18.05.2018, Live Music Hall, Köln
Pfingsten ist sowohl klassischerweise der Kick-Off-Slot der Festivalsaison, als auch das Wochenende der Abschlusskonzerte der Frühjahrstouren und wartet so immer mit hoher Konzertdichte und Highlights auf. Neben vielen anderen Bands kündigen auch die Sleaford Mods ihr Kommen an und gastieren im Rahmen ihrer Tour in der Kölner Live Music Hall. Nachdem die beiden Briten Williamson und Lindsay Fearn mit dem 2014er Album DIVIDE AND EXIT den Durchbruch schafften, steigt ihr Stern kontinuierlich – größere Hallen, breiteres Publikum und die Band steht immer mehr im medialen Fokus. Ihr Postpunk aus Minimalbeats, durchdringenden Basslinien und dem charakteristischen Sprechgesang Williamsons im Midland-Dialekt, der in seinen Texten die Situation der abhängten Bevölkerungsteile und des Arbeitermilieus analysiert, trifft die aktuelle Stimmung wie den bekannten Nagel auf den Kopf.
An diesem lauen Mai-Abend verbreitet sich die Vorfreude unter den Besuchern der Kölner Show recht schnell. Die merklich gute Stimmung im Biergarten wird noch einmal jubelnd getoppt, als die Musiker durch selbigen gehen, um in den Backstage-Bereich zu gelangen. Daneben fällt auf, dass der Altersdurchschnitt fast dem der Musiker entspricht, was aufgrund der Texte und der recht eigenen, minimalistisch-elektrischen Musik überrascht.
Der weiteren Abendgestaltung in der Live Music Hall ist geschuldet, dass das Konzert sehr früh beginnt. Folglich steht die Band aus Nottingham um halb 9 auf der Bühne. Das Bild, das die beiden auf selbiger abgeben, wirkt schon paradox – zwei Endvierziger, ein Mikrofonständer und ein beklebtes Notebook auf umgedrehten Bierkisten. Sonst nichts. Den heutigen Arrangements in Konzerthallen widerspricht dieser Ansatz vollends. Aber – und das ist das entscheidende – die Musik zählt. Damit punkten Williamson und Lindsay Fearn bei der ENGLISH TAPAS Tour vollends. Der große Teil der Stücke, die sie heute spielen, stammt von eben dieser neuesten Platte, dem schon erwähnten DIVIDE AND EXIT, wie auch dem 2015er KEY MARKETS. Von der ersten Sekunde zeigen sie, wo der Hase lang läuft. In Wellen wird das Publikum dann zügig zum ersten Mal bei „Mobtop“ versetzt, ab „Just like we do“ wird durchgehend gezappelt. Williamson kotzt sich im bekannten Midlandslang über die Situation im Allgemeinen und die abstrusen politischen Auswirkungen der aktuellen Politik im Speziellen. Der englische Premierminister und die „Tories“ werden regelrecht zusammengepöbelt. Er ist offensichtlich „fucked up“ und bringt dieses Gefühl mit seinem Charisma, hervortretenden Schlagadern und rotem Kopf ungefiltert auf die Bühne. Auf den Höhepunkten der Rage feuert Williamson die Silben und Wörter wie Kugeln auf das Publikum ab, begleitet von einem – durch die Lichtverhältnisse fantastisch aussehenden – Mündungsfeuer aus Spucke. Lindsay Fearn bewegt sich dagegen minimalistisch und selig grinsend mit einem Bier in der Hand zu den Beats und Samples. Daneben wird von ihm nach jedem Song eine neue Tondatei angesteuert zu der Williamson seine epischen Momentaufnahmen zu den Lebenssituationen in der Postmoderne herauswichst. Sie strotzen vor unbändiger Energie in ihrer Live-Show und spielen – das ist nach diesem Auftritt sicher – viele, viele Musikerkollegen problemlos an die Wand. Auf Grund der persönlichen Vorgeschichte der beiden [Dazu sei jedem die Dokumentation „Bunch of Kunst“ empfohlen] wirken die Songs uneingeschränkt authentisch, absolut ungeschminkt und diese Power wird 1:1 auf die Bühne der Live Music Hall gebracht. Bei „Tide up in Nottz“ wird schließlich aus dem Zappeln handfester Pogo. Als weitere Highlights sind „Corgi“ und „Tweet, Tweet, Tweet“ zu erwähnen. Nach 60 Minuten verlassen die beiden sichtlich zerrockt die Bühne und kehren noch einmal für eine kurze Zugabe zurück. Diese Show war eines der ersten Highlights im Konzertjahr 2018. Es hat sich voll und ganz gelohnt.