Kettcar – Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. ich)
Zugegeben sind die Herren Wiebusch, Bustorf wie auch die anderen Bandmitglieder in den letzten Jahren weniger mit der Band KETTCAR in Verbindung gebracht worden. Vielmehr – zumindest bei den beiden ersteren – rückte die Arbeit für das Label Grand Hotel van Cleef in den Fokus. Mit selbigem haben sie sich zweifelsohne eine Stelle in der Indie-Musiklandschaft erarbeitet, wogegen die Band gefühlt an den Landungsbrücken lag. Mit dem 2017er Album ICH VS. WIR änderte es sich schlagartig und es war klar, dass die Pause KETTCAR sehr gut getan hat. Im Nachgang kündigte das Label im Frühjahr nun die EP DER SÜßE DUFT DER WIDERSPRÜCHLICHKEIT (Wir vs. ich) an.
Damit setzen KETTCAR inbeirrt den Weg fort, den sie mit ICH Vs. WIR eingeschlagen haben. Bei den Texten zu DER SÜßE DUFT DER WIDERSPRÜCHLICHKEIT fällt auf, dass Marcus Wiebusch eine Meinung zu der aktuellen gesellschaftspolitischen Großwetterlage hat und er diese unmissverständlich verbalisiert. Aus diesem Grunde findet die EP mit 5 Songs und einer Länge von ca. 20 Minuten hier eine eigene Erwähnung.
Musikalisch bleiben KETTCAR wie der Schuster bei den wohl bekannten Leisten. Ihre Songs haben eingängige Melodien mit Indie-Gitarrenriffs und den Keyboardelementen, die von der Rhythmusfraktion getragen werden. Wiebuschs Stimme und sein Gesang fügt sich in die homogenen Songstrukturen ein. Aus dem Hintergrund sticht nichts besonders heraus. KETTCAR bleiben ihrem Stil treu und erreichen damit neben alten, über lange Jahre erspielten Anhängern mittlerweile auch eine andere, größere Zielgruppe. Das, was die EP besonders macht und womit sie konkreter ist als ICH vs. WIR, sind die Texte von Marcus Wiebusch. Hier hat er signifkant mehr zu sagen als sein oft gehörtes „und das geht so“.
Jeder einzelne Songs beschreibt Themen oder Situationen, die – theoretischer Weise – einem Menschen heute widerfahren können. Dadurch schafft er einen Raum für die Erfahrungen, Probleme und Ängste der Personen, denen es passiert ist, und richtet den Fokus der Zuhörer in sensibler Form auf die negativen Seiten des Lebens. Das gelingt ihm ohne den Zeigefinger zu heben. In empathisch-druckvoller Art motiviert er dazu nicht aufzugeben, sondern die Situation zu überdenken, Schlüsse zu ziehen, weiterzumachen oder eben etwas zu ändern.
Von den Stücken bleibt neben „Palo Alto“, welches die Situation von Personen beschreibt, die aus den verschiedensten Gründen vom oder im Leben abgehangen wurden, und „Scheine in den Graben“, wodurch zum Nachdenken über den Umgang mit hilfebedürftigen Menschen animiert wird, das letzte Stück „Weit draussen“ im Gehörgang und in Erinnerung. Wiebuschs Talent durch seine Texte den Zuhörer sowohl zum Nachdenken über ihr aktuelle Situation, als auch über die gesellschaftlich-politische Lage, zu bewegen und damit Schlüsse zu ziehen, sollte Argument genug für DER SÜßE DUFT DER WIDERSPRÜCHLICHKEIT (Wir vs. ich) sein.
VÖ: 15.März 2019, Grand Hotel von Cleef, www.kettcar.de
Tracklist: Palo Alto / Scheine in den Graben / Notiz an mich selbst / Natürlich für alle / Weit draussen
Ohr d’Oeuvre: Palo Alto / Scheine in den Graben / Weit draussen
Gesamteindruck: 7/10