Letztes Jahr haben The World is a Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die ihre wunderbare Platte ALWAYS FOREIGN veröffentlicht, die fast durchweg auf positive Reaktionen gestoßen ist. Allerdings fällt in vielen Besprechungen über das letzte Werk der Postrocker auf, dass der grundnachdenkliche, aber stets positive Sound, einen eher pessimistischen Einschlag bekommen hat. Vor ihrem Konzert im Kölner Gebäude 9 nehmen sich Keyboarderin Katie, Bassist Josh, Gitarrist Chris und Sänger David Zeit, ein paar Fragen von JMC zu beantworten. Darin wird dieser Eindruck nachhaltig bestätigt, was gemäß Band mit der zeitlichen Nähe zur Wahl von Trump und den daraus resultierenden, negativen Gefühlen zusammenhängt. Aktuell fühlt man sich bestätigt durch die Teilung der U.S. amerikanischen Gesellschaft in ein Pro und ein Contra Trump Lager. Das geht einher mit einem Abfrieren des sozialen Miteinanders. Das Interview fand auf englisch statt.
JMC: Schaut man auf die bunte Timeline in eurem Wikipedia-Eintrag, kann man das Gefühl bekommen, dass es in der Band zu einem ständigen Kommen und Gehen in den letzten Jahren kam. Trotzdem wart Ihr in den letzten fünf Jahren mit 3 LPs und mehren EPs sehr produktiv. Wie funktioniert das, musstet Ihr nicht jedes Mal von vorne anfangen, euch zu finden?
Band: Der Großteil von uns ist jetzt schon konstant seit fünf Jahren fester Bestandteil der Gruppe. Somit blieb die Konstanz gewahrt, obwohl es immer hart ist, Teile des Arrangements oder des Livesets anzupassen. Dazu kommen interne Rollenwechsel, beispielweise übernehme ich (Bassist) jetzt mehr Schrei- und Singparts, da die Person, die die bisher übernahm nicht mehr da ist.
JMC: Du bist praktisch aufgestiegen?
Band (lachen): Ja, ich darf wirklich mal singen und schreien und …mehr Promotion machen. Aber insgesamt haben uns die Wechsel immer in eine produktive Richtung gedrängt, so dass sich damit, glaube ich, der regelmäßige Output erklärt.
JMC: Vor allem, weil man den Eindruck gewinnt, dass in ALWAYS FOREIGN sehr viel Herzblut, sehr viel Detailarbeit steckt. Die Platte zeigt Euch von einer differenzierten, teilweise neuen Seite. Der erste Part wirkt vom Songwriting auf mich teilweise fast eine wenig wie der Popunk von Weezer (lachen), wirkt sehr straight und kompakt. Mit zunehmender Spiellänge dagegen werden die Songs komplexer und länger, um dann vielleicht mit „Marine Tiger“ den Höhepunkt der Komplexität zu erreichen.
Band: Die Arbeit an der Platte war diesmal sehr schnell und kompakt, da der Aufnahmebeginn mit der Wahl von Donald Trump zusammenfiel und auch mit dem Ausstieg von Nicole. Es war eine stressige Zeit und wir waren nach der Wahl ziemlich frustriert und wollten dieses Gefühl unmittelbar einfangen. Deshalb haben wir uns in einem Raum eingeschlossen und uns ganz auf die Songs fokussiert, so dass der ganze Mist einfach aus uns strömte. Wir waren ziemlich fokussiert, sind regelrecht abgetaucht in die Platte, wir waren in einer Art Tunnel.
JMC: So bestimmte die Trump-Wahl die Energie der Platte?
Band: Ja, auf jeden Fall. Wir waren sehr frustriert. Schon bevor das Ergebnis feststand, hatte ich das Gefühl, dass die Platte anders klingen würde, sollte er gewählt werden. Wenn er nicht gewählt worden wäre, wäre die Platte definitiv nicht so aggressiv geworden. Als wir zusammenkamen es war genau „The Day After“.
JMC: Also stimmt der Eindruck, dass der Grundton eher zynisch bzw. desillusioniert ist?
Band: Der Ansatz war vielleicht wirklich etwas anders als bei den alten Platten, beziehungsweise es ist einfach so passiert. Früher haben wir versucht unabhängig, von der Gegenwart, den Sinn hinter dem größeren Ganzen zu ergründen. Ein Statement zu den Dingen zu machen, die das Leben ausmachen, zu dem Sinn dahinter. Jetzt haben wir Bezug auf das genommen, was aktuell passierte und wir wollten, dass die Platte schnell fertig wird, um diese Unmittelbarkeit zu erhalten – diese Wut über die Wahl. Das ist vielleicht der Unterschied. Wir haben versucht dieses direkte, unverfälschte Gefühl einzufangen, bevor es verwässert wird.
JMC: Gerade auch das Video zu „Marine Tiger“ vermittelt einen düsteren Eindruck – gibt es dieses zynische Grundgefühl wieder?
Band: Einerseits ja, es geht aber noch darüber hinaus. In den USA hat sich ziemlich direkt nach der Wahl der Ton gegenüber Minderheiten und irgendwie anders gearteten Menschen ziemlich zum negativen verändert. Dies drückt die Situation mit dem dritten Arm in dem Video aus. Zurzeit gibt es in den USA einen starken Trend, Leute zu entmenschlichen, sie im Grunde aufgrund ihrer Andersartigkeit oder ihrer Meinung zu erniedrigen.
JMC: Ist es ein allgemeines Gefühl derzeit in den USA?
Band: Es fühlt sich im Moment wie ein Alptraum an, nicht mehr der Ort an dem wir mal gelebt haben. Haben sich früher unsere Songs auch um Fragen gedreht, was die Idee von Heimat, von einem Ort sein kann, wo man sich zu Hause fühlt, ist das alles obsolet geworden. Man fühlt sich wie verstoßen und das ist für viele Leute in den USA ein Problem, auch ganz real, dass sie von einem auf den anderen Tag ausgewiesen werden, nicht mehr dorthin zurückkehren können, wo sie wohnen oder geboren wurden. Wir waren auch früher oft wütend, aber dies hatte damals noch nicht so eine Relevanz für die Musik und das Songwriting wie auf der aktuellen Platte. Wir zeigen hier eine andere Seite von uns, ohne aber die alten Platten zu verleumden
JMC: Stimmt der Eindruck, dass das Songwriting etwas klassischer ausgefallen ist?
Band: Wir haben viele verschiedene Einflüsse und wir sind vielleicht als Musiker in den letzten Jahren gewachsen. Wir haben einfach mehr Kontrolle über die Songs. Früher war es einfach oft eine Explosion mit der die Songs entstanden sind, ziemlich ungestüm. Heute entwickeln wir die Songs mit mehr Vorsicht.
JMC: Wie waren die Reaktionen auf die Platte? Gab es Unterschiede zwischen Europa und den USA?
Band: Ja, auf jeden Fall, diese Tour ist bisher die beste Tour in Europa. Die Leute sind sehr aufmerksam und wir kriegen viele, positive Reaktionen. In den USA haben wir tatsächlich aufgrund der vielleicht expliziteren, politischen Aussagen auch negative Reaktionen bekommen und Leute haben sich abgewendet. Ein wenig drücken die Reaktionen die allgemeine Spaltung aus. Aber hey, es ist uns egal, wenn Leute, mit eher rechter Einstellung unsere Musik nicht mehr hören. Es ist so wie auf einer Gartenparty: Die Leute willst Du nicht mehr dabei haben und lässt sie vor dem Zaun. Leute wie Polizisten, Rassisten, Sexisten korrupte Politiker und ihre Wähler, diesen ganzen Menschenschlag. Das drücken die Songs auch aus. Aus der Szene bekamen wir durchweg positive Reaktionen, so dass wir die negativen zum Glück einfach hinter uns lassen konnten.
JMC: Wie war der Arbeitsprozess auf ALWAYS FOREIGN?
Band: Sehr demokratisch, wir haben uns gefunden. Jeder brachte eine Idee ein, die wir zusammen ausgearbeitet haben, auch in Bezug auf die Lyrics. Diese habe ich jedem gezeigt, so dass es eigentlich keine Parts auf der Platte gibt, die nur von einer Person stammen.
JMC: War das nicht hart? Führte das nicht zu endlosen Diskussionen?
Band: Teils, teils. Einige Songs gingen sehr schnell von der Hand, bei anderen waren die Diskussionen schon etwas härter und langwieriger. Jeder war eingeladen, seinen Senf dazu zu geben (lachen). Einige Songs waren wie ein Puzzle und brauchten mehrere Monate, während andere in einer halben Stunde entstanden. Aber gerade die Songs, die länger gebraucht haben, fühlen sich gut an, sind sie doch ein Produkt der Gemeinschaft. Das hätte man nie alleine schaffen können.
JMC: Vielen Dank für Eure Zeit!
Gerade der letzte Punkt hat sich dann auf der Bühne bewahrheitet. The World is a Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die sind wie eine harmonische Einheit, in der jeder seine Rolle gefunden hat, um den Songs zu einer gewisse Größe zu verhelfen.