Als die britische Band Black Foxxes 2016 ihr Debütalbum I’M NOT WELL über Spinefarm Records herausbrachte, zogen sie vor allem in ihrer Heimat einige Aufmerksamkeit auf sich. Im März diesen Jahres folgte ihr zweites Album REIðI, welches fast schon euphorisch von der Musikpresse empfangen wurde. In den vergangenen Wochen waren die drei Musiker auf ihrer ersten Headline-Tour durch Europa unterwegs. Vor ihrem Konzert im Kölner Jungle Club am 12.04.2018 durften wir mit Schlagzeuger Ant Thornton und Bassist Tristan Jane über das neue Album sprechen.
JMC: Wenn man sich euren Tourplan mal so anschaut, sieht es so aus als wäre die Band mittlerweile ein Vollzeitjob geworden.
Ant: Das stimmt, mittlerweile füllt sie unser gesamtes Leben aus. Ich habe zwar angefangen, zusätzlich ein bisschen Video Arbeiten zu machen, um etwas mehr Geld reinzubekommen, aber schlussendlich sind die Black Foxxes unser “Job”.
Tristan: Ja, wir haben so viel Glück, ein wenig dafür bezahlt zu bekommen, das zu tun. So dass es zum Leben reicht. Früher habe ich in einem Restaurant gearbeitet aber es ist schön, all meine Energie in die Band stecken zu können.
JMC: Letzten Monat ist euer zweites Album REIðI erschienen. Es heißt immer, das zweite Album sei das schwerste für eine Band, weil es so viele Erwartungen daran gibt. Mit eurem Debütalbum I’M NOT WELL habt ihr vor allem in England viel Aufmerksamkeit erregt und habt auf Festivals wie Reading gespielt. Habt ihr etwas von diesem Druck gespürt? Denn als ich REIðI gehört habe, schien es eher als sei es das leichteste der Welt gewesen, diese Platte zu schreiben.
Ant: Ich kann mich nicht daran erinnern, mich zu irgendeinem Zeitpunkt besonders unter Druck gesetzt gefühlt zu haben. Es war nicht leicht, aber es war auch nicht schwer. Dazu kommt, dass es uns als Band nicht besonders interessiert, was andere Leute denken. Für uns zählt, ob wir mögen was wir tun. So lange man an etwas glaubt, sollte man dem folgen, denke ich.
Tristan: Ich glaube, wir waren bei dieser Platte tatsächlich selbstbewusster als bei der ersten. Deshalb erschien es uns nicht schwer, an unser Debütalbum anzuknüpfen. Vielmehr fühlte es sich nach der besseren Platte an! Anstatt uns Gedanken zu machen, ob die Leute die Platte mögen würden, waren wir sehr zuversichtlich.
JMC: Also würdet ihr sagen, dass REIðI das bessere Album ist?
Tristan: Ja. Ich denke, es ist einfach mehr wer wir sind – präziser und dynamischer.
Ant: Ich denke auch – als Musiker. Ich glaube, es ist die Platte, von der wir immer geglaubt haben, dass wir sie machen könnten, weißt du. Vom ersten Tag an als wir im Grunde nur “River” in der Hinterhand hatten, haben wir immer daran gedacht, eine Platte wie REIðI zu schreiben.
JMC: Und “River” ist ein großartiger Song – vor allem als Anfangspunkt!
Ant: Danke! Ja, er ist toll. Es macht großen Spaß, ihn zu spielen!
JMC: Als ihr die Band gegründet und “River” geschrieben habt, hättet ihr damals erwartet, dass ihr ein paar Jahre später eine Headline-Tour durch Europa spielen würdet?
Ant: Ja, denn Mark schrieb diesen Song bevor er Tristan und mich fragte, ob wir mitmachen wollen. Er hatte gerade einmal einen Monat an dem Song gearbeitet als er mir eine Nachricht schrieb, ob ich Schlagzeug spielen wolle. Ich habe mir den Song angehört und konnte sofort hören, was ich dazu spielen würde. Ich wusste, einfach dass dieser Song wirklich gut war. Ich wusste zwar nicht, ob er nochmal einen Song schreiben könnte, der genauso gut wäre aber ich dachte mir: “Dieser Song ist großartig, versuchen wir es!” Ich glaube, sobald wir die Band gestartet hatten, hatten wir einen Hunger in uns denn wir fühlten, dass wir das schaffen könnten und ich hatte die Ambition, es zu tun und jetzt sind wir eben hier und tun es!
JMC: Als ich mir REIðI zum ersten Mal angehört habe, ist mir aufgefallen, dass sich die Stimmung eures Sounds im Vergleich zum ersten Album sehr verändert hat. REIðI klingt nicht mehr so hoffnungslos und dunkel. Würdet ihr sagen, dass all die tollen Erfahrungen mit der Band so etwas wie eine heilende Erfahrung für Mark waren?
Ant: Ja, ich denke schon! Ich glaube, an I’M NOT WELL zu arbeiten war ziemlich hart für ihn. Er hat es lebend da raus geschafft, was schonmal gut war. Diesmal wollten wir unterschiedliche Sounds ausprobieren. Die erste Platte hatte einfach einen schweren Rock-Sound und das war cool. Aber wir wollten auf dieser Platte auch die leiseren Momente entdecken.
Tristan: Es gibt noch immer eher dunkle Elemente auf dieser Platte aber sie stehen mehr im Gleichgewicht mit leichteren, hoffnungsvolleren Klängen. REIðI hält definitiv etwas mehr Hoffnung bereit als I’M NOT WELL.
JMC: Ich verstehe gut was ihr damit meint, dass ihr unterschiedliche Sounds ausprobieren wolltet. Ich könnte REIðI keinem einzelnen Genre zuordnen. Ich höre einfach so viele verschiedene Einflüsse darauf und jedes Mal, wenn ich die Platte höre, finde ich mehr.
Ant: Wir werden auch mit total unterschiedlichen Künstlern verglichen.
JMC: Mit wem denn zum Beispiel?
Ant: Zum Beispiel My Chemical Romance (lacht). Was ein bisschen lächerlich ist, aber naja. Aber auch mit solchen Künstlern wie Radiohead.
JMC: Das ist wirklich ein riesiger Vergleich!
Tristan: Ja, es ist immer schön mit wirklich tollen Bands verglichen zu werden! Anstatt wenn sie sagen: “Für Fans von…” und dann eine Liste von UK Rockbands herunterrattern, die wir gar nicht wirklich kennen. Es ist toll, mit solchen Musikern verglichen zu werden, die wir als Band auf einen Sockel gestellt haben.
JMC: Und ein großes Lob für euch!
Was würdet ihr denn sagen: Welche Bands oder Musiker haben euren Sound wahrscheinlich am meisten geprägt?
Ant: Also Mark hört viel Radiohead. Wir allen hören einigen älteren Rock wie David Bowie, Neil Young…
Tristan: Früher haben wir auch viel solche Bands wie Manchester Orchestra gehört aber vor allem in der Zeit vor REIðI waren es dann eher die Klassiker, schätze ich. Einfach eine größere Bandbreite an Musik.
JMC: Klanglich erinnert REIðI mich an eine isländische Landschaft. Einerseits ist der Sound total rau aber gleichzeitig wahnsinnig harmonisch. Island spielt ja eine zentrale Rolle für das Album: Der Titel ist isländisch für ’Rage’ also ’Wut’ oder ’Zorn’ und ihr habt das Video zu “Manic in Me” dort gedreht. Woran liegt es, dass Island einen solch großen Einfluss auf das Album hatte?
Ant: Im Grunde hat es, glaube ich, damit angefangen, dass Mark Urlaub auf Island gemacht hat. Es hat ihm dort sehr gut gefallen und als er zurückkam, begann er ein paar Songs darüber zu schreiben, die alle von seinen Eindrücken inspiriert wurden und um diese Bilder kreisen. Als wir dann an dem Promo-Material für das Album arbeiteten, ergab es für uns einfach am meisten Sinn, ein Video dort zu drehen und andere PR-Geschichten.
Tristan: Ich finde, es sah alles sehr gut aus. Und ich habe das Gefühl, dass der Sound wie auch Marks Lyrics sehr von Island beeinflusst sind, deshalb macht es einfach Sinn, alles sozusagen zu seinem Ursprung zurückzubringen. Außerdem konnten wir so auch mal Urlaub auf Island machen (lacht).
JMC: Warum habt ihr das Album REIðI gennant?
Tristan: Ursprünglich sollte es “Moon” heißen, aber ich denke dass REIðI, was ’Rage’ auf Englisch heißt, einfach besser gepasst hat.
JMC: Mir ist aufgefallen, dass “Rage” eine Art wiederkehrendes Motiv in vielen Songs ist. Auch auf eurem ersten Album, wo es in “Bronte” heißt: “Suddenly/ Selfishly/ You saw my rage”. Auf dem neuen Album taucht es in “Flowers” und in “Float On” wieder auf. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Ant: Ich glaube, Mark recycelt Dinge. Nicht weil er faul ist, es ist mehr etwas Unterbewusstes. Es ist eine wiederkehrende Sache wie ein Konzept ohne dass er sich darüber bewusst ist.
Tristan: Ja, es ist ein zufälliges Motiv, ob er es nun auf einer bewussten Ebene wählt, oder nicht. Es taucht dann einfach in bestimmten Songs aus, wie du es gesagt hast. Ich glaube, ihm ist das gar nicht aufgefallen bis ihn einmal jemand darauf aufmerksam gemacht hat, denn eine der letzten Zeilen in “Float On” ist: “Now I understand rage”.
JMC: Eine sehr eindrucksvolle Zeile finde ich.
Tristan: Ja, sie ist großartig, wirklich gefühlsgeladen und kraftvoll. Deshalb macht REIðI als Titel Sinn. Durch das isländische Wort wirkt es weniger aufdringlich und mildert den Schock etwas ab. Es wirkt einfach mysteriöser, viele Leute fragen uns ständig wie man es ausspricht und solche Dinge, man macht sich einfach mehr Gedanken über das Isländische Wort als über das Englische.
JMC: Was haltet ihr von den Lyrics im Allgemeinen? Seid ihr in den Schreibprozess mit eingebunden oder zeigt Mark euch einfach die fertigen Texte?
Ant: Als Band arbeiten wir so, dass Mark einen ganzen Song schreibt, oder auch eine Strophe und einen Refrain oder so, und dann setzen wir uns zusammen und nehmen das komplett auseinander. Am Ende hört es sich dann so an, wie du es hörst, nach den Black Foxxes. Aber was die Lyrics betrifft, da schließt Mark sich einfach ein und arbeitet mit dieser ganzen Energie die in seiner Seele ist. Wir könnten ihm zwar helfen, aber wahrscheinlich würde es dann nicht so gut werden.
Tristan: Ja, ich denke es ist eine sehr persönliche Sache für ihn. Die Band wäre wohl nicht das was sie ist, wenn jemand anderes die Lyrics schreiben würde.
Ant: Wir sind so emotional wenn wir spielen. Müsste er die Lyrics von jemand anders singen, wäre es glaube ich nicht völlig ehrlich weil es dann einfach nicht von ihm käme. Deshalb ist es cool so wie wir es machen, finde ich.
JMC: Wollt ihr denn verstehen, worüber er schreibt?
Tristan: Ja, ich glaube, wir verstehen es einfach.
Ant: Genau, unterbewusst, ohne überhaupt darüber zu reden oder besonders viel darüber nachzudenken, spüren wir einfach diese Schwingungen, den Vibe. Wir spielen immerhin schon seit beinahe fünf Jahren zusammen.
JMC: Könnt ihr etwas über den Songwritingprozess der Band im allgemeinen erzählen? Zum Beispiel, was zuerst da ist – ein Riff oder die Lyrics?
Ant: Meistens ist die Musik zuerst da, denke ich. Aber ich glaube ein, zwei Mal hatte Mark fertige Lyrics und dann haben wir darauf die Musik geschrieben.
Tristan: Es war zumindest eine Gesangsmelodie, die Lyrics kommen immer zum Schluss. Meistens haben wir ein Riff oder ein paar Teile eines Songs. Dann setzen wir uns zusammen, besprechen das und arbeiten daran. Das sind dann so Diskussionen, ob wir eine Strophe erweitern müssen oder eine Bridge hinzufügen oder so etwas.
JMC: Fällt es euch schwer, ein Ende zu finden? Einen Punkt an dem ihr sagen könnt: “Okay, jetzt ist dieser Song gut!”?
Ant: Naja, es ist wie bei jeder Kunst: Wann ist es jemals fertig?
JMC: Also mietet ihr euch einfach ein Studio und sagt euch “So, an dem Tag nehmen wir das Ding auf und dann ist gut”?
Tristan: Vor REIðI haben wir eigentlich immer geschrieben, wenn wir die Zeit gefunden haben oder wir einfach in der Stimmung waren. Aber in letzter Zeit haben wir immer mehr über das nächste Album nachgedacht, also haben wir uns ein AirBnB in Cornwall gemietet. Wir haben ihnen gesagt, dass wir eine Menge Lärm machen wollten und das war okay für sie, es war mitten im Nirgendwo also war es kein Problem. Dort haben wir uns dann eine Woche lang eingesperrt und haben jede Menge Songs geschrieben.
Ant: Ich denke, es ist ziemlich interessant, denn I’M NOT WELL war eine Sammlung von Songs die über zwei Jahre hinweg entstanden sind und letztlich war das Ziel, eine Platte zu veröffentlichen. REIðI war ähnlich, aber eben auf die Zeit von einem Jahr des Schreibens verdichtet. Wir wussten eben, dass wir für eine neue Platte schreiben. Wir hatten 17 Songs, von denen es letztlich 10 geschafft haben. Bei diesem Mal mussten wir nicht mehr jede Woche üben, sondern wie Tristan gesagt hat, wir mussten die Songs fertig bekommen. Also schlossen wir uns für eine Woche ein und arbeiteten daran.
JMC: Auf euren Social Media Kanälen habe ich gesehen, dass ihr letzen Monat oder so schon damit angefangen habt, neue Songs zu schreiben?
Ant: Ja, im Februar.
JMC: Also als REIðI noch nichtmal draußen war. Ich habe mich gefragt, ob die neuen Songs sich nicht sehr ähnlich zu REIðI anhören würden weil die Zeitspanne dazwischen so kurz ist.
Ant: Naja, wir haben REIðI im Juli aufgenommen, seit dem war es für uns im Grunde erledigt. Seitdem ist für uns viel Zeit vergangen ohne dass wir viel darüber nachgedacht haben. Wir haben bisher ungefähr acht Songs geschrieben, wovon die Hälfte wahrscheinlich Schrott ist, aber wir werden sehen. Als Menschen verändern wir uns ständig, wir sind immer in Bewegung, deshalb habe ich das Gefühl, dass wir uns seit der Arbeit an REIðI bereits entwickelt haben. Viele denken immer, ein Album zu machen sei das größte und beste was man je tun wird. Doch ich denke, es muss nicht immer dieses perfekte Kunstwerk sein. Es ist vielmehr ein Stempel einer bestimmten Zeit in deinem Leben, deshalb denke ich nicht, dass das dritte Album sich wie REIðI anhören wird. Auch was die Art wie wir es spielen betrifft, und die Art wie wir es aufnehmen werden, was der Produzent mit reinbringt und wie die Dinge arrangiert werden, es wird aufjedenfall anders klingen.
JMC: Habt ihr denn schon Ideen, mit welchem Produzenten ihr arbeiten wollt zum Beispiel?
Tristan: Einige Ideen haben wir schon.
Ant: Ja, wir haben einen groben Zeitplan und eine Liste mit Produzenten. Aber wir haben noch nicht über alles geredet, noch kein Lager aufgebaut, die Weltherrschaft geplant oder so (lacht). Noch steht nichts schwarz auf weiß festgeschrieben, aber wir wollen versuchen, den Dingen etwas voraus zu sein.
JMC: Klingt gut! Was habt ihr denn für dieses Jahr noch so geplant?
Ant: Wir beenden diese Tour am 23… nein, am 20. April in Paris. Dann geht es erstmal nach Hause, ein wenig entspannen und dann beginnt im Grunde schon die Festival Saison. Wir spielen einige Festivals in Großbritannien, auch einige in Europa.
JMC: Und in den USA, oder nicht?
Ant: Ja, aber da müssen wir noch schauen ob das klappt. Es hängt vom Geld ab, weil es leider sehr teuer ist.
JMC: Ich glaube, ihr wurdet für das Rock on the Range Festival angekündigt, oder?
Ant: Ja genau, wir werden aufjedenfall unser Bestes tun, um dort spielen zu können!
JMC: Viel Glück!
Ant: Danke. Naja, nach der Festival Saison werden wir wieder auf Tour gehen, ab September und schauen einfach mal, was auf uns zukommt.
Tristan: Dazwischen werden wir versuchen so viel es geht zu schreiben.
JMC: Denkt ihr, dass ihr dieses Jahr nochmal nach Deutschland kommen werdet?
Tristan: Also, wir spielen ein Festival in der Schweiz, aber das ist nicht wirklich nah oder? Außerdem spielen wir einige in Paris, den Niederlanden und eins in Madrid.
Ant: Das ist wirklich nicht gerade nah (lacht).
JMC: Dafür aber schön!
Tristan: Man kann ja nie wissen, vielleicht gibt es noch welche wo wir hinzustoßen können.
Ant: Genau. Wir spielen vier Shows in Deutschland auf dieser Tour, hoffentlich ergibt sich da etwas für den Sommer.
JMC: Vielen Dank für das Interview!