Flowerpornoes, 15. Dezember 2017, Düsseldorf, Zakk
Der Adventskalender vom Lieblingsplatte-Festival in Düsseldorf hat zwar nur sechs Törchen, aber die haben es in sich. An sechs Abenden wird je ein herausragendes Album aus der deutschen Plattenhistorie live zu Gehör gebracht. Eines der vermeintlich kleineren Törchen wird Freitagabend geöffnet. Die Publikumswirksamkeit der Flowerpornoes um Tom Liwa hält vielleicht nicht ganz mit den anderen Namen des diesjährigen Line Ups mit, aber das Kommen dürfte an diesem Abend niemand der rund einhundert Gäste bereut haben.
Die deutschsprachigen Referenzbands der Neunziger Jahre verzeichnen in 2017 einen bemerkenswerten Trend zur Langlebigkeit. So feierten Die Sterne ihr 25-jähriges Bandjubiläum, während Die Regierung von Tilman Rossmy eine ebenso lange Bandpause mit einer absolut gelungenen Platte inklusive Tour beendete. Dazu gab es neue Produktionen von Tocotronic, Andreas Dorau und Mutter. Und jetzt also die Flowerpornoes um Tom Liwa, die aber ebenfalls nicht aus dem Nichts auftauchen, sondern immer wieder regelmäßig veröffentlicht haben, zuletzt 2015 das Album UMSONST & DRAUßEN.
Wollte man die vorgenannten Bands auf einen Begriff reduzieren und für Blumfeld den Diskurs, für Tocotronic -1994- die Rebellion wählen, dann müsste es bei den Flowerpornoes das Gefühl sein, im Sinne von Spiritualität, Intimität und Verletzlichkeit. Es sind nicht die Massen, welche die Flowerpornoes damit begeistern konnte, das war aber auch nie die Absicht. Er war „von Anfang an auf einen hübschen kleinen Kultstatus ausgerichtet“, gab Liwa einst zu Protokoll. Und den hat er wahrlich erreicht, sonst wäre er heute Abend nicht hier. Es ist die Platte RED´ NICHT VON STRAßEN, NICHT VON ZÜGEN von 1994, um die sich der heutige Abend dreht. Die gleichzeitig weiche und markante Stimme von Liwa und die ebenso poetischen und verträumten, wie greifbaren und unprätentiösen Texte sind es, die das Werk auszeichnen.
Tom Liwa eröffnet den Abend mit dem gleichnamigen Song, der auf dem Album aber nicht enthalten ist. Liwa stellt ihn als Replik auf Texte von Jochen Distelmeyer vor, der mit Blumfeld nur einen Abend später ebenfalls im Zakk auftreten wird. Was für eine selige Zeit, als sich deutsche Popkünstler noch in konstruktiv-kritische Songs aufeinander bezogen, weil sie sich etwas zu sagen hatten, was heutzutage höchstens noch bei sich dissenden Rapperkollegen zu beobachten ist. Die Band spielt danach das vollständige Album und von Song zu Song verdichtet sich die Konzertatmosphäre. Liwa und seine Mitstreiter genießen den Abend zusehend. Die Blicke, die beim Applaus gewechselt werden, zeugen von Freunde und Zufriedenheit, über das was den Künstler an diesem Abend wiederfährt. Oder wie Liwa sagt: „Ich bin ja nich‘ grad dafür bekannt, besonders freundlich zu sein … aber dat rührt mich jetzt schon.“
Nach weiteren Stücken aus dem älteren und jüngeren Werk der Flowerpornoes folgt die erste Verabschiedung („Wir gehen jetzt mal nach hinten und tun so, als ob wir Drogen nehmen“), auf die dann noch ein lange Zugabe folgt. Weitere Versatzstücke des gelungenen Abends sind ein Cover der Meatpuppets, die Anekdote vom Flowerpornoesbeitrag auf dem Musiksampler der Sparkasse Duisburg und Liwas ausführliche Liste der Lieblingskünstlerinnen als Entgegnung darauf, dass das Lieblingsplatte-Festival ausschließlich männliche (Haupt-)Künstlern im Line-up führt.
Am Ende hinterlassen die Flowerpornoes einen ausgezeichneten Eindruck der aktuellen Verfassung, ein höchst zufriedenes Publikum und einen markanten Eintrag in der Historie des Lieblingsplatte-Festivals, dem ein ebenso langes und erfolgreiches Bestehen zu wünschen ist, wie seinen Protagonisten.
(Till Jacobi)