„Ganz schön früh heute! Was ist nur aus unserem Rock ´n´Roll geworden? Wenigstens noch jemand hier der raucht?“ fragt Seligs Jan Plewka um kurz nach halb 8, nach den ersten Liedern in die nahezu ausverkaufte Live Music Hall. Bassist Leo Schmidthals hat da längst eine Zigarette angesteckt.
Selig spielen heute schwerpunktmäßig Stücke ihres neuen Albums „Kashmir Karma“. Davon, dass die Musikkritik von der neuen Platte nur mäßig begeistert war, ist an dem heutigen Abend überhaupt nichts zu spüren. Einige Nummern werden geradezu euphorisch abgefeiert. Selbst das bescheuerte „DJ“ wird wohlwollend aufgenommen. Die Band ist überhaupt in einem unfassbar spielfreudigen Modus. Man sieht den vier auf der Bühne an, dass sie nichts Anderes lieber machen wollen und dass sie richtig Bock darauf haben. Ach, würde doch nur diese Einstellung bei der Hälfte der Künstler im Vordergrund stehen… Bei einem wirklich wilden Gitarrensolo reißt Christian Neander dann auch mal eine Saite. Das ist aber nicht weiter schlimm: nach jedem Song bekommt er eh eine neue Gitarre.
Leider spielt die Band nicht einen Song aus ihrem Trennungsalbum „Blender“. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Material um vermintes Gebiet, dass man besser nicht mehr betritt.
Die Stimmung ist einfach fantastisch und erreicht ihren Höhepunkt im vorletzten Zugabenblock, zu dem die Band ihren frühen Hit „Ohne dich“ anstimmt. In einigen Gesichtern ist jetzt auch das ein oder andere Tränchen, das die Wangen herunterkullert zu sehen. Ganz schön lange ist das alles schon her! Um 22 Uhr ist das Spektakel vorbei. Es hätten noch ein halbes Dutzend Lieder perfekt gepasst. Etwas später realisiert man, dass die Band eben zweieinhalb!!! Stunden lang eine der besten Rockshows des letzten Jahres abgezogen hat.