Andreas Spechtl – Thinking about tomorrow, and how to build it
Andreas Spechtl, hauptberuflich Sänger der Band Ja Panik, in den letzten Jahren aber immer auch solo in verschiedensten Kooperationen unterwegs, legt mit THINKING ABOUT TOMORROW, AND HOW TO BUILD IT ein Album abseits der üblichen Pophörgewohnheiten vor, das auch für seine Fans ein nur schwer verdaubares Stück Musik sein dürfte. Dabei geht natürlich eine mittlere Aufregung durch den geneigten Blätterwald und die größten Intellektuellen müssen als Referenz herhalten, seien es Walther Benjamin oder Rimbaud. Da können wir nicht mithalten und konzentrieren uns auf die Fakten. Zurück geht das Album auf den Winter 2016/17, den Spechtl in Teheran verbrachte und dort mit verschiedensten Musikern zusammen arbeitete. Das Ergebnis waren Aufnahmen diverser Blas- und Flöteninstrumente, die Spechtl daheim mit Beats unterlegte und diese zu ausschweifenden Soundlandschaften verdichtete. Wenig kommt nur der Gesang Spechtls zum Einsatz, vielmehr vermitteln die jazzigen Kompositionen, einen klaren Charakter, geben die winterliche Stimmung wieder und gehen doch erst unter die Haut, wenn Spechtl seine Beobachtungen eines Außenstehenden in Gesangsform dazugibt. Dann entstehen wie in „African Bvld“ oder „The age of ghost“ faszinierende Landschaften, die den Hörer wegtragen.
VÖ: 10.November 2017, Bureau B
Ohr d’Oeuvre: African Bvld / The age of ghost / Future Memories
Gesamteindruck: 6,5/10
Dillon – Kind
Auf ihrem dritten Album KIND findet die Deutsch-Brasilianerin Dillon zur melancholischen Leichtigkeit ihres ersten Albums THIS SILENCE KILLS zurück. Sie umhüllt ihre dunkle und trotzdem kindlich-wirkende Stimme mit traumwandlerischen Kompositionen wie dem Schlaflied „Lullaby“, das die in Berlin lebende Künstlerin für sich selber schrieb oder das Duett „Kind“, welches sie zu Beginn mit Dirk von Lotzow vorträgt. Dabei nimmt das Album seinen Charme aus den intimen und improvisierten Momenten, die sich in den einzelnen Songs die Klinke in die Hand geben. Sei es im auf ihrem iPhone aufgenommen, portugiesisch sprachigen „Te Procuro“ oder das sich erratisch steigernde „Contact us“. Und dann sind da wieder diese typischen Dillon Momente, in denen man dieses Gefühl hat, als erlöse sie mit ihren Beats und ihrer Stimme eine erschöpfte Brasskapelle, die sie zufällig am Straßenrand trifft. Sie sammelt die umherfliegenden Töne ein und verknüpft sie zu fliegenden Konstrukten. Wie gesagt, Dillon hat ihre Leichtigkeit zurück gewonnen, man kann nur hoffen, dass diese lange bleibt.
VÖ: 10.November 2017, PIAS
Ohr d’Oeuvre: Contact us/ Kind/ Lullaby
Gesamteindruck: 7,5/10
Transistor Girl – Righteous – Sinner
Wir sind alle große Schimanski Fans und deshalb natürlich alle zugleich große Chris Rea Verehrer. Als wir dann in die zweite Spätpubertät kamen, Britpop tot war, haben wir uns dann dunkelstimmigen Bands wie Elbow und den Tindersticks hingegeben. Warum erzählt man hier sein Coming out in the shadow of Duisburg-Ruhrort? Transistor Girl aus der Schweiz spielen ein atmosphärisch-dichtes und vor allem von dunklen Stimmungen getragenes, mit vielen Streichern veredeltes drittes Album ein. Und der Gesang, ja irgendwie ja, erinnert doch manchmal an den dunklen Bluesbarden Chris Rea, wie in dem ausufernden „Snowflakes“ oder zu Beginn von “Righteous-Sinner“, bei dessen Hören sich ein nächtliches Billardlokal geradezu vor dem inneren Auge aufbaut, in dem der blaugeschlagene Kommissar einen letzten Drink nimmt. Aber das ist nur ein Catchy Point, RIGHTEOUS-SINNER ist ein schönes Stück Musik, das den Bogen von klassischem Dramapop der 80er hin zu den Schwermütern um Guy Garvey schlägt. Sehr erwachsen und abgeklärt, aber mit einer gewissen schwelgerischen, jugendlichen Note, wie das vergehende Alpenglühen am Abend.
VÖ: 27.Oktober 2017, Sophie Records
Ohr d’Oeuvre: Building Walls / Weak as I Am / Righteous Sinner
Gesamteindruck: 6,5/10
Sisters – Wait don’t wait:
Auf ihrem zweiten Album WAIT DON‘T WAIT aalen sich Sisters geradezu in ihrem 80er angehauchten Retro -Synthie, der manchmal mehr Richtung Disco und manchmal mehr Richtung Motown schlägt, als hätten sie sich geradewegs aus der Vergangenheit ins Jahr 2017 gebeamt. Ein wenig erinnert das an die letzte Stars Platte inklusive abwechselndem Gesang von Männlein und Weiblein, allerdings rollen die Sisters ihren Retrosound noch konsequenter aus. Ein Stück Softcore – Musik, das runter geht wie warmer Glühwein und den Wunsch entstehen lässt, sich auf dem Flokati vor dem Kamin hin und her zu rollen. Es macht größtenteils Spaß, allerdings muss man an einigen Stellen aufpassen keine Zuckervergiftung zu bekommen. Dagegen entwickelt das Duo die wahre Stärke, wenn es ein wenig dreckigere Elemente in seinen Sound einfließen lässt, wie dem leicht stampfenden „Heart Beats“ oder dem gebrochenen „Bird“. Dann begeben sie sich auf die dunkle Seite von Barry White und Co.
VÖ: 13.Oktober 2017, Tender Loving Empire
Ohr d’Oeuvre:: Bird / Night Walk / Love you too
Gesamteindruck:: 6,0/10