Wer glaubt, dass mit dem One-Man Supporting-Act Yves Jarvis, der wie eine Kreuzung aus Daniel Johnston und Cody ChessnuTT anmutet, der Weirdness-Gipfel am heutigen Abend bereits erklommen ist, wird sich beim Konzert von Aldous Harding noch verwundert die Augen reiben.
Yves Harvis heißt eigentlich Jean-Sébastien Audet; kommt aus Kanada und hat unter dem Namen UN BLONDE seine erste Platte 2014 veröffentlicht. Ausgestattet mit Keyboard, Gitarre und Vogelgezwitscher präsentiert er seine Song-Miniaturen, die einige Zuhörer (den Autor dieser Zeilen nicht ausgenommen) wahrscheinlich eher aufgrund des Trainwrecking-Prinzips faszinieren. Seine aktuelle, Anfang 2019 erschienene Platte „The Same but by Different Means“, zeigt die (tatsächlich) erstaunlichen Fähigkeiten, des fälschlicherweise (etwas zu frühzeitig) als Borelord abgestempelten Songwriters.
Als pünktlich um 21 Uhr Aldous Harding mit ihrer Liveband die Bühne des Luxors betritt, könnte man im ersten Moment vermuten, dass die zierliche Neuseeländerin gerade aus der Besetzung eines Alejandro Jodorowsky Films entsprungen ist. Aber was sind schon Äußerlichkeiten, in Anbetracht der großen Vortragskunst, die heute Abend von der 28 (oder 29) Jahre alten Songwriterin vor ausverkauftem Haus zur Schau gestellt wird.
Um ganz ehrlich zu sein (ich weiß, diese Vorurteile sind furchtbar, aber in der Vergangenheit leider sehr oft Realität geworden), wenn unter 30-jährige Songwriterinnnen, mit weniger als fünf Jahren Bühnenerfahrung in die Stadt kommen, die in ihren Musikvideos, in bester Kate Bush Tradition, verträumt durch die Gegend tanzen, wird es meistens mittel- bis ziemlich schlimm. Es wird in der Regel viel zu laut gespielt und zum Publikum sehr selten eine Verbindung aufgebaut. Zu der männlichen Variante kann ich übrigens nichts sagen. Da würde ja eh niemand freiwillig, mit einem Rest Zurechnungsfähigkeit, hingehen. Kleiner Scherz…
Bei Aldous Harding sind diese Befürchtungen jedoch völlig unbegründet. Spätestens als bei „Designer“, dem Titeltrack des gleichnamigen aktuellen Albums, die komplette Instrumentierung ihrer großartigen Liveband erklingt, wird klar, die Neuseeländerin versteht ihre Sache.
Die aufeinanderfolgenden Songs „Designer“, „Fixture Picture“, „Treasure“ und das alles überragende „The Barrel“, ergeben zusammen den stärksten Teil einer Show, den das Konzertjahr 2019 bisher zu bieten hatte. Das ist keine Übertreibung.
Aber Harding garniert ihr sehr gutes Konzert am heutigen Abend sogar noch mit einer ganz besonderen Note: wenn Setlist.fm nicht lügt, ist ihr Cover des eher weniger bekannten BEE GEES Songs „Holiday“, sogar eine Premiere auf der Herbst/Wintertour.
Und wie gut Aldous Harding ihre Sache versteht, wird bei der bisher unveröffentlichten Zugabe „Old Peel“ deutlich. Da wird einmal kurz, aber sehr effektiv, die Lautstärke erhöht – so funktioniert der Katharsis-Effekt.
Bravo! Das war ein wirklich beeindruckender Abend, Ms Harding!
Für die Korrektheit der Setlist übernehmen wir (aufgrund der Begleitumstände) keine Verantwortung. Cheers!