In Peter Weirs berühmten Filmklassiker DER CLUB DER TOTEN DICHTER lässt der neue Englischlehrer John Keating die verwunderte Klasse in seiner ersten Unterrichtsstunde die Einleitung zu ihren Lyrikbüchern herausreißen. Diese enthält eine mathematische Formel mit der man angeblich die Wertigkeit von Gedichten definieren kann. Das neue Album des Neuseeländers und Wahl-Londoners Jordan Rakei besteht ausschließlich aus okayen und ganz guten Tracks. Würde man jeden einzeln bewerten und einen Durchschnittswert ziehen, käme man auf ein Rating von 6 von 10 Punkten. Aber der vom großen Robin Williams gespielte Freidenker hat völlig richtig festgestellt, dass man den Wert von Kunst nicht mit Mathematik festlegen kann.
Mit seinem dritten Album ist dem ehemaligen Schlafzimmer-Produzenten ein ziemlich großer Wurf gelungen. Normalerweise wird im Musik-Business bei der Einrichtung eines kommerziellen Popalbums (und bei den vermeintlich alternativen Platten in der Regel ebenfalls) das beste Stück auf den zweiten Platz gestellt. Bei Jordan Rakeis aktueller Platte stellt sich das Ganze dann doch ein wenig anders da – und das ist auch die große Stärke seiner Veröffentlichung. Seine Platte macht von der ersten bis zur letzten Sekunde durchgehört wirklich großen Spaß. Die Dramaturgie und der Spannungsbogen sind nahezu perfekt ausgetüftelt – im Neosoul-Genre und im Spotify-Zeitalter eine absolute Besonderheit – sind doch die meisten aktuellen Popalben in der Regel lupenreine Single-Compilations.
Rakei huldigt auf seinem bisher besten Album großen Vorbildern wie Stevie Wonder, Stealy Dan und singt in den besten Momenten zu seinen oftmals vertrackten Beatkonstruktionen wie der Leibhaftige* selbst – wie R. Kelly. Jedenfalls klingt ein Intro in der zweiten Hälfte tatsächlich ein wenig nach „The World’s Greatest“. Welches muss man selbst erraten. Sonst wäre es ja zu einfach.
VÖ: 14. Juni 2019, Ninja Tune (Rough Trade) www.jordanrakei.com
Tracklist: Mad World/ Say Something/ Mind’s Eye/ Rolling into One/ Oasis/ Wildfire/ Signs/ You & Me/ Moda/ Speak/ Mantra
Ohr d’Oeuvre: Origin tutto completo
Gesamteindruck: 8/10
*selbstverständlich nicht