Cadet Carter – Cadet Carter
Gibt es so etwas wie eine Formel x mal Zeit, die zwischen einer Bandgründung und dem ersten Album vergehen sollte? Sollte es einen vielleicht etwas skeptisch – zumindest vorsichtig – stimmen, wenn eine Band, die sich selbst dem Punk und Indie-Rock zuordnet, innerhalb von gerade einmal einem halben Jahr aufeinmal in aller Munde ist? Hat das dann schon mehr mit Kommerz zu tun, als mit authentischer Musik?
Die Münchener Band Cadet Carter veröffentlichte am kommenden Freitag ihr gleichnamiges Debütalbum. Sie haben sich erst im Frühsommer 2017 gegründet. Dennoch scheinen sie ihren Sound bereits gefunden zu haben, der sich durch das Album hinweg im Spannungsfeld zwischen poppigem Emo-Punk und rockigem Alternative bewegt.
Der Opener „Milwaukee“ erinnert sehr stark an „Cherry“ von Moose Blood, ebenso zwingt „Loose Ends“ den Vergleich mit den britischen Emo-Poppunker Kollegen beinahe auf. Nur etwas fröhlicher als Moose Blood klingen Cadet Carter. Sie schaffen durch ihre euphorisch-leichten Gitarrenrythmen und die eingängigen Gesangsmelodien gut-gelaunte Mitsinghymnen, die auch nach dem Hören noch fröhlich weiter im Kopf herumtanzen.
Ebenso catchy sind die Lyrics, die Sänger Nick vorträgt. Anders als viele andere Bands es hierzulande derzeit tun, verzichten Cadet Carter völlig auf politische Botschaften. Ihre Texte handeln von persönlicher Befreiung („Car Park Song“), den eigenen Wurzeln („Settle Me Down“) oder dem Gefühl, verloren zu sein („Loose Ends“).
Ihr Debütalbum wird so zu einer Art Pause von AFD, Trump und Co. Cadet Carter liefern ein eingängiges Debütalbum ab, bei dem man einfach mal abschalten, zuhören und ein bisschen träumen kann. Einen Abzug gibt es dennoch für die sehr starken Ähnlichkeiten von „Milwaukee“ und „Loose Ends“ zu Songs von Moose Blood. Für ihr nächstes Album sollten sich die vier vielleicht mehr auf sich selbst besinnen, um einen wirklich eigenständigen Sound zu entwickeln. Vielleicht braucht es dafür auch etwas mehr Zeit als gerade einmal ein halbes Jahr.
VÖ: 26. Januar 2018, Uncle M, http://cadetcarter.com/
Ohr d’Oeuvre: Car Park Song / Settle Me Down/ Indiscreet Romance
Gesamteindruck: 5,0/10
Tracklist: Milwaukee / Car Park Song / Loose End / Settle Me Down / Indiscreet Romance/ Don’t Fail Me / About You / Meet Me Tonight / Demons
(RL)
Shame – Songs of praise
Den Wettbewerb, um die am verwegen – aussehendste, neue Postpunk-Band aus South-London, haben die Kollegen der Fat White Family gewonnen. Den Heroin chic und die Bad Motherfucka Attitüde des letzten Kölner Fat White Family Konzertes, konnten Shame bei ihrer Supportperformance für das Karrieristenprojekt Gurr, am gleichen Ort zumindest optisch nicht übertrumpfen. Immerhin wurde dem begeisterten Publikum, zum Ende ihres kurzen Sets, noch eine Platzwunde geboten. Beim entfesselten Spiel kamen sich ein Gitarrenhals und der Schädel eines Bandmitglieds etwas zu nahe. Mit den Kollegen von FWF teilte man sich übrigens in der Vergangenheit einen Proberaum.
Seit dem 12. Januar liegt jetzt das Debüt der sympathischen Band (produziert vom Produzentenduo Local Hero aka Dan Foot and Nathan Boddy) auf „Dead Oceans“ (SLOWDIVE, THE TALLEST MAN ON EARTH) vor. Musikalisch orientiert man sich an den Veteranen des Post-Punks (bzw. Post-Hardcore), wie The Fall und Fugazi.
Mit Shame gibt es endlich wieder eine relevante britische Band, die sich nicht ausschließlich aus melancholischen Oberschicht-Kunststudenten zusammensetzt, bei denen der ästhetische Aspekt des musikalischen Outputs vor dem inhaltlichen steht. Auf ihrem Debüt SONGS OF PRAISE geht es nämlich um die großen existenziellen Themen, so läßt die Band an vielen Stellen eine hedonismus- und konsumkritische Haltung durchschimmern , wie in „Gold Hole („She knows that it’s wrong. But she feels so good in Louis Vuitton.“)“. Die eigene Millennial-Generation wird auch nicht geschont und treffend in „The lick“ durch Zeilen wie „That’s what we need. Something we can touch. Something we can feel. Something that’s relatable not debatable“, charakterisiert. Shames Klanggerüst ist druckvoll und dringlich, ohne jedoch jemals breitbeinig dabei zu klingen. Im Gegenteil: zum Ende der Platte zeigen Shame mit „Angie“, einem dieser wirklich berührenden, großen Stücke, klassischer britischer Rockmusik, dass sie kompositorisch in Bezug auf Musik und Text, noch ganz andere Themen verhandeln können und werden.
VÖ: 12.Januar 2018, Dead Oceans, http://shame.world/
Ohr d’Oeuvre: The Lick/ Angie
Gesamteindruck: 8,0/10
Tracklist: Dust on Trial/ Concrete/ One Rizla/ The Lick/ Tasteless/ Donk/ Gold Hole/ Friction/ Lampoon/ Angie
(BK)