Mit GHOSTSEEN lassen es Nick Cave and The Bad Seeds ruhig angehen. Sie lassen den Hörer versinken in einer mystischen Welt voller Tod und Erlösung.
Das Cover – eine Paradieslandschaft mit diversen Tieren auf Glitzerpapier – läßt erstmal befürchten, dass Cave auf den grassierenden Europopretrozug aufspringen oder sich mit 12 jährigen Ponymädchen, eine neue Zielgruppen erarbeiten will. Aber GHOSTSEEN ist dann ein sehr erhabenes, ruhiges Cave -Album geworden, was ihn vor allem als Erzähler und Lyriker zeigt, der vor dem Hintegrund von zurückhaltenden Synthiesounds und vor allem sparsamen, aber kraftvollen Klavierthemen seine Erzählungen ausbreitet. Jesus kommt ebenso vor, wie das trauende Bärenpaar, was weggedämmt vor dem Fernseher seinem zum Himmel gefahrenen Kleinen gedenkt, die Mönche und Jesus-Freaks, welche die Ankunft des Erstgenannten erwarten. Nein, die Geschichten und die dahinter liegende Welt erschließen sich nicht wirklich. Aber eigentlich hat Cave ja immer diese Ausflüge in Zwischenwelten unternommen, Relität und Fiktion vermischt, was ihm immer eine dunkle und unberechenbare Note verliehen hat.
Leider ist das Album aufgrund der meist spartanischen Instrumentierung und den nahezu fehlenden Rythmusinstrumenten eine insgesamt zähe Sache. Und doch reißen es Cave und die Bad Seeds raus, indem sie einige wirklich erhabene Momente voller Schönheit kreieren. Wenn bei „Bright Horses“ die Chöre einsetzen und Cave dazu spricht: „Everybody has a heart, which is calling for something“ oder „Sun Forest“ in Minute vier in einen Choral ausartet, dann sind das schon große Momente, die manch langatmige Passage vergessen lassen. Die langjährigen Nick Cave Fans sollten voll auf ihre Kosten kommen. Es ist aber auch eine Herausforderung, die irgendwann beginnt Spass zu machen, in den Geschichten und die Gedankenwelt des Meisters abzutauchen, sich in den immer weiter spinnenden Gedanken Caves zu verlieren. Da klingt sehr viel Schmerz, aber auch immer wieder viel Trost heraus.
VÖ: 4. Oktober 2019 (8.November Vinyl), Roughtrade
Ohr d’Oeuvre: Bright Horses/ Sun Forest/ Fireflies
Gesamteindruck: 6 / 10
Tracklist: Spinning Song/ Bright Horses/ Waiting for you/ Night Raid/ Sun Forest/ Galleon Ship/ Ghostseen Speaks/ Leviathan/ Ghostseen/ Fireflies/ Hollywood