Marcel: Hallo Björn!
Björn: Hallo Marcel! Eigentlich wollten wir ja schon letzte Woche mit unserem neuen Format beginnen. Ich weiß gerade nicht, was man so zum Start schreiben soll. Vielleicht: „Dann fangen wir mal an und sprechen über die neuen Platten der Woche“. Über das Corona Album von Annemaykantereit sprechen wir dann nicht mehr. Schade.
M: Alles klar. Na dann – los! Zu allererst: unter was läuft denn „Pardon My French“ von Jahari Massamba Unit, die Du vorgeschlagen hast? Special Interest? Electro Jazz? Wie findest du die?
B: Ich würde sie unter Jazz – bzw. Freejazz – einordnen. Von den sechs Platten, die wir diese Woche ausgewählt haben, gefällt mir diese am zweitbesten. Jahari Massamba Unit ist ein Projekt von Madlib und Karriem Wiggins – beide schillernde Figuren des US-Hip-Hops. Hast Du die Platte komplett durchgehört?
M: Wirklich?? Nee, das habe ich nun wirklich nicht ausgehalten. Ganz anstrengend. Ich hab nur gelesen, dass das ein Debüt ist. Für mich auch direkt der Schlusspunkt. Und was ist dein Favorit?
B: Die ersten drei Tracks habe ich wie eine Overtüre zu einer dann doch deutlich konventioneller – als nach dieser Einleitung vermutet – ausfallenden, Drum Fill lastigen Jazzplatte wahrgenommen. Mein Favorit ist „Riesling Pour Robert“.
M: Hmm. Wollen wir mal etwas mainstreaminger werden? Wie findest die neue Smashing Pumpkins? Obwohl die Zeit ihrer Relevanz ja auch eher vorbei ist.
B: Ich finde die Smashing Pumpkins Platte sehr schlecht. Ein anderes Album in dieser Woche hat mich auch ordentlich genervt. Aber dass Billy Corgan, der ja einige Klassiker des Alternative Rock verantwortet, so eine käsige Keybordplatte hinrotzt, ist eigentlich nur unfassbar. Nicht ein einziger Song hat mich angesprochen. Kein Song hat eine ordentliche Bridge oder anderweitig einen Ansatz von Dramaturgie. Die Background-Gesänge sind schrecklich. Die Produktion war bestimmt keine schöne Angelegenheit. Konntest Du dem Album irgendetwas positives abgewinnen? Ich jedenfalls will es nie wieder hören.
M: Nein. Ich leider auch nicht. Der Synthiesound passt irgendwie nicht und 20 Lieder sind einfach zu viel. Da hilft auch nicht, dass Gründungsmitglied und Gitarrist James Iha wieder dabei ist. Welches andere Album ist denn bei dir durchgefallen?
B: Ich finde es ja immer etwas schwierig Anfänger runterzumachen. Aber die EP „Farbfilm“ von C’est Karma ist einfach nur totaler Schrott. Wenn die Premiumdenker vom Diffusmag eine Platte loben, ist meistens Vorsicht angebracht. Vielleicht ist C’est Karma mega woke. Die Songs sind einfach nur schlimmste stereotype Kapitalismus-Pop-Scheiße. Mir fiel beim Anhören ein Roger Willemsen Zitat zu Heidi Klum ein, was man (heute) aber nicht (mehr) bringen kann. Was sagst Du?
M: Ich fand die gar nicht schlecht. Natürlich sehr gefällig und poppig. Aber ich muss jetzt nicht gleich sechs Sorten schei**e aus der Künstlerin rausprügeln.
B: So weit sollte man nicht gehen. Nein.
M: Ganz schlimm fand ich „Stabil Labil“ von den Ducks on Drugs über Audiolith. Eigentlich ein top Label. Aber so langsam wird’s komisch. Ducks in Drugs klingen wie das zuvor von denen veröffentlichte Sorry3000. Deutsche Texte, Synthies, NDW-Sound und aus jeder Zeile springt einem entgegen, wie besonders und individuell man ist. Jetzt also Ducks in Drugs als verdrogtes Pärchenduo. Ich fand Schnipo Schranke schon doof. Da hat die Frau auch schon mitgemacht.
B: Ente und Daniela Reis sind Ducks on Drugs. Beide waren mit Fritzi Ernst zusammen Schnipo Schranke. Ich finde die Platte ganz lustig. Nicht so großartig wie das Debüt von Schnipo. Das bestach mit einer Mischung aus infantilem Humor und einer Abgründigkeit, die man zusammen eher selten erlebt. Der absichtliche Dilettantismus der neuen Platte nervt mich manchmal. Und wenn Ente seine Parts lispelt, höre ich immer Linus Volkmann. Das ist eigentlich das Schlimmste, was ich mir persönlich vorstellen kann. Aber trotzdem ist das doch eher eine sympathische Sache, wenn sich die Protagonisten eines Popalbums selber nicht so ganz ernst nehmen. Vielleicht sind die beiden auch echte Arschlöcher. Egal. Deine Kritik kann ich irgendwie nicht so richtig nachvollziehen.
M: Hmm. Sollen wir diese Woche doch mit einem kurzen Kommentar zur Annenmaykantereit Platte der letzten Woche schließen? Ich habe das Gefühl, da könnten wir uns zum Schluss nochmal einig sein.
B: Lass mich kurz noch meine Favoritenplatte der Woche droppen: „I LOVE THAT I HATE MYSELF“ von BLVTH. Der ist bisher eher als Produzent u.a. von Casper in Erscheinung getreten. Aber sein neues Album find‘ ich richtig gut. Dauert auch nur 28 Minuten. Es gibt also keine Gründe, dass man sich das nicht anhört. Willst Du auch was dazu sagen? Oder können wir jetzt unseren vermeintlich gemeinsamen Gefühlen zu Annenmaykantereit freien Lauf lassen?
M: Der Name sagt mir auf jeden Fall auch was. Der hat aus das Kummer Album „Kiox“ produziert. Dein Urteil zu BLVTH kann ich absolut nachvollziehen. Krasser Sound und macht Spaß.
B: Schön! Aber was sagst Du zu 12?
M: Igitt! Ein Corona-Lockdown Konzeptalbum. Was für eine Idee. Textlich banal wie eh und je: „Die Gelder fließen, die Tränen auch. Woher sie plötzlich kommen weiß niemand so genau“. Die sitzen rotweintrinkend in der Südstadt und beschweren sich dass die Kneipen zu haben. Für mich der vertonte Corona-Spot der Bundesregierung.
B: Ich gebe Dir Recht. Ich sag mal was zur Produktion, die ich besonders perfide finde. Henning May singt so langsam, als hätte er während des Lockdowns seine Liebe am Ätherkonsum entdeckt. Mays Stimme ist auch oft in Demoqualität zu hören – während die Instrumentierung meistens relativ „normal“ angelegt ist. Okay, einzelne Spuren dann manchmal nicht. Gerne am Anfang der Klagestücke. Man hat das Gefühl, dass mit sehr, sehr viel Aufwand, das Album so produziert wurde, dass wirklich jeder schnallt, dass die Platte während des Lockdowns aufgenommen wurde. Ein neues Genre: Fake-Lofi. Sollen wir damit für diese Woche schließen?
M: Ja. Bis nächste Woche.