Tour abgebrochen, Festivalsommer abgeblasen – Die Corona-Pandemie hat dem Punk-Trio The Deadnotes aus Freiburg den Release ihres zweiten Albums COURAGE ganz schön vermasselt. Im Interview erzählt Sänger Darius Lohmüller wie seine Band die Krise bisher überstanden hat, was er von den Hilfsangeboten von der Politik aber auch vom Streaming-Giganten Spotify hält, und welche Hoffnungen er für die Zukunft hat.
Darius, wegen der Corona-Pandemie steht unter anderem die Musikbranche gerade Kopf. Als der Lockdown Mitte März losging, wart ihr gerade unterwegs auf Tour. Wie schwerwiegend sind die Probleme für euch als Band?
Darius: Die aktuelle Situation stellt schon eine große emotionale Herausforderung dar. Zum Zeitpunkt der Einschränkungen waren wir gerade in der Mitte einer beinahe zweimonatigen Tour. Die Hälfte der Shows musste abgesagt werden, dazu kommen abgesagte Festivals. Insgesamt bedeutet das einen Ausfall von nun beinahe 30 bereits gebuchten Konzerten. Trotzdem will ich auch immer wieder stark betonen: Wir sind in unserer Situation weitaus privilegierter als viele andere. Wie zum Beispiel als freischaffende Musiker in anderen Bundesländern, in denen die Hilfsprogramme eher leere Versprechen sind. Wir haben auch das Glück, allgemein privilegiert genug zu sein, diese Situation definitiv zu überstehen und uns dessen auch bewusst zu sein.
Stichwort leere Versprechen: Inwieweit können die Hilfsprogramme der Länder euch helfen– gerade im Hinblick auf die abgebrochene Tour und die weggefallenen Festivals im Sommer?
Darius: Das ist natürlich insbesondere in unserem Fall sehr frustrierend, da wir uns mitten in der Album-Release-Phase befinden. Über Nacht sind uns Pläne, die teils über Jahre hinweg entstanden und erarbeitet wurden, einschließlich Promotionflächen, für das Album zunichte gemacht worden. Wir arbeiten als Band in weiten Zügen selbstständig. Wir betreiben unser eigenes Label, eigenes Booking und persönlich arbeite ich Teilzeit in der Veranstaltungsbranche, sprich wir sind somit in wirklich sämtlicher Hinsicht betroffen. Den Großteil an Geld spielen wir durch Liveshows und intensives Touren ein, was ebenfalls einen riesigen finanziellen Ausfall darstellt. Gerade anfangs hat uns das vor große Existenzfragen gestellt.
Wie erlebst du den Umgang in der Musikszene mit dieser Ausnahmesituation?
Darius: Ich bewundere sehr mit wie viel Bescheidenheit, Kreativität und Leidenschaft viele Künstler, Bands, Labels, Agenturen derzeit versuchen das Beste aus dieser Situation zu machen.
Trotzdem sollte auch klar sein, dass Leidenschaft nicht mit „just for fun” gleichzusetzen ist. Auch finanzielle Solidarität ist wichtig. (Virtuelle) Anerkennung ist definitiv schön und relevant, aber reicht alleine niemals aus, um Kunst am Leben zu halten.
Spotify zum Beispiel hat sich ja vor Kurzem den virtuellen Trinkgeldbecher einfallen lassen. Was hälst du von diesem Hilfsangebot?
Darius: Naja, hier wird natürlich nicht aus Nächstenliebe gehandelt. Die Firma ist sich ihrer Position in der „Industrie” definitiv bewusst. Den „Spendenbutton” auf dem Künstlerprofil sehe ich in der Ausführung sehr kritisch, da hier eine Verantwortung auf den (kleinen) Künstler umgemünzt wird, die er nicht tragen sollte. Lasse ich an die eigene Band spenden oder an eine „Charity Organisation”? Versuche ich selbst zu überleben und präsentiere mich dafür unsympathisch und bettelnd? Oder spende ich an eine Organisation, poliere mein Image aber habe, gerade in solch einer schweren Zeit, selber nichts davon?
Auch vor der Krise waren Streaming-Dienste wie Spotify ja nicht gerade für ihre Nächstenliebe bekannt. Hast du das Gefühl, dort wird Musik überhaupt noch richtig wertgeschätzt?
Darius: In erster Linie ist Spotify ein wirtschaftliches Unternehmen, dessen Ziel es ist, Profite zu generieren. Trotzdem stehe ich der Idee der Plattform im Grunde genommen positiv gegenüber. Es ist eine großartige und die derzeit einfach relevanteste Plattform, um seine Musik vielen Menschen zugänglich zu machen. Genauso aus Konsumentensicht. Was gibt es besseres als sämtliche Musik so kompakt, immer und überall zugänglich zu haben? Trotzdem klafft hier eine große Abhängigkeitslücke.
Inwiefern?
Darius: Künstler stehen in einer Abhängigkeit, denn Spotify spielt eine extrem große Rolle, um die eigene Musik zu promoten. Zum Beispiel werden Releases nicht selten explizit mit Hinblick auf möglichst viele Spotify-Plays angelegt oder gar komponiert bzw. produziert. Doch ich glaube, es macht sich wirklich KEIN vernünftiger Künstler finanziell hiervon abhängig oder stützt seine Existenz auf die extrem niedrigen Ausschüttungen.
Es wird ja schon seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder darüber gesprochen, dass die Krise vieles an unserer bisherigen Normalität ändern wird. Wenn das stimmt, was würdest du dir dann für die Zukunft der Musikbranche wünschen?
Darius: Wir sind als Band in einer Szene, aber auch Blase, unterwegs die grundsätzlich schon sehr wertschätzend, anerkennend und solidarisch ist, auch in finanzieller Hinsicht. Trotzdem glaube ich, dass hier gesamtgesellschaftlich noch viel Bedarf nach oben ist.
Ich erlebe immer wieder, dass auf kleinen Punkshows um nur Einen Euro Eintritt gefeilscht wird oder gut situierte Leute gerne „Eintritt frei”-Shows besuchen, aber wenn es um Spenden für die Künstler geht, machen sie sich schnell aus dem Staub. Das sind leider keine Ausnahmen.
Die Verantwortung kann aber nicht nur in der Gesellschaft und bei Einzelnen liegen. Finanzielle Vergütungen von Streaming-Anbietern müssen längerfristig erhöht werden, und auch staatliche Subventionen müssen endlich, insbesondere im U-Musik Bereich, ausgeweitet werden und greifen. Unterhaltungsmusik heißt nicht „Umsonstmusik”!
Natürlich hoffe ich darauf, dass die aktuelle Situation den Wert von Kunst wieder aufzeigt. Aber ich befürchte leider, ohne Aktivismus wird auch hier nach der Krise wieder alles wieder von vorne beginnen.
Danke für das Gespräch!