Anders als der Kollege Peter an dieser Stelle, findet der Autor dieser Kritik nicht, dass Half Moon Run mit ihrem kürzlich erschienenen Album A BLEMISH IN THE GREAT LIGHT an ihr Debüt anknüpfen.
Vielmehr ist er der Meinung, dass die Kanadier mit ihrem Drittling im direkten Vergleich zu DARK EYES von 2012 und auch zu dessen drei Jahre später erscheinenden Nachfolger SUN LEADS ON ME ein geradezu erschreckend mittelprächtiges und durchschnittliches Folk-Album herausgebracht hat, das oftmals auf der Kippe zum unerträglichen Kitsch steht. Allerdings muss dazu noch gesagt werden,
dass der Schreiber dieser Zeilen, seit er das erste Mal – so um 2013/14 – die Single FULL CIRCLE gehört hatte, sich unumstößlich sicher war, dass diese unmöglich von der Band noch einmal getoppt werden, dass es von nun an nur noch bergab gehen könne. Insofern ist die Entwicklung von Half Moon Run für ihn also nur folgerichtig verlaufen.
Schade ist dies dennoch insofern die Mitglieder von Half Moon Run – Devon Portielje, Dylan Phillips, Conner Molander und Isaac Symonds – absolute Vollblutmusiker und Profis an ihren Instrumenten sind. Davon überzeugen konnten sich kürzlich auch ihre Kölner Fans in der Live Music Hall. Das muntere Wechseln von Instrumenten ist heutzutage sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal dieser
Band aus Montreal, in so einer Perfektion, wie diese vier Musiker es beherrschen und zelebrieren, kann man es dennoch nur sehr selten bestaunen. Nicht selten spielen sie während eines Songs gleich mehrere Instrumente. Und siehe da: So vorgetragen erhalten auch die neuen Stücke (gespielt wurden „Favourite Boy“, „Flesh and Blood“, „Jello on My Mind“, „Razorblade“ und „Then Again“) gleich eine ganz andere, viel lebhaftere Spannung. Wäre nicht der leider gewohnt recht matschige Sound der Live Music Hall gewesen, hätte man hier ein Konzert sehen können, das so nahe dran an musikalischer Perfektion war, wie es wohl möglich ist.
Das wiederum kann man auch als einen weiteren Kritikpunkt auffassen. Wenn sich Portielje (was für eine Wahnsinnsstimme dieser Typ doch hat!), Phillips, Molander und Symonds etwa zu „Sun Leads Me On“ ein Mikrofon teilen und in dieses Harmonien so sauber wie ein Engelschor säuseln, dann ist das fast schon zu viel des Guten. Wen das jedoch nicht weiter stört oder eine so hohe Livequalität sogar zum Maßstab für ein gutes Konzert macht, der wird auch in hundert Jahren wohl bei einem Auftritt von Half Moon Run sehr viel Spaß haben. Selbst dann, wenn die Jungs nie wieder eine spannende Platte produzieren sollten.