The Vaccines – Combat Sports
Fragten die Vaccines noch im Titel des Debuts, was man von Ihnen erwarte, so musste man nach dem dritten Album konstatieren: Nicht mehr viel! Umso erfreulicher, dass die Londoner sich auf ihrem vierten Album COMBAT SPORTS auf alte Stärken zurückbesinnen.
Absehen konnte man diese musikalische Entwicklung der Vaccines nun wirklich nicht: 2011 wurden sie nach der Veröffentlichung von WHAT DID YOU EXPECT FROM THE VACCINES? als neue Nachwuchshoffnung am britischen Indierock-Himmel gefeiert. Es folgten jedoch mit COME OF AGE (2012) und ENGLISH GRAFITTI (2015) zwei eher schwache Nachfolgewerke. Das letztere Album gipfelte sogar in seelenlosem, künstlichem Industriepop, in dem verzerrte Gitarren kaum mehr eine Rolle spielten.
COMBAT SPORTS aber schließt nahtlos an das Debutalbum an, als hätte es die letzten Jahre musikalischer Verirrung nicht gegeben. Mit dem ersten Song („Put it on a T-Shirt“) ist die rotzig-freche Attitüde zurück, mit dem zweiten („I can`t quit“) die Gitarre. Die Rhythmusgitarre schrammelt wieder in alter Ramones-Manier, die Leadgitarre macht mit kleinen, feinen Melodien im Surfsound auf sich aufmerksam. Keines der folgenden Stücke fällt im Weiteren wirklich ab. Zurück sind die musikalischen Reminiszenzen an den Rock`n`Roll der 50er, den Garagenrock der 60er, den Punk der 70er und den britischen Indierock und -pop der Nullerjahre. Textlich setzt Frontsänger Justin Young auf altbewährtes und singt sich durch Beziehungsthemen zwischen kitschig-süß („Your Love is my favorite band“) und unglücklich-verzweifelt („Nightclub“).
Das Album schließt sehr stimmig mit der mitreißend überhöhten Rockhymne „Rolling Stones“, inklusive Rock`n`roll-Orgel, ab und lässt den Hörer zufrieden und versöhnt zurück.
VÖ: 30. März 2018, Sony Music, www.thevaccines.com
Ohr d’Oeuvre: I cant`t quit/ Nightclub / Rolling Stones
Gesamteindruck: 08/10
Tracklist: Put it on a T-Shirt/ I can`t quit/ Your love is my favorite band/ Surfing in the sky/ Maybe (Luck oft he draw)/ Young American/ Nightclub/ Out on the Street/ Take it easy/ Someone to lose/ Rolling Stones
(ml)
The Voidz – Virtue
Humor haben sie ja die Österreicher. Das muss man Ihnen lassen. Wer hätte der Spaßtruppe um Thomas Spitzer und Klaus Eberhartinger, besser bekannt als Erste Allgemeine Verunsicherung, im Jahr 2018 noch eine äußerst gelungene, satirische Großtat zugetraut? Wir von JMC jedenfalls nicht – müssen wir zugeben.
Aber was sich die bereits abgeschriebene Combo hat einfallen lassen, ist einfach zu gut: anders als die Kollegen von Studio Braun mit Fraktus spielen die Österreicher nicht nur einfach eine andere fiktive Band – nein, noch besser – sie haben Schauspieler engagiert, die eine Band darstellen. THE VOIDZ sind eine Persiflage auf zeitgenössische amerikanische Rockbands in Zeiten der letzten Tage des neoliberalisierten Kapitalismus. Die Musik haben die Herren natürlich selber eingespielt – erstmalig sogar mit englischen Texten.
The Voidz ist die (wie wir jetzt ja wissen – fiktive) Band des New Yorker Rockstars Julian Casablancas, dessen Hauptband The Strokes einst große Erfolge feierte, aber inzwischen nur noch in Japan wirklich erfolgreich ist. Casablancas, der die Kollegen seiner Hauptband einst in einem Schweizer Internat kennenlernte, ist inzwischen furchtbar gelangweilt. Da seine musikalischen Mitstreiter meist durch Aufenthalte in internationalen Entzugskliniken verhindert sind und sich deswegen die Aufnahmen neuer Songs endlos verzögern, hat er aus ebensolchen, eben den feinsten Entzugskliniken der Welt, eine neue Truppe zusammengestellt, die seine ebenfalls immer wirrer werdenden Werke aufführen sollen. Gut, musikalisch kann die Herkunft niemals bestritten werden. Den Gesang von Klaus Eberhartinger erkennt die Kennerin / der Kenner sofort. Aber so eine geniale Heavy Metal Verarsche wie „Pyramid of Bones“, hat die Erste Allgemeine Verunsicherung seit ihrem 1987er Album und Meisterwerk LIEBE,TOD UND TEUFEL nicht mehr hinbekommen. Respekt! Auf insgesamt 15 Stücken mit einer Laufzeit unter knapp einer Stunde, demonstrieren die Österreicher eindrucksvoll wie es sich anhört, wenn 40-jährige Millionäre denken, sie würden heißen Scheiß-Pop für coole Teenager machen können. Höhepunkt des Albums ist der Song „Think before you drink“. Zu dem Songtitel ist nichts mehr hinzuzufügen. Das Album ist konzeptionell betrachtet wirklich großartig geworden, aber auch teilweise sehr, sehr anstrengend anzuhören. Anders als bei Fraktus wird es wohl auch keinen Film geben. Vorerst müssen sich die Freunde des etwas alberneren Humors mit der Platte VIRTUE zufrieden geben. Aber es wird bestimmt noch mehr folgen. Da kann man sich ganz sicher sein.
VÖ: 30. März 2018, Rca Int. (Sony Music) www.thevoidz.com
Ohr d’Oeuvre: Think before you drink
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Leave it in my dreams/ QYURRYUS/ Pyramid of bones/ Permanent high school/ ALieNNatioN/ One of the ones/ All wordz are made up/ Think before you drink/ Wink/ Pink ocean/ Black hole/ Lazy boy/ We’re where we were/ Pointlessness
(bk)