Das Phänomen ist bekannt: Je mehr man sich mit Musik, Plattenrezensionen und Bands beschäftigt, um so versnobter und anspruchsvoller wird man. Ob man will oder nicht! Das Gefühl DIE neue unbekannte Band oder „den heißen Scheiß“ zu entdecken wird dabei immer seltener und häufig verringert sich sogar die Halbwertszeit der Begeisterung. Umso wundervoller, wenn es einem dann doch mal wieder passiert. Und es passierte mit „Knarre“ aus Berlin!
„Knarre“ macht wundervollen und brachialen deutschsprachigen Emo-Punk. Kluge, gute Texte, ein bisschen Screamo hier und ein bisschen Trompete da. Das ist das Rezept für die mittlerweile einen Monat alte 7-Track-EP namens EISCAFE VENEZIA, veröffentlicht auf dem DIY-Label AmsA (Amöben mit sozialen Ambitionen) records. Selten trafen rotziger Trotz, wohlige Melancholie, Haltung und musikalische „auf die Fresse“-Attitüde so stimmig aufeinander. Und als „Knarre“ dann am 28.10. auf ihrer Album-Release-Deutschland-Tour im Autonomen Zentrum Köln Halt machten, löste der Autor eifrig und gespannt ein Ticket in der Eishalle namens AZ.
Knarre bringt als Vorband die Postpunker „Maffai“ aus Nürnberg/Würzburg mit. Leider ist es an diesem Abend im AZ nicht nur sehr kalt, sondern auch sehr leer. „Maffai“ beginnt dann auch prompt eine halbe Stunde später – viel größer wird das Publikum aber leider nicht. An diesem Abend spielen zeitgleich „Lygo“ im Ehrenfelder Artheater und die Szene-Lemminge zogen es wohl vor, sich lieber zum 24ten Mal „Lygo“ anzuschauen als Neues zu entdecken. „Maffai“ spielen ob der Temperaturen dann auch ein sehr schnelles Set. Trotzdem gefallen die sehr sympathischen Jungs mit ihrer sphärischen, elektronischen Gitarrenmusik (Link). Auf jeden Fall ist einem nach der Vorband schon viel wärmer, was an diesem Abend eines der größten Komplimente überhaupt ist.
Dann spielen endlich „Knarre“. Ein blasser dünner Junge hüpft, screamt und growled sich von Minute eins unterhaltsam durch das Set. Highlights sind der „Smash-Hit“ „Mesut & Manuel“ und die Trompeten-Parts. Und gerade die Trompete ist, wie auch schon auf der EP, im Gegensatz zu anderen bräsig, primitiven Punkbläsern á la Feine Sahne Fischfilet-Bands als unaufdringliches, feines und unheimlich stimmiges Element der Star. Die Band schreitet mal rumpelnd, mal mit feinen Gitarrenriffs weiter durch ihr Set, bis es dann bei der herzzerreißenden und feinen Emo-Perle „Okay“ ankommt. Hierfür tauschen Schlagzeuger und Sänger die Rollen. Wenig später ist leider auch schon wieder alles viel zu schnell vorbei.
Und wenn ihr euch am Ende dieses Textes fragt, was denn nun der ganze Käse hier soll: Believe my hype and listen to Knarre!
https://knarreausberlin.bandcamp.com/album/eiscaf-venezia