Irgendwie fühlt sich gerade alles unwirklich an. Für manche fast ein wenig apokalyptisch. Gut, dass Protomartyr mit ULTIMATE SUCCESS TODAY den Soundtrack dazu liefern.
Der Krach kehrt zurück in den Indie Rock! Seit ein paar Jahren ist angenehmerweise zu beobachten, dass sich sperrige, krachige Bands wie die Idles oder Fontaines D.C. einer erhöhten Aufmerksamkeit erfreuen. Protomartyr ist dies mit ihrem neuen, fünften Album ULTIMATE SUCCESS TODAY ebenfalls zu gönnen. Sie knüpfen mit der Platte dort an, wo der wunderbare Vorgänger RELATIVES IN DESCENT endete. Rhythmischer Post-Rock, trifft auf experimentelle Songstrukturen, die sich eher an den Erzählungen von Sänger Joe Casey orientieren als am klassischen, eingängigen Strophe-Refrain Muster. Dabei gelingt es der Band bei allen Brüchen in den Songs die Dynamik hoch zu halten. Ein Brückenschlag zwischen den oben genannten Bands und Post-Punk Klassikern wie The Fall. Das sich Joe Casey manchmal anhört wie der betrunkene und wütende Bruder von Nick Cave tut ein übriges. Dabei erweitern sie auch ihr Klangbild. So bestimmen nicht nur Gitarren, sondern auch eher genrefremde Instrumente wie Saxophon und Klarinette einzelne Songs. Eine angenehme Auflockerung.
Woher der Krach kommt? Vermutlich liegt es an der Detroiter Herkunft des Quartetts und den Rahmenbedingungen allgemein in den USA, die zersetzt sind von Fake News, Ungleichheit und ökonomischen Abstieg für die breite Masse. Setzten sich Protomartyr auf dem letzten Album vor allem mit dem Thema der von Fake News zersetzten Kommunikation auseinander, scheint Casey die derzeitigen, negativen Schwingungen geradezu in seine Lyrics aufzusaugen, die er mal bellend, mal winselnd herausdrückt. Eine apokalyptische Reise zwischen Endzeitgedanken und treibenden Rhythmen. Die Band hält sich nicht mehr auf mit der Analyse menschlicher Kommunikation, sondern schwenkt den Scheinwerfer lieber direkt auf den unausweichlichen Untergang, beleuchtet eine von Naturkatastrophen und Heuchelei zerstörte Welt. Protomartyr liefern den Soundtrack dazu. Der muss nicht immer brachial, brutal rüberkommen, sondern kann wie in „June 21“ fast süßlich sein. Aufgehangen an Joe Cockers unsäglichem „Summer in the city“, ergänzen Protomartyr ein „bring me low“, baut Casey ein Szenario auf, welches kaum die Hoffnung lässt, lebend durch die Nacht zu kommen. Dazu spielt die Band süßliche Soul Melodien.
ULTIMATE SUCCESS TODAY ist ein großartiges Werk, was seinen Reiz aus der nach vorne treibenden Energie der Songs und dem düsteren Kern der Lyrics zieht. Ein bedrohliches Gewitter, dessen Blitzen und Donnern man sich nicht entziehen kann.
VÖ: 17.07.2020, http://protomartyrband.com/
Gesamteindruck: 8/10
Ohr d’Oeuvre: Processed by the boys / Bridge&Crown/ The Aphorist
Tracklist: Day without end/ Processed by the boys/ I aM you now/ The Aphorist/ June 21/ Michigan Hammers/ Tranquilizer/ Modern Business Hymns/ Bridge&Crown/ Worm in Heaven