Nein, Piroshka ist keine russische Buchstabensuppe. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Art Superband des 1990er Britpops. Mitglieder unter anderem von Lush und Elastica entwickeln auf BRICKBEAT eine reife Version des Sounds von damals.
Als die (Pop-)Welt noch nach Großbritannien schaute, sich Blur und Oasis via Musikpresse beschimpften, hatten auch Lush und Elastica einen kleinen, feinen Platz in der größenwahnsinnigen Inselszene. Die einen hatten mit „Ladykiller“ einen mehr als passablen Hit, der manche Verrenkung auf der Tanzfläche nach sich zog, die anderen mit Justine Frischman, die aufregenste Frontfrau der damaligen Zeit. Man hätte es dabei belassen können. Gute 2o Jahre später liegt nun das Debütalbum von Piroshka vor. Kein polnisches Gebäck, sondern die ungarische Form für Rotkäppchen und eine sphärische Gitarrenrockband aus England. Neben Miki Berenyi von eben Lush, sind noch Justin Welch – ehemals Elastica – und zwei Mitgleider von Modern English am Start. Rausgekommen ist ein über weite Strecken solides Gitarrenalbum mit Ausschlägen nach oben. Es nimmt die losen Fäden von damals auf, lässt die künstliche Aufgekratzheit, die viele Songs damals umwehte, weg und ersetzt diese durch abgeklärte Songwriterfähigkeiten. Die Songs pendeln zwischen stampfendem Britopop wie im Brexit-kritischen Opener „This must be Bedlam“ oder wie in den an goldene Britpop – Zeiten anknüpfenden „Blameless“und „Heartsbeats“ und der tanzbaren Melancholie, die Bands wie St. Etienne damals auszeichnete. Am besten wird BRICKBEAT dort, wo es beide Fäden miteinander verwebt wie in „What’s Next?“ oder „Everlastingly Yours“. Obwohl wie bereits angesprochen diese Aufgekratzheit und die größenwahnsinnigen Spurelemente fehlen und nachhaltigen Gitarrenthemen weichen mussten, macht die Platte Spass. Die Stimme hätte man im ersten Moment wohl nie Berenyi zuordnen können, klingt sie doch viel zu sauber. Mit der Zeit aber meint man dieses rauchige Grundrauschen, was sie schon zu Lush – Zeiten auszeichnete, durchschimmern zu hören. Auch zeichnet sie sich als kritische Begleiterin ihrer Umwelt aus, sei wenn sie wie im angesprochenen „This must be Bedlam“, die Sprachlosigkeit zwischen den Brexitlagern anspricht oder an diversen Stellen der Platte die Abgründe einer Beziehung ausleuchtet.
So ist BRICKBEAT keine Platte von Nostalgikern geworden, sondern ein starkes, eigenständiges Spätwerk, was durch Abgeklärheit und ein feines Händchen für gutes Songrwriting überzeugt.
VÖ: 15. Februar 2019, Bella Union (Pias), https://www.facebook.com/piroshkaband/
Ohr d’Oeuvre: What’s Next?/ Everlastingly Yours/ This must Bedlam
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: This must be Bedlam/ Village of the Damned/ Never Enough/ Blameless/What’s Next?/Hated by the Powers that be/Run for your life/ Heartsbeats/ Everlastingly Yours/ She’s unreal