Hört oder liest man in letzter Zeit etwas über die Band Ways Away, scheint es zwangsläufig, dass der Begriff Supergroup nicht fehlen darf.
Dabei sträuben sich einem genau bei diesem Begriff die wenig verbliebenen Nackenhaare ins Unermessliche. Gibt es doch recht wenige Supergroups, deren musikalischer Output dann auch wirklich „super“ ist. Vielmehr ist das, was die sogenannten Supergroups meist in kurzer Zeit auf Anraten windiger Musikmanager zusammenklöppeln, oftmals ziemlich schlimm. Warum wird also im Zusammenhang mit Ways Away dieser Begriff in den Ring geworfen und vor allem, schafft die Band das nahezu Unmögliche, ein halbwegs hörbares Album auf die Beine zu stellen?
Bei Ways Away handelt es sich um eine Band, die sich aus Mitgliedern der Bands Stick to your Guns, Boysetsfire, Raquet Club und Samiam zusammensetzt. Soweit, so gut. Während Stick to your Guns immer ein wenig so wirken, als würden sie versuchen, mit größtmöglicher Ähnlichkeit zu Boysetsfire ein Stück von deren Kuchen abzubekommen, ist der Beziehungsstatus zu eben diesen Boysetsfire in den letzten Jahren auf „es ist kompliziert“ abgekühlt. Zu sehr hat man den Eindruck, dass die Kuh BSF, gerade im alten Europa, bis zum Maximum gemolken wird – ganz nach dem Media Markt Motto, „Wir denken uns jedes Jahr ein neues Jubiläum aus“. Bei den verbleibenden anderen beiden Mitgliedern wird man dann jedoch hellhörig. Handelt es sich doch um den umtriebigen Sergie Loobkoff von den großartigen SAMIAM und Ian Smith von der hierzulande völlig unterschätzten Band Raquet Club.
Nach all den Vorabinformationen wagen wir also einen ersten, möglichst vorurteilsfreien Hördurchgang des selbstbetitelten Albums von Ways Away. Der Opener „DIE ON THE VINE“ startet recht bedächtig, doch nach genau 0:45 Sekunden kommen wieder die Nackenhaare ins Spiel. Denn beim ersten Refrain weiß man, wer hier musikalisch federführend ist. Nämlich eben jener Sergie Loobkoff von SAMIAM. Solch unfassbar wundervolle, unprätentiöse Hooklines kann nur Loobkoff. Wenn man sich dabei vor seinem inneren Auge vorstellt, wie er dazu in seiner unnachahmlichen Art seine Reverend Double Cutaway Gitarre bearbeitet, ist es um das inzwischen leicht verfettete EMO-Herzchen geschehen.
Fairerweise muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass Jesse Barnett (Stick to your Guns) einen wirklichen großartigen Gesangspart liefert und die Rhythmusfraktion um Jared Shavelson (Boysetsfire) am Schlagzeug sowie Ian Smith am Bass ihren Teil dazu beitragen, dass wir es bereits beim Opener mit einem der besten Songs des Genres seit langer, langer Zeit zu tun haben. Aber auch der Rest des Albums weiß in wirklich jeder Sekunde zu überzeugen. Die Befürchtung, dass dieses Supergroup-Album aus ein bis zwei Hits und ansonsten nur Füllmaterial besteht, verfliegt bereits beim dritten Song „ROAM WITH A GOAT“. Spätestens aber bei „SAVANNAH“, der es schafft, den schon großartigen Opener links zu überholen, ist man sich Gewiss, eine neue Liebe gefunden zu haben.
Dieses Album hätte man tatsächlich so oder so ähnlich von SAMIAM erwartet. Dabei ist es überraschend, dass man wirklich in keinem Moment Jason Beebout vermisst. Vielmehr schafft es Jesse Barnett mit seiner stoischen Art zu singen, den bereits erwähnten, wundervoll-unprätentiösen Melodien Loobkoffs die sprichwörtliche „Krone aufzusetzen“.
Spricht man redaktionsintern von einem Anwärter auf das Album des Jahres, so erntet man meist entgleiste Gesichtszüge und ein allseits genervtes Nicken. Aber hey, dieses Album vereint alles, was viele der EMO, PostHC Lieblingsbands in den letzten Jahren haben vermissen lassen: durchgängig großartige Melodien, ohne in kitschigen, überproduzierten Stadionbombast abzurutschen. Ein musikalisches Kleinod, das es tatsächlich schafft, einem das beschissene Jahr 2020 ein wenig zu verschönern. Liebe Restredaktion: Ein Anwärter auf das Album des (Scheiss)Jahres. So!
VÖ: 17.07.2020, Other People Records, https://www.facebook.com/waysawayband/
Gesamteindruck: 9/10
Ohr d’Oeuvre: Die On The Vine/ Savannah/ Gila/ Collarbone/ Roam With A Ghost
Tracklist: Die On The Vine/ No Means, No Ends/ Roam With A Ghost/ Halfway Open/ Everyone I Know (The Optimist)/ Savannah/ Drop Line Sink/ Gila/ Collarbone/ What Are We Going To Do About Matthew
VÖ: 17.07.2020, Other People Records, https://www.facebook.com/waysawayband/
Gesamteindruck: 9/10
Ohr d’Oeuvre: Die On The Vine/ Savannah/ Gila/ Collarbone/ Roam With A Ghost
Tracklist: Die On The Vine/ No Means, No Ends/ Roam With A Ghost/ Halfway Open/ Everyone I Know (The Optimist)/ Savannah/ Drop Line Sink/ Gila/ Collarbone/ What Are We Going To Do About Matthew