Für ein gutes und scharfes Foto des Teilzeit-Countrystars ist das Carlswerk Victoria heute viel zu voll. Es ist keine gute Idee, sich als spät Eingetroffener an einem Publikum, das wahrscheinlich zu großen Teilen durch Sutherlands Auftritt in der Helene Fischer Show rekrutiert wurde, nach vorne zu drängeln. Die Zuschauer im Westernoutfit, von denen es heute einige gibt, wirken zu allem bereit. Gottseidank mussten sie am Halleneingang ihre Pistolen abgeben.
Musik gibt es dann auch. Jede Menge dramaturgisch gut aufgebauten Countryrock. Die Anekdoten, die Sutherland vor „seinen“ co-geschriebenen Songs erzählt; wie über den Schlaganfall seiner Mutter (Achtung Spoiler: sie hat ihn überlebt), wären die perfekte Steilvorlage für einige geschmacklose Witze über „Betreutes Wohnen“ oder Helene Fischer Fans. Das geht natürlich nicht. Außerdem auch viel zu gefährlich: die Zuschauer werden sich ihre Waffen ja nach dem Konzert zurückgeholt haben. Kiefer macht jedenfalls eine extrem gute Figur, mit seiner umgehangenen und eingestöpselten(?) Gitarre. Wie er immer auf das Podest steigt. Toll! Er sollte nur aufpassen, dass er nicht über seinen roten Literaturkritiker-Schal stolpert.
Neben den Tracks von Sutherland gibt es auch einige (drei) Coverversionen zu bewundern. Unter anderem „Ways to be wicked“ von LONE JUSTICE. Das hat sich auch schon der verstorbene Tom Petty geborgt. Von ihm gibt es heute „Honey bee“.
Das im Zugabenteil gespielte „Knockin‘ on Heaven’s Door“ kommt ohne Schlaganfall-Anekdote. Haha. Und klar – man kann es ausgereizt finden, im Jahr 2019 den Dylan-Song aus Sam Peckinpahs Meisterwerk „Pat Garrett & Billy the Kid“ zu covern. Die Leute fanden es aber gut. Und erschossen wurde auch keiner.