Den Jungs, die Anna Calvi nach dem Eintreten ihrer Pubertät, die früher selbstverständliche Teilnahme am gemeinsamen Fussballspiel plötzlich versagten, sind wir zu ewigem Dank verpflichtet. Ohne Erfahrungen wie diese, hätte die britische Sängerin und Songwriterin vielleicht nicht ein so smartes und leidenschaftliches Album über Geschlechterrollen, wie ihre letzte Platte „Hunter“ (vom vergangenen Sommer) schreiben können.
Die Danksagung ist natürlich totaler Humbug. Oder ein klassischer Fall von Catch-22. Die Gegenwart lehrt uns, dass Gender-abhängige Erfahrungen leider nicht längst ein Relikt der Vergangenheit sind. Ganz im Gegenteil. Mit dem weltweiten Aufkommen reaktionärer Kräfte, die eine Renaissance der klassischen Rollenmodelle fordern, ist das Thema aktueller und anscheinend brisanter als man es noch vor einigen Jahren vermutete, als man dachte der Liberalismus hätte sich als Weltanschauung bei der Mehrheit der Bevölkerung längst etabliert. Schlechte Zeiten für die Gesellschaft – gute Zeiten für die Rockmusik.
Fünf Jahre hat sich Anna Calvi für den Nachfolger zu ihrem zweiten umjubelten Album „One Breath“ genommen. Eine Ewigkeit im aktuellen Musikbusiness. Aber die Wartezeit hat sich gelohnt. Die zehn Stücke von „Hunter“, die Calvi mit Nick Caves Haus- und Hof-Produzent, dem legendären Nick Launay aufgenommen hat, sind die besten Lieder ihrer Karriere geworden und fanden sich weltweit in den 2018er Shortlists sämlicher Musikmagazine. Der opernhafte Gesang Calvis kann mitunter ziemlich fordernd sein. Aber wer damit ein Problem hat, hört sowieso besser auf Spotify eine Chill-Out-Yoga Playlist.
Allen Anderen wird der Besuch ihres Köln-Konzertes am kommenden Dienstag dringend angeraten. Letzten Dienstag gab es nur noch 50 Tickets. Also beeilen!
Foto: Maisie Cousins