Karlsson veröffentlichen mit RAUHFASERIDYLL ein mehr als gelungenes Debüt, welches irgendwo zwischen Indie, Alternative und Punk erschreckend selbstbewusst genau die richtige musikalische und textliche Ausgewogenheit findet.
Zu poppig für ein Punk-Album und zu punkig für ein Indiepop-Album. Immer wieder gibt es auf RAUHFASERIDYLL diese Momente. Sekunde 1, Lied 1: Karlsson stampft und rumpelt einem in „Südamerika“ wütend mit „Wann hat das angefangen, das mit dem Hass? Das mit der Bitterkeit an jedem verdammten Tag?“ entgegen. Ziemlich großartig und der beste Einstieg in ein Album seit langem. Und RAUHFASERIDYLL hält bei den 11 folgenden Liedern fast durchgängig Tempo und Qualität. Die Melange aus Pop, Punk, Emo und vereinzeltem Hardcore-Geschreie ist durchaus stimmig. Dazu kommen auch immer wieder Momente, in denen die Band Haltung, zum Beispiel gegen Homophobie („Schwule Könige“), zeigt und Stellung zu Rechtsruck bezieht („Hundeleben“).
Bereits 2016 machten die vier Kölner Kilian (Gesang, Bass), Tobi (Gitarre, Gesang), Marius (Gitarre) und Lukas (Schlagzeug) mit der EP AUTOHAUSERÖFFNUNG auf sich aufmerksam. Damals musikalisch noch eher undefiniert und unsicher, scheinen KARLSSON nun ihren Weg gefunden zu haben. Produziert und aufgenommen wurde im Studio von Kumpel Uwe – und zwar genau so, dass genügend DIY-Spirit auf den Tonaufnahmen verblieb. Die Gitarren auf RAUHFASERIDYLL sind eine wahre Freude, die musikalisch härteren Momente gleichen die manchmal eher ungelenk offensichtlichen Texte über die „Probleme“ der Genration Y aus.
Kurz bevor es ganz in Richtung Befindlichkeitsmusik und Phrasendeutschpop abdriftet, bekommt das Album immer wieder die Kurve und entwaffnet mit Authentizität, Selbstbewusstsein und bloßer Spiel- und Textfreude. Herzlichen Glückwunsch aus Köln nach Köln zu diesem gelungenen Debüt!
VÖ: 15. Februar 2019, Disentertainment Records, https://karlssonmusik.de/
Ohr d’Oeuvre: Südamerika, Schwule Könige, Rauhfaseridyll
Gesamteindruck: 9/10
Tracklist: Südamerika/ Schwule Könige/ Hey Belane/ Es ändert sich nichts/ Rauhfaseridyll/ Der alte Boxer/ Zwischen den Zeiten/ Deine letzten Jahre/ Marathon/ Hundeleben/ Tage meiner Zuversicht/ Heimspiel