ABAY im Artheater oder mit Musik gegen den Kotzreiz.
Nur weil du in deiner früheren Karriere mal gut mit Nudeln umgehen konntest, heißt das noch lange nicht, dass du deswegen später auch eine gute Pasta machst. So könnte die Erkenntnis des Abends lauten, die Aydo Abay im Kölner Artheater am Dienstag leidvoll am eigenen Leib erfahren durfte. Mit einem verstimmten Magen stand der 45-jährige Frontmann mit seiner nach ihm benannten Band ABAY, die der ehemalige Blackmail-Sänger 2012 zusammen mit Juli-Gitarrist Jonas Pfetzing ins Leben gerufen hat, auf der Bühne. Grund für den stetig aufkommenden Kotzreiz war laut Aydo der Besuch im Buster Pasta tags zuvor in Frankfurt, das – wie der Name bereits vermuten lässt – der ehemaligen Pornonudel Dolly Buster gehört.
Kapitulation war aber natürlich keine Option. Immerhin fand im Artheater der Abschluss der bislang größten Tour des Quartetts statt, das im vergangenen Jahr mit LOVE AN DISTORTION sein zweites Album veröffentlicht hat. Zumal der Weg ins wohltuende heimische Bett anschließend auch nicht allzu weit war, ist Aydo doch nicht nur in der Hauptstadt, sondern seit Jahren auch in Köln zuhause. Ohnehin hätte wohl niemand der Anwesenden die Leiden des Aydo Abay bemerkt, hätte dieser sie nicht selbst angesprochen und immer mal wieder für kleine Seitenhiebe in Richtung Dolly Busters Nudelhaus genutzt. Seine Restaurantempfehlungen wurden aber von niemandem ernst genommen. „Wir ziehen das jetzt durch“, gab sich der Sänger kämpferisch und zündete sich demonstrativ eine weitere Zigarette an.
Es wäre auch schade gewesen, hätte dieses wunderbare Konzert gar nicht oder nur verkürzt stattfinden können. Begonnen wurde der Abend mit einem augenzwinkernden Cover von Placebos „You Don’t Care About Us“. Augenzwinkernd deshalb, weil Aydos Stimme seit jeher mit der von Brian Molko verglichen wurde – und das auch nicht zu Unrecht. Ein wenig Vergangenheitsaufarbeitung gab es auch zur Mitte des Auftritts, als „Same Sane“ von Aydos alten Band Blackmail gespielt wurde. Dazwischen und danach gab es eine gute Mischung aus den zwei Alben ABAYs – das schöne „Plastic“ etwa, die ineinander übergehenden „1997 (Exit A)“ und „1999 (Exit B)“, das scheppernde „Different Beds“, das gewaltige „Rhapsody in Red“ oder das mitreißende „The Queen Is Dead“ im Zugabenblock ließen definitiv nicht viele Wünsche übrig.
Zwei kritische Fragen will der Autor dieser Zeilen aber dennoch noch los werden: Wie zur Hölle kann es sein, dass das fantastische Scooter-Medley „Always Hardcore“ live immer wieder ignoriert wird? Und wie blind vor dem eigenen Schaffen kann man als Band bitte sein, um einen seiner besten Songs – hier konkret: den grandiosen Titeltrack des Debüts „Everything Is Amazing And Nobody Is Happy“ – nicht auf die Setlist zu setzen? Alleine der minutenlang groovende Instrumentalpart hätte Aydo genug Zeit zum Regenerieren gegeben, so dass man locker noch mindestens eine halbe Stunde länger hätte spielen können. Aber das ist jetzt Meckern auf hohem Niveau.
Dominic Röltgen