A Tale of Golden Keys – Shrimp
Die besten Ideen kommen einem ja meist unter der Dusche, auf dem Klo oder während des Einschlafens im warmen Bettchen. So auch geschehen im Falle von A Tale of Golden Keys.
Seit der ersten Begegnung mit der Band beim wundervollen Melodica Festival in Köln, trieb den Schreiber dieser Zeilen die Frage um, an wen der Gesang von Sänger Hannes Neunhoffer erinnert. Dieses leicht lakonisch Entspannte in seiner Stimme, das trotz aller Lakonie die Songs trägt, erinnert oftmals – und genau diese Erkenntnis kam kurz vor der Tiefschlafphase – an Erlend Øye und seine Kings of Convenience. So auch auf dem neuen Album der drei Franken um Neunhoffer. SHRIMP knüpft nahtlos an den tollen Vorgänger „EVERYTHING WENT DOWN AS PLANNED“ an. Wer die Jungs schon mal live gesehen hat, kann sich bildlich vorstellen, wie diebisch sie sich gefreut haben, die Platte mit einem Song zu beginnen, der auf den Namen „Punk Rock Hit“ hört. Diese Diskrepanz aus ruhigen, manchmal gar melancholischen Liedern und dem augenzwinkernden, ironischen Unterton macht den besonderen Reiz der Band aus.
Auf SHRIMP erfinden sich die „WürzBerger“ nicht neu, sondern führen weiter das fort, was sie auf dem Debut angedeutet haben. Kleine Indie Perlen, die meist ruhig beginnen und nicht selten zum Grande Finale ein veritables Post Rock Gewitter andeuten. Und genau an diesem Punkt liegt das einzige kleine Problem an SHRIMP. Meist enden die Songs genau an der Stelle, an der der geneigte Hörer sich über die Postrock Gitarrenwände freut und sich wünscht, dass diese sich weiter steigern, um irgendwann über einem zusammenzubrechen. Dazu kommt es aber leider selten bis nie. Nichtsdestotrotz weiß SHRIMP zu überzeugen.
In Zeiten, in denen viele Bands alles tun, um möglichst innovativ und abgefahren zu wirken, fühlt sich ein derart zurückgelehntes, in sich selbst ruhendes Album wohltuend gut an. Natürlich wird es für die Band damit schwer werden, die große Aufmerksamkeit zu gewinnen, denn dafür müssten sie schon öffentlichkeitswirksam auf die Pauke hauen. Aber vielleicht wollen die drei introvertierten Franken das gar nicht. Ein wenig mehr Mut zur Lautstärke hätte dem Album jedoch trotzdem gut zu Gesicht gestanden, denn dann hätte aus einem richtig guten Indiepop Album mit Postrock-Anleihen, ein Postrock Meisterwerk mit Indiepop-Anleihen werden können.
VÖ: 23. Februar 2018, Broken Silence/ Listen, https://www.ataleofgoldenkeys.com/
Ohr d’Oeuvre: In the far Distance/ Will I be the last/ Open the door
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Punk rock hit/ A thought caught fire/ In the far distance/ Gospel/ White/ Restless/ Will I be the last/ Exhale/ Open the door/ To think
(at)
Brian Fallon – Sleepwalkers
Eigentlich hofft man ja mit jedem neuen Soloalbum von Brian Fallon, dass er es schafft an die guten „The Gaslight Anthem“-Zeiten anzuknüpfen oder sich wenigstens weiterzuentwickeln – beides gelingt auf SLEEPWALKERS jedoch wieder nicht
Nach dem eher schwachen Solodebut PAINKILLERS im Jahr 2016 erscheint nun die zweite Soloplatte des Americana-Punkrock-Helden und Frontmannes der Band The Gaslight Anthem (TGA), die mit THE 59´SOUND im Jahr 2008 ihren endgültigen Durchbruch schaffte. Bisher gelang der einzig erfolgreiche Versuch des 1980 in New Jersey geborenen Fallon abseits von seiner Hauptband als „Horrible Crow“ mit dem Album ELSIE im Jahr 2011 – und das bleibt wohl auch nach SLEEPWALKERS so.
Das neue Album ist in einigen Bereichen gelungener, flotter und weniger folkig als das Debut, ohne jedoch wirklich endgültig zu überzeugen. Für den zweiten Versuch stellte Fallon eine neue Band zusammen und engagierte den Produzenten des TGA-Erfolgsalbums THE 59´SOUND. Gemäß dem Albumtitel schlafwandelt der Mann von der Ostküste größtenteils von Lied zu Lied, spult seine altbewährten Songstrukturen, Sing-Along-Parts und Texte ab – alles hat man so oder so ähnlich schon von ihm gehört. Die Momente, in denen er ausbricht gelingen mal mehr und mal weniger: In dem Song „Sleepwalkers“ stören die deplatziert wirkenden Bläser; die tanzbare Nummer „Come wander with me“ ist dagegen ein Lichtblick. Im Zuge der angestrengt variableren Instrumentierung kommt dann auch mal die Rockorgel zum Einsatz („Neptune“, „Little Nightmares“). Die Songtexte klingen wie neu zusammengesetzte Fragmente älterer Songs und gipfeln vereinzelt in schlimmen Schnulzen wie „Her Majesty’s Service“. Über allem steht natürlich dennoch die markant-rauchige und unverwechselbare Stimme Fallons, die jedes Lied des Amerikaners prägt und trotzdem zu etwas Besonderem macht.
Es bleibt dem Hörer leider nichts anderes übrig, als sich weiter auf ein gelungenes Machwerk Fallons mit oder ohne TGA zu gedulden. Zuzutrauen ist den Amerikanern der Befreiungsschlag aber allemal. Ins Bild passt da auch, dass TGA Ihre seit 2015 andauernde Bandpause unterbrechen um im Sommer u.a. in Deutschland mit einer Albumshow – ausgerechnet zu THE 59´SOUND – auf Tour zu gehen. Ein Zeichen, dass man den neuen Sachen selber nicht traut?
VÖ: 09. Februar 2018, Universal, https://www.universal-music.de/brian-fallon
Ohr d’Oeuvre: Forget me not/ Come wander with Me/ My name is the night (color me black)
Gesamteindruck: 5/ 10
Tracklist: If your prayers don’t get to heaven/ Forget me not/ Come wander with me/ Etta James/Her Majesty’s Service/ Proof of life/ Little nightmares/ Sleepwalkers/ My name is the night (color me black)/ Neptune/ Watson/ See you on the other side
(ml)