Mit ROCHUS werfen die Joseph Boys wieder ihren Handschuh in den Ring, bereit alles auf links zu drehen und alle Klarheiten zu beseitigen.
Die Joseph Boys sind eine eigentümliche Mischung aus Kunst und Punk, aus dadaesken Texten und Brachialgitarren. Eine Mischung, die ihre Konzertauftritte samt Beamershow zu einem intensiven Liveerlebnis musikalisch wie physisch werden lassen. Auf den bisherigen beiden EPs FETT und EDITION S—E bescherrte dies dem Hörer Hits wie „Laramie“ oder „Zecke“. Auch auf ihrer ersten vollständigen Langspielplatte ROCHUS bleibt die Sprache klar und präzise, werden die abgehackten Sätze in einer eigentümlich Mischung aus Stoik und Aggressivität vorgetragen. Die Gitarren wirken dabei lauter produziert und doch zugleich experimenteller und nosiger, ohne dass allerdings der stetige Vorwärtsgang an Fahrt verliert. Ein wenig wie bei den Idles. Vielmehr beleuchten die Joseph Boys verschiedenste Milieus und jedes kriegt sein Fett weg. Sie räumen mit scheinbaren Sicherheiten auf und pinkeln lieber mal nach oben als nach unten zu treten. Dabei werfen sie bei allen schmissigen Parolen nie die Selbstkrik über Bord, sind sich immer bewusst, dass sich die Welt nicht einfach in schwarz und weiss unterteilen lässt, sondern sich die meisten Dinge in einem Graubereich bewegen.
So wird direkt im Opener „Freizeitstätte Garath“ ein kleinbürgerliches Milieu zwischen liebevoll-zurechtgemachten Vorgärten und der ehrlichen Samstagsnachmittagsschrauberei beleuchtet, so das es wirkt, als liege die einzige wahre Idylle in der Vorstadt versteckt, nur um mit dem Satz zu enden „Das Leben im Goldfischglas kennt keinen Tellerrand“. Da trennt man sich von der eigenene Vernunft, im Wissen zwar, dass es einem gut ging, aber ein vernunftorientiertes Leben auch vielen Fesseln mit sich bringt. Höhepunkte sind die Vorabauskoppelung „Fundbüro“, eine collagehafte Zusammensetzung von Verlustsituation („Konterbier, Kater weg, jüngere Frau Vater weg…“) und die Abrechnung mit der Stöckelmeile Königsallee in „Geisterbahn Königsallee“. Die Brachialtät der ersten Platten kommt nicht mehr mit dem Dampfhammer rüber, sondern wird durch die Produktion und die ausgfeilteren Songstrukturen etwas abgefedert, allerdings ohne an Intensität zu verlieren. Mit ROCHUS legen die Joseph Boys die Latte für die folgenden Deutschpunkproduktionen in diesem Jahr schon mal recht hoch. Alleine, weil man in jedem Songs merkt, dass hier Musiker am Werk sind, die ihren eigenen, vielleicht auch mal unbequemen Wege gehen, dabei den Blick über den Tellerrand aber nie aus den Augen verlieren.
VÖ: 26.April 2019, Flight13/Broken Silence, http://www.josephboys.de/
Tracklist: Freizeitstätte Garath/ Fundbüro/Geisterbahn Königsallee/Wschen Schneiden Legen/ Logische Obsolezenz/ Vernunft/ Genius Bar/ Cortina d‘ Ampezzo/ Drama Drama/ Steuerklasse/Allegleich
Ohr d’Oeuvre: Freizeitstätte Garath / Fundbüro / Drama Drama
Gesamteindruck: 8,0/10