Brausepöter hatten ihr erstes NDW/Punk Leben von 1978 bis 1982. Sie waren also Teil einer ganz neuen Bewegung. 2010 folgte dann die Wiederaufnahme der musikalischen Tätigkeit, so dass mit NERVEN GESCHÄDIGT jetzt das zweite Album seit 2015 vorliegt.
Liest man nur die Titel einiger Songs mit programmatischen Titeln wie „Ganzes Leben längst vorbei“ oder „Denkst Du an die Zukunft“ könnte man auf die Idee kommen, es handelt sich um einen grossen Rückblick auf die gute alten Zeit. Allerdings treten Brausepöter viel mehr den Beweis an, das Altern nicht mit Altersmilde verwechselt werden darf. Dass eine kritische Haltung nicht mit einem guten Glas Wein oder Antipasti abgeschliffen werden kann. So macht schon der Opener „Ewig Ding“ – ein Garagenrocker im 60ties Retrogewand – klar, dass man nicht Mitläufer im endlosen Rattenrennen nach Ruhm und Aufmerksamkeit sein will. Dies setzt sich in der Uptempo-Nummer „Fremder“ fort. Dieses Fremdsein ist das durchlaufende Motiv auf NERVEN GESCHÄDIGT, kein Gefühl abgehängt zu sein, sondern einfach nur den Wunsch sich nicht für den ganzen oberflächlichen Quatsch einspannen zu lassen. Dies kleiden Brausepöter wie gesagt teilweise in einen 60ties Sound mit Orgeln und Upbeat oder unterlegen dies mit hipperen NDW – Tönen, die man zurzeit auf jeder zweiten Indie-Punk Platte findet. Herausragend ist die Indiehymne im Replacements – Style „Dies ist nicht meine Welt“. Da verdrückt man kurz zwei Tränen, schluckt und ballt wieder die Faust, toll. Allerdings ist der Sound sehr viel rauer als auf den meisten aktuellen Produktionen, was den Charme der Platte aber eher steigert. Der Gesang erinnert dabei an manchen Stellen an Peter Hein von den Fehlfarben.
Wie gesagt bilden Isolation und das Fremdsein die durchgehenden Motive auf der Platte. Höhepunkte sind jedoch eher die, auf die persönliche Perspektive zurückgezogenen Stücke wie „Ganzer Körper brennt“, ein athmosphärischer, leicht unruhiger Erlösungs-Midtemporocker oder das wunderbare, fast funpunkmäßige „Dienstag Mittag“. Es sind dann diese Perspektivwechsel, die den eher nachdenklich Ton von NERVEN GESCHÄDIGT aufbrechen bzw. fast ins depressive wandeln lassen und die doch das Gesamtwerk heller scheinen lassen. Es ist ein gutes Jahr für Deutschpunk, schon jetzt, und Brauspöter sind mit NERVEN GESCHÄDIGT vorne mit dabei.
VÖ: 26.April 2019, Tumbleweed Records, https://www.facebook.com/pg/Brausepoeter/about/?ref=page_internal
Tracklist: Ewig Ding/ Fremder/ Nerven geschädigt/ Seele/ Falscher Alarm/ Ganzer Körper brennt/ Dies ist nicht meine Welt/ Dienstag Mittag/ Komm mal/ Denkst Du an die Zukunft/ Leider ohne Dich/ Ganzes Leben längst vorbei/ Pogo ganz allein
Ohr d’Oeuvre: Dies ist nicht meine Welt/ Dienstag Mittag/ Ganzer Körper brennt