehler, dass ich glaubte Curtis Harding wäre ursprünglich ein klassischer Songwriter. Die im Netz zahlreich verfügbaren Videos, von Akustik-Performances in Radiosendern, mit seinen Debütsongs, auf denen er sich alleine mit der Gitarre begleitet, konnten einen falschen Eindruck vermitteln. Letztendlich kann man ihm deswegen keinen Vorwurf machen. Wirklich albern ist aber tatsächlich, dass er sich bei rhythmusgitarrenlastigen Songs immer wieder eine Gitarre überwirft und so den Eindruck vermittelt, er wäre für die Parts verantwortlich, die jedoch ganz klar sichtbar, von seinem Nebenmann produziert werden. Meistens hört er dann nach einiger Zeit, mitten im Song mit der Pose auf, und die baumelnde Gitarre fügt sich mit der Lederjacke und der Sonnenbrille zusammen zur engagierten Rockstar-Verkleidung, inspiriert von den frühen Jahren eines Lenny Kravitz, bei dem bescheidene Songwriterskills einer großen Karriere auch keinen Abbruch taten – im Gegenteil. Zur Gesangsleistung lässt sich noch sagen: mit etwas Übung lassen sich die hohen Passagen der neuen Platte garantiert noch viel, viel besser singen.
Wenn Curtis Harding es schafft sich davon frei zu machen, was Label oder Produzenten raten oder im schlimmsten Fall von ihm verlangen, könnte seine Karriere noch ausbaufähig sein.