Normalerweise schreiben wir hier immer einen sehr schlauen Vorbericht. In diesem Fall haben das aber die Veranstalter von urban urtyp bereits selber getan. Wir werden an Ihrer schönen Rosenmontags-Alternative mit großer Vorfreude teilnehmen und ausführlich über das Konzert der weltberühmten* Band aus Mülheim an der Ruhr berichten.
*In den USA erscheinen ihre Platten seit 2004 auf Mike Pattons Ipecac Label.
Aber jetzt zum launigen Text der tollen reihe urban urtyp:
Ein urban urtyp spezial zum Rosenmontag | Bohren ist alles mögliche nicht: kein Jazz, kein Krach, kein meditatives Zeugs. Auch kein Metal, schon lange nicht mehr, kein Drone, kein Keinjazz. Kein Ambient, nur manchmal vielleicht. Kein Shoegaze, kein Metall oder hatten wir das schon, nur ab und an ein Hauch von so etwas wie black-sabbath-doom. Kein Rock, kein Swing, kein deutsch, kein schnell, kein langsam, viel langsamer. „Die langsamste Band der Welt“, schrieb SPEX einmal, aber woher wollten die das wissen, sie sind monatlich erschienen, für Bohren fiele sowas unter Hektik. Noir music? Ja, Dunkel können sie. Ridden Jazz? Eher nicht, Bewegung passt nicht so. Detective Jazz? Trifft es am ehesten, nur hilft es weiter?
Und jetzt wird es alles noch viel weniger, es wird: kein uu, kein urban urtyp, ein uu-spezial. Auch kein Rosenmontagszeugs, kein Geiermummenstunkschanz, auch kein alternativer Karneval, Bohren ist die Alternative zum Karneval, die einzige diesseits von.
Bohren, muss man dazu wissen, war schon mal uu, sie haben bei uns in der urban urtyp-Reihe gespielt, der Abend war dunkel, er war immens, jeder Ton trat einem persönlich gegenüber. Vor Jahrhunderten haben sie als Metalband begonnen, Heavymetal wohlgemerkt, haben sich durch den ganzen Krach gebohrt und sind am Ende, als kein Licht am Ende erschien, aufs Eigentliche gekommen, den einzelnen Ton. Das Gesicht in der Masse, das Auge im Krach.
Soundscapes, sagen viele, Filmmusik. Das passt einerseits, andererseits nicht. Weil man sich einerseits — bei Bohren-Konzerten ist es dunkel wie unter Tage — selber Vorstellungen geben muss, sonst macht es keiner für einen, und weil man es andererseits auch einfach lassen kann, die Töne stellen sich von sich aus vor, jeder einzeln und höflich mit Namen und Herkunft und Bildungsbiographie. [Man erfährt beispielsweise, dass der eine und andere Ton „das wohl behäbigste, bedrückendste Saxophon in der Musikgeschichte“ durchlaufen hat, das sind Bildungskarrieren.]
Muss man eine Warnung aussprechen? Unsinn, Bohren halten seit Jahrzehnten durch, wer diese Musik hört, wird alt, sie dauert einfach. Und zwischendurch fällt einem auf, dass es Sinn ergibt, wenn es etwas dauert, dass es sinnvoll ist, auf den nächsten Ton zu warten. Könnte ja der sein, den man bestellt hat, so genau kann sich doch keiner mehr erinnern. Beim letzten Konzert jedenfalls, das Bohren uns gab, war es so: das Publikum bestens gelaunt und dann, mit dem ersten Ton, still wie im Schacht.
Foto by Kim von Coels
www.urbanurtyp.de