Solingen ist nicht Düsseldorf oder Hamburg oder vielleicht doch? Die 2010er sind nicht die 1980er oder doch? Kontrolle begeben sich mit ihrem Debüt EGAL hinab in den düsteren Keller der Punkgeschichte und entlarven die Gegenwart als recht trostlosen und skurrilen Ort.
Hört man EGAL, das Debütalbum der Solinger Düsterpunker von Kontrolle, wirken selbst profane Orte wie der Baumarkt („Baumarkt“), die Bar oder die Straßenbahn („Sitzen in der Straßenbahn“) bedrohlich. Die Mitmenschen ergeben sich in Oberflächlichkeiten und versuchen den anderen übers Ohr zu hauen. Da hilft es nur noch sich aus der Welt zu verabschieden und sich sein eigenes Kartenhaus zu bauen und sich dorthin zurück zu ziehen. Das alte Slime – Motto „Alle gegen Alle“ wird in das Social Media – Zeitalter übersetzt, als Verwandlung eines jeden zum Solitär („Solitaire“). Die Einsamkeit und Skurrillität, die viele Orte und Verhaltensweisen umweht , deckt die Band schonungslos auf. Dabei folgt sie dem alten Prinzip, dass es besser ist, gut zu kopieren als etwas schlecht zu erfinden. Sie interpretieren auf EGAL den düsteren Punk- und Wavesound von Bands wie Abwärts, EA 80 oder Fehlfarben aus den 80ern um, in einen druckvollen Post-Punksound, der durch seinen Bass den Hörer regelrecht niederwalzt. Sie fangen diese dunkle, klinische und sachliche Stimmung ein, die damals fast schon klaustrophobische Züge annahm, durch den Stakkatogesang, die einfache, harte und humorlose Sprache, die stark an die NDW-Zeit erinnert. Dazu gesellen sich die direkten, textlichen Verweisen auf die damalige Zeit, die an diversen Stellen (z.B. „Wirres Licht“) auf EGAL auftauchen. Nach dem Hören von Songs wie „Nacht“ oder „Straßenbahn“, bei denen sich der Bass in die Magengrube gebohrt hat und die Gitarrenwände keine Lücke frei lassen, stellt sich die Gegenwart nicht weniger klaustrophobisch als die damalige Zeit mit ihrer Aussicht auf Strahlentod, Isolation und sauren Regen dar. Dabei entwickeln KONTROLLE einen gewollten oder ungewollten Humor, wenn sie mit tiefsonorer Stimme über Sägeblätter oder andere Unscheinbarkeiten des Alltags singen, so dass sie wohl selbst das Vorlesen des Telefonbuchs zu ein tief-verstörenden Angelegenheit machen könnten. Für alle Leute, die den düsteren und härteren Deutschpunkklängen zugeneigt sind, eine unbedingte Empfehlung.
VÖ: 22.März 2019, Holy Goat Records, https://kontrolleband.bandcamp.com/album/egal-3
Tracklist: Baumarkt/ Zurück/Günther/Ich volk mich um/ 360 Grad/ Nacht/ Sitzen in der Bahn/ Wirres Licht/ Solitaire/ Alle wollen zahlen
Ohr d’Oeuvre: Straßenbahn / Baumarkt / Solitaire
Gesamteindruck: 7,0/10