GET WELL SOON – The Horror
Ein Blick auf die Songtitel verrät viel: “Horror”, “Nightmare”, “Fear”. Multitalent Konstantin Gropper alias “Get Well Soon” entdeckt den Horror und erfindet sich auf seinem neuen Album wieder einmal neu.
Gropper veröffentlicht nach LOVE (2016) mit THE HORROR nun das nächste Konzeptalbum. Ausgangspunkt des fünften Albums des berühmtesten Absolventen der Mannheimer Pop-Akademie waren drei Albträume Groppers. Gropper, der “Albträume als Inspirationsgeschenke” sieht, baut um seine Träume von Joggern, die sein Haus aufessen, finnischen Zwergen und Hermann Görings Jagdschloss ein Konzeptalbum zu den Themen Verlustangst und Fehlentwicklungen unserer Welt. Diese Inhalte kleidet Gropper in ein opulentes orchestrales 50er Jahre-Gewand mit abwechslungsreicher Instrumentierung. Dazwischen immer wieder Groppers dunkle Crooner-Stimme als wiederkehrendes Element.
Gropper, der bereits fleißig Erfahrung mit der Komposition von Filmmusik gesammelt hat, schreibt mit dem sphärischen und zu weiten Teilen instrumentalen THE HORROR eigentlich ein weiteres Stück Filmmusik: Direkt schießen einem Bilder aus Western- und Schwarz-Weiß-Filmen in den Kopf. Verstärkt wird der Eindruck noch durch die Soundeffekte bzw. in den Liedern verarbeitete Umgebungsgeräusche wie zum Beispiel in „Nightjogging“, in dem Laufgeräusche zu hören sind, oder Nebelhörner bei „Misty Bay“. „Future Ruins (Pt. 2)“, von Zerstörung und Verfall handelnd, wird direkt zu Anfang mit einem arabischen Klagelied im Orient verortet. Musikalisch ist das alles schwer zu fassen: Mal bedrückend dunkel und drohend, mal vergleichbar zu einem leichten Matineeabend mit Smoking und Frank Sinatra.
Bei „Get Well Soon“ ist alles konstruiert, inszeniert und irgendwie „drüber“. Vom Youtube-Teaser und kurzen Videoclips mit Therapiesitzungen Groppers, in denen er seine Träume erläutert, bis hin zum der LP-Box beiliegenden „Nightmare-Comic“. Eines ist jedoch nicht nur bei Konstantin Groppers „(Finally) A Convinient Truth“ sicher: Wir alle sind in Horror und dunkler Nacht vereint.
VÖ: 08. Juni 2018, Caroline, www.youwillgetwellsoon.com
Ohr d’Oeuvre: Future Ruins (Pt. 2)/ Nightjogging
Gesamteindruck: 6/10
Tracklist: Future Ruins (Pt. 2)/ The Horror/ Martyrs/ Nightmare No.1 (Collapse)/ An Air Vent (In Amsterdam)/ Nightmare No.2 (Dinner At Carinhall)/ The Only Thing We Have Fear/ Nightjogging/ A Misty Bay (At Dawn)/ Nightmare No. 3 (Strangled)/ (How To Stay) Middle Class/ (Finally) A Convinient Truth
(ml)
Rolling Blackouts Coastal Fever – Hope Downs
Mit HOPE DOWNS, ihrer ersten Langspielplatte, erfüllen die Rolling Blackouts Coastal Fever die Versprechen, die sie mit ihren beiden EPs THE FRENCH PRESS und TALK TIGHT gegeben haben.
Sie reihen sich mit den zehn Songs in diese faszinierende Reihe Bands um Pavement, Yuck oder Deerhunter ein, die ihre stoisch- lakonische Haltung in keiner Situation zu verlieren scheinen und deren Songs trotzdem dieses gewisse Fieber entfachen, das einen nicht ruhig sitzen, Worte vor sich hin fasseln oder Melodien summen lässt, ohne zu wissen, wo diese her kommen. Ist man im ersten Moment enttäuscht, dass offensichtliche Kracher wie „Julie’s Place“ oder „Foutain of good Fortune“ wie von THE FRENCH PRESS, fehlen, entwickeln Songs wie das angezerrte „Talkin Straight“ oder das wavige „Bellarine“ die beschriebene Dringlichkeit. Dabei verbinden sie dieses australische Laid Back Gefühl („Cappuccino City“) mit dem amerikanischen Post-Punk zu einem harmonischen Gemisch, wie ineinander laufende, schmilzende Eiskugeln. Zu diesem Gefühl passt der Aufnahmeort, den die Band wählte. Statt im Melbourner Winter zu verharren, floh sie in den nordaustralischen Dschungel in das Herz der Fiebrigkeit. Laut Eigenaussage beschäftigt sich HOPE DOWNS mit dem grassierenden Zynismus und der weit verbreiteten Sprachlosigkeit unserer Tage. Dieser begegnen Rollling Blackouts Coastal Fever mit der notwendigen Leidenschaft, ohne dabei nur einen Fussbreit Coolness abzugeben.
VÖ: 15. Juni 2018, Sub Pop, http://www.rollingblackoutsband.com/
Ohr d’Oeuvre: Talkin Straight/ Bellarine/ Exclusive Grave?
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: An Air Conditioned Man/ Talkin Straight/ Mainland/ Time in Common/ Sister’s Jeans/ Bellarine/ Cappuccino City/ Exclusive Grave?/ How Long?/ The Hammer