Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben – Reisegruppe Seltsam auf dem Weg ins Paradies im Herbst 2019
Es wird langsam kühler, die Tage werden kürzer, der erste Spekulatius gammelt im Supermarkt vor sich hin und erste Erkältungssymptome schwächen den geschundenen Körper. – Das alles sind unvermeidliche Indikatoren dafür, dass der Sommer zu Ende geht und und die kalte Jahreszeit beginnt. Der Zeitenwechsel hat aber nicht nur Nachteile. Nachdem der musikinteressierte Mensch in diesem Sommer primär vor Bühnen meist in sengender Sonne gestanden hat und den klimatischen Bedingungen schutzlos ausgeliefert war, freut er sich nun darüber, dass in der dunklen Jahreszeit die Konzertveranstaltungen in unseren Breitengraden überdacht stattfinden.
Unsere Kölner Herzensband Fortuna Ehrenfeld lässt so langsam die Maschinen warmlaufen für die anstehende Konzertreise im Herbst. Sie werden kreuz und quer durch die Republik touren und auch unseren südlichen Nachbarn einen Besuch abstatten. Zur Verkürzung der Wartezeit bis zur Showtime haben sie ein neues Video zum „Bad Hair Day“ nach dem Titelsong vom Album HELM AB ZUM GEBET veröffentlicht, was wir Euch vorstellen dürfen.
Daneben hat Martin Bechler uns in einer ganz eigenen Form Rede und Antwort gestanden. Da die Reisegruppe Seltsam seit HEY SEXY kontinuierlich auf Tour war und so über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde, haben sie viele neue Orte in kennen und lieben lernen dürfen. Einige haben wir uns ausgewählt. Das ist ihm dazu eingefallen:
JMC: Hamburg – GHVC-Label-Räume
Martin Bechler: Als ich da das erste Mal reinkam, dachte ich: Oh!
JMC: Eltville Erbach – Draiser Hof
Martin Bechler: Gisbert zu Knyphausens Heimspiel! Uns wurde in den höchsten Tönen anmoderiert, wie sehr wir uns darauf gefälligst zu freuen hätten. Am Ende war es noch viel schlimmer. Man will nicht glauben, wie unbelehrbar enthusiastisch da alle ohne irgendeinen Stress und ohne jegliche Affektiertheiten abfeiern, einfach, um eine gute Zeit miteinander zu haben.
Eine perfekte Symbiose zwischen Mensch und Maschine…äh, Riesling.
JMC: Köln – Gloria Theater
Martin Bechler: Wenn man in Köln lebt und arbeitet, will man da spielen. Punkt. Die Atmosphäre wird unverwechselbar dicht, weil der Zuschauerraum nach hinten ansteigt und die Leute quasi auf dich drauffallen. Kurzer Heimweg, mit der 4 noch bis Leyendecker und auf’n Sprung im EDP vorbei – besser geht nicht. Keine Ahnung, wie ich nach Hause gekommen bin.
Als wir das Ding im erst zweiten Jahr dieser Band aus dem Stand ausverkauft hatten, dachte ich: Alright, das ist hier nicht für die Tonne. Durchatmen.
Das nächste Köln Konzert ist Ende Oktober auf einem Schiff. – Tourabschluss. Finale mit Blick auf die Skyline. Alter….!
Angeblich habe ich eine Wette verloren, dass ich „Heidewitzka, Herr Kapitän“ singen muss! Schaumermal. Supermegainsiderwissen: 2017 haben wir im Hamburger Hafen in einem russischen U-Boot das Video zu „Zuweitwegmädchen“ gedreht. In einer Szene liege ich verträumt in der Koje mit einem trashy Plattenspieler auf dem Bauch und lausche melancholisch den Klängen der Heimat. Der Chef meiner Plattenfirma gab mir die benötigte Requisiten-Single und es war: Richtig! „Heidewitzka, Herr Kapitän“. Bleib da mal ernst. Wenn man im Video genau hinschaut, sieht man es auf dem Label.
JMC: Kaltern – Marktplatz
Martin Bechler: Das Kaltern Pop ist das „kleine“ Haldern Pop. Der Marktplatz ist schön. Sehr schön. Dummerweise hat es aber Hunde, Katzen und Klapperschlangen geregnet, als wir dort Open Air spielen sollten und unser Konzert wurde in einen Atombunker verlegt, in dem sonst eigentlich nur Technopartys stattfinden.
Im ersten Liederbuch von „Hey Sexy“ gibt es ein schönes Foto von dieser Nacht „Backstage“ (also Gerätelager). Genau so habe ich da 4 Stunden gesessen, bis es endlich los ging. Vor uns Bilderbuch, 1h30 auf der Bühne. Dann: Abriss. Eine gewisse Pauliana kam an die Bühne und sagte uns sie sei extra aus HH für unseren 20-minütigen Slot angereist. Da dachte ich: Was zum Teufel ist hier los? Menschen, Musik und Reifenabrieb. Hier war ich richtig.
JMC: Ellerstadt – Weingut Bernhardt
Martin Bechler: Edelschmiede! Tempel der Glückseligkeit! Mit Christian Bernhard cuvetiere ich jetzt schon im dritten Jahr unseren eigenen Rotwein in seinem allerfeinsten Familienbetrieb, der alles in liebevoller Handarbeit macht. Kein Genossenschaftsplörrescheiß – sauf deinen bekackten Montepulciano selber, Aachener Strasse-Honk! Rotwein ist ein ernstes Thema und muss mit einem Maximum an Sorgfalt hergestellt werden. Hier hört jeglicher Spaß auf, meine lieben Freunde! Bald basteln wir den 18er Jahrgang. Ich habe von Anfang an gesagt: Nur eine Band ist mir zu fad, der ganze Scheiß muss einfach von vorne bis hinten Freude machen und vor allem, neben dem ganzen Tourstress, entschleunigen. Wir machen Bücher, Rotwein, Popmusik. Die drei Säulen der Abendländischen Gesellschaft. Und seit neustem Frühstücksbrettchen. Ich wiederhole: Frühstücksbrettchen.
Unsere Hobbys sind: Malen, schwimmen, Gut-zu-andern-sein.
No-Gos: Gitarrensoli, Autotune, Rieselhilfen.
JMC: Haldern – Pop Bar
Martin Bechler: Ja, Mann! Zeig mir einen, der in diesem Maße einen liebevoll ruralen Landstrich so dermaßen kulturell und damit auch sozial belebt hat wie Stefan.
Wenn du da abhängst, triffst du nur Überzeugungstäter, Freaks, verbindliche Leute, ohne jeden Schnedderedeng.
Wir haben da unser Video zu „Vereinsheim“ aufgenommen und beinahe einen Dackel erschossen.
Auf der kommenden Herbsttour kehren wir hierhin zurück und spielen einen Abend mit mighty Poisel. Wenn das nix is…
Die haben uns in einem recht frühen Stadium dieser Reise auf die große Bühne des Haldern Pop gestellt – Cheffo hat uns dann nach dem Gig gefragt, ob wir abends nicht gleich nochmal spielen wollen… Haben wir gemacht – da ist die ganze Hütte einfach explodiert. Verstehen Sie mich? Explodiert!
Wir haben da die Halderner Bläser kennengelernt, die wir immer gerne mal wieder für ein Konzert „verhaften“.
Unser Catering ist vegan. Immer, wenn die kommen, riecht es Backstage verdächtig streng nach Frikadellen und Marillenbrand. Man will nicht wissen, wie es in so einem Horn aussieht. „Das letzte Kommando“ mit der ganzen Kapelle auf der großen Bühne vom Haldern POP zu spielen, war mit Sicherheit eins der…ach, Sie wissen schon. Wir haben sie dann umgetauft in „Bläsergruppe Seltsam“. Liebe!
JMC: St. Peter Ording – Beach Motel
Martin Bechler: Ein „Klinken Gig“. Nordsee, kalt! Meine Plattenfirma wollte am Anfang, als sie mich unter Vertrag nahmen, wissen, wie so ihre Leute auf Fortuna reagieren. Beim ersten Mal war ich solo da und keine Sau wusste, wer ich bin. Ich hatte einen CD Player und eine geliehene Gitarre dabei, habe Techno-Beats und Mozarts „Ave verum“ gespielt, (imitiert) besoffen rumgegrölt und mir eine Pulle Bier über den Kopf gegossen. Ich hatte einfach keinen Bock, zum „Vorsprechen“ den üblichen melancholischen Songwriter zu zappeln und dachte: Komm, scheiß drauf.
War gut, glaube ich. Sinnlos aber nachhaltig. Im zweiten Jahr des Festivals waren wir mit Band da, auf einer deutlich größeren Bühne. Da saßen gleich zu Beginn des Konzerts zwei Kids mit Bärentatzen vor den Absperrungen im Graben. Ich war selten so nah dran, mir das alles literweise aus dem Schädel zu heulen.
JMC: Bonn – Harmonie
Martin Bechler: Rockpalast. TV- Aufzeichnung. Als ich 14 (aufwärts) war, saß ich immer mit großen Augen und Mund davor und habe Rory Gallagher, die ganz jungen U2, Johnny Winter, Trio etc. bestaunt. Wenn dieses blaue Neonding anfängt zu zappeln, können nur wenige die frisch polierte Luftgitarre im Halfter stecken lassen. Wir kamen vollkommen unterprobt und unvorbereitet aus der Winterpause und haben uns gedacht: Ach komm, scheiß drauf, wird schon.Jenny und Paul sind toll, wir tragen uns halt einfach blind durch jedes noch so bedrohliche Abenteuer.Gut gespielt, langer Tag, schöne Menschen. Es gab Apfelmus und Mörtel im Catering. Eine runde Sache.
Wermutstropfen: Die Harmonie ist einer der unzähligen Läden, die wegen des mittlerweile salonfähig gewordenen Denunziantentums und der sexy Schnuffis vom Ordnungsamt eine sehr strenge Lautstärkebegrenzung einhalten müssen. Wenn diese Scheiße so weitergeht (#flächenbrand), können wir den ganzen Musikbums vergessen und sehen uns dann jeden zweiten Samstag vor dem Starbucks zum Kopfhörerkonzert, präsentiert von Lutsch-mich-Papaya und Penaten. Mann, ey! Wir wollen nächste Woche mal dahin, also zum Ordnungsamt und die mal in den Arm nehmen und denen viel, viel, Liebe geben.
JMC: Beverungen – Glitterhouse Records
Martin Bechler: Was beim OBS passiert, bleibt beim OBS. Moin Rembert! Bis die Tage!
JMC: Bochum – Schauspielhaus
Martin Bechler: Ich hasse es, wenn ich zu lange auf der Bühne red …. aber ich liebe es. Wenn ich mich bei Bandkonzerten mal verliere, wirft Jenny mir immer liebvoll den berühmten „Diggi, komm jetzt mal zum Punkt-Blick“ zu. Wenn man davon ein Foto machen würde, sähe dieser Blick aus wie: „Ich habe ein Bolzenschussgerät in meiner Hosentasche und töte dich und alle deine Freunde, wenn du nicht sofort aufhörst zu sabbeln!“Ein durchmoderierter Abend, an dem man mal ganz in Ruhe das erzählen kann, was…keinen interessiert. Wunderbar. Klein, eng, heiß. Danach nackig in die Ruhr gesprungen, für abartig viel Geld einen Fortuna Siebdruck zu Gunsten von Seawatch versteigert – stolz.
JMC: Köln – Kulturkirche
Martin Bechler: Ein toller Raum. Ich wiederhole: Ein unglaublich toller Raum. Als wir via Lagerfeuer Deluxe engagiert wurden, habe ich gesagt: Wir dürfen den Raum nicht „antriggern“. Den Fehler machen viele, wenn nicht alle. Eine Kirche reagiert wegen des langen Halls enorm sensibel. Wir haben Pauls Schlagzeug in Betttücher eingepackt wie Christo, um möglichst leise spielen zu können und auf jeden Schnickschnack verzichtet. Plötzlich fing das Ding an zu schweben. Ich habe dann den „Puff von Barcelona“ von der Kanzel gesungen – mehr geht nicht.
JMC: Deine 3 Lieblingsorte im Allgemeinen…..
Martin Bechler:
1. Mein Bett
2. Mein Bett
3. An meinem Klavier sitzen (steht am Bett).
Das neue, großartige Video zu BAD HAIR DAY:
KONZERTTERMINE:
26.09.2019 – Bielefeld – Movie
27.09.2019 – Lüneburg – Salon Hansen
28.09.2019 – Jena – Rosenkeller
29.09.2019 – Kassel – Goldgrube
30.09.2019 – Hannover – Lux
01.10.2019 – Nürnberg – Club Stereo
02.10.2019 – CH-Aarau – Kiff
03.10.2019 – CH-Luzern – Schüür
04.10.2019 – Saarbrücken – Garage
11.10.2019 – Mönchengladbach – Theater im Gründungshaus
12.10.2019 – Koblenz – Circus Maximus
19.10.2019 – Langenberg – KGB
20.10.2019 – Trier – Mergener Hof
21.10.2019 – Frankfurt – Zoom
22.10.2019 – Mannheim – Capitol
23.10.2019 – Reutlingen – Franz.K
25.10.2019 -A-Kufstein – KUFA
26.10.2019 – IT-Kaltern – Kaltern Pop
27.10.2019- Lindau – Zeughaus
29.10.2019 – Köln – Konzertkahn
16.11.2019 – Wuppertal – Börse
Wer noch keine Tickets hat, kann hier welche erstehen.
Foto: DESC Photography