Massendefekt – Pazifik
„Wenn ich den Norden verliere und wieder nur meine Ängste zitiere, sich mein Kompass im Kreis dreht, frag ich mich „Suchst du nach mir“? – Oha! Massendefekt verwirren auf PAZIFIK mit Texten auf Schlagerniveau und überzeugen dennoch mit richtiger Botschaft und der erneuten Erkenntnis, dass Massendefekt-Songs wohl weniger für die heimische Stereoanlage, sondern für Konzerthallen entstehen.
Seit 2001 macht Massendefekt, mittlerweile in geänderter Besetzung, aus dem Raum Düsseldorf Musik und hat sich mittlerweile eine beachtliche Fangemeinde erspielt. Entstanden auf einem lokalen Benefizkonzert und unterstützt von dem ehemaligen Schlagzeuger der Toten Hosen, Wölli (der immer noch in den Danksagungen erwähnt wird, – toll!) wird nun das siebte Album mit dem Namen PAZIFIK auf dem eigenen Label „MD Records“ veröffentlicht.
Die rotzig-freche erste Single-Auskopplung „Wo ich dich finde“ mit treibender Gitarre verspricht Gutes. Leider fallen viele andere Tracks des Albums dagegen ab und im Weiteren begegnen einem bräsige Schnulzen, die sich schlimmen und abgedroschensten Metaphern bedienen. Es wird gesungen von Fallschirmen („Freier Fall“), Horizonten („Von Horizont zu Horizont“) und Feuer und Eis („Feuer und Eis“). Die dazwischen raue Menge an „ooohhhoohhhs“ und „wooohooos“ klingen auf einem Studioalbum fast albern, funktionieren auf Konzerten als Mitsingparts wahrscheinlich aber bestens. Musikalisch wird das Punkschema bedient, das ist nicht neu – aber immer noch gut. Die gelegentlichen Breakdowns in den Stücken bieten sich prima zur Bildung von Circle-Pits an.
Die Kraftklub Kopie „IN/DIE Hölle“ ist ein unterhaltsamer Meta-Musikbusiness-Kritiksong und das erste wirkliche Highlight der Platte. Augenzwinkernd und verblüffend gut parodiert Massendefekt den Klang und die Mechanismen der Branche, in der viele die Gitarre nun auf einmal zugunsten eines Plattendeals bei einem Major-Label „lieber clean und unterm Kinn spielen“. Das zweite Highlight ist der Anti-Rechtsruck-Song „Zwischen Löwen und Lämmern“. So wie Fjørt „1933 Gründe Schwarz zu sehen“ haben, kritisiert Massendefekt den Phlegmatismus einer immer noch zu großen Mehrheit der Gesellschaft und resümiert so treffend in Anspielung auf die Symbolik der Neonaziszene: „Egal ist 88“. Die Botschaft sitzt!
Massendefekt liefern mit PAZIFIK eine linke Alternative zu der breitbeinigen, freiwildschen Gröl- und Prollomusik von Bands wie den Onkelz. Das ist wichtig und dies macht die sympathische, ehemalige Vorband von AC/DC (!) mit Bravour.
VÖ: 16. Februar 2018, MD Records, https://www.massendefekt.de
Ohr d’Oeuvre: Wo ich dich finde/ IN/DIE Hölle/ Zwischen Löwen und Lämmern
Gesamteindruck: 6,0/10
Tracklist: Pazifik/ Maschinenmenschen/ Wo ich dich finde/ Von Horizont zu Horizont/ IN/DIE Hölle/ Glanz der Sonne/ Freier Fall/ Schlechter Optimist/ Feuer und Eis/ Niemandsland/ Zwischen Löwen und Lämmern/ Am Ende
(ml)
Moaning – Moaning
Eine neue Entdeckung von unserem All Time Favourite Label aus Seattle. Moaning ist ein Trio aus L.A., was schon verwunderlich ist, spielen sie doch einen druckvollen und zugleich melodiösen Postpunk auf ihrem selbstbetitelten Debüt, der nahelegt, hier wäre eine ganze Menge mehr an Musikern involviert. Ihr Sound, der mit leichten Shoegaze Anleihen aufgehübscht wird, schwebt irgendwo zwischen den Preoccupations (auf deren anstehende Platte wir uns schon freuen) und dem zeitlosen Indiesound von Bands wie Yuck, wobei sie verglichen zu ersteren schneller auf den Punkt kommen, stringenter im Songwriting sind und zugleich den Liedern öfters mal eine erfrischende Prise Melodie einhauchen. So verleihen die teilweise erquickenden Melodien, Songs wie dem hypnotischen „Tired“ oder „Useless“ einen hymnenhaften Charakter, der Moaning direkt in die Mitte der Indietanzfläche katapultieren sollte. Trotzdem bleiben die rhythmusorientierten, dunklen Komposition wie “Artifical“ oder der heimliche Hit der Platte “Misheard“ direkt im Ohr hängen. Hier wippt der Hörer regelrecht von einem Fuß auf den anderen, in der schieren Erwartung des nun sicherlich beginnenden Refrains, den die Band aber immer wieder geschickt herauszögert, um dann gegen Ende doch noch unerwarteterweise zu explodieren. Insgesamt zeichnet MOANING diese Mischung aus verspielten Melodien und schweren Bassläufen aus, dieses angenehme Gefühl, dass dort nicht vollkommen depressive Persönlichkeiten am Werk sind, sondern versierte Songwriter, die im richtigen Moment wissen, wann es Zeit ist, auch mal die Sonne ins Zimmer zu lassen.
VÖ: 02. März 2018, Sup Pop, https://moaning.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: Tired/ Artificial/ Misheard
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Don’t go/ Tired/Artificial/ Close/ Does thiswork for you/The Same/ Fornow/ Useless/ Misheard/ Somewhere in there
(pd)